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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Die Entwicklung des Berliner Kunstmarktes: Von "Unter den linden" bis in die Tiergartenviertel
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Londoner Kunstschau / Aus dem nordischen Kunstleben / Aus der Künstlerwelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Hollands Kunstwesen / SAchweizerische Kunstchronik / Der Goldschmiede Merkzeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0317

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Dte 6ntiütcklung des Bet’Unec Kunftmat’ktes

üon „Untev dcn Undcn" bis tn das Tiet?gat?tcnuicüte(.

Berlin hat seit einiger Zeit, und darauf wurde ja schon hin-
gewiesen, hcute ein großes richtiges Künstviertel. Es be-
ginnt, wie man weiß, Unter den Linden, wo die Galerie v a n D i e -
m e n und die A 11 k u n s t ihre Qualitäten zeigen und in deren
Nähe (Neue Wilhelmstraße) die Galerie Rothmann liegt —
an dcr Ecke ist übrigens die moderne Galerie S c h u 11 e — und
erstrcckt sich weit in das Tiergartenviertel hinein. Von den Linden
aus wandert der Kunstwanderer in die Friedrich Ebertstraße,
stößt liier zunächst auf die Galeric Dr. B e n e d i c t & C o., auf
die Galerie Dr. Gottschewski — Dr. Schäffer und das
moderne Kunstgewerbehaus Friedmann & Weber — da-
zwischen liegt noch manches Antiquitätengeschäft — und kehrt
dann wicder die Friedrich Ebertstraße zur Ecke Lennestraße
zurück. In dcr Lennestraße sitzt Frederick Rozendaal, sitzt
die Galerie Ehrhardt und seit einigen Tagen auch Theodor
Gey er aus Danzig, der unter der Firma „Peri-Ming“ alle Gebiete
des Kunstgewerbes neben alten Bildern kultiviert.

Von der Lennestraße kann rnan wieder in die Friedrich Ebert-
straße einkehren, um dann vom Beginn dcr Bellevuestraße aus
die Straßenzüge Bellevue-, Viktoria- und Tiergartenstraße zu be-
suchen. In der Bellevuestraße nun steht Kunsthaus um Kunsthaus
dicht nebeneinander. Neben Hinrichsen-Lindpaintner
aie Galerie Bottenwieser, dazu gcsellt sich das Antiqui-
tätenhaus W e r t h e i m , dann P e r 1 s und auf der gegeniibcr-
liegenden Seite arbeiten die Galerie Matthiesen, die Galerie
Thannhauser, das Chinahaus Dr. Otto Burchard & Co.,
die Galerie Haberstock. Und jetzt biegt man links in die
Viktoriastraße ab, wo auf der linken Seite Paul C a s s i r e r den
Anfang macht, auf der rechten Seite das moderne Frankfurter
Kunsthaus M. Goldschmidt & Co., das jetzt eben eine schöne
Ausstellung von französischen Impressionisten zeigt, unter ihnen
Manet, Monet, van Gogh, Cezanne, Sisley. Gegenüber Cassirer
stellen J. & S. G o 1 d s c h m i d t und Max H e i 1 b r o n n e r in
ihrem Rathenau-Palais ihre Qualitäten alter Kunst aus. Dicht da-
neben hat B ö h 1 e r aus München eine Filiale errichtet, nicht weit
davon ist die Galerie Otto W a c k e r , ist die Galerie Dr. Alfrcd
G o 1 d , und auf der anderen Seite die Galerie Carl N i c o 1 a i
und Dr. Goldschmidt — Dr. Wallerstein.

In der Tiergartenstraße hat Edgar W o r c h sein China-Haus.
Dann folgt Hermann B a 11 — im gleiehen Hause ist Paul G r a u p c
— Jac. van Dam ist aucli in der Nähe und schließlich ist unter
anderenr seit einigen Tagen die B e r 1 i n e r S e c e s s i o n in der
Ticrgartenstraße. Das aber sind noch lange nicht alle Kunsthäuser
des Tiergarten-Viertels. Vor kurzem ist P. R u s c h aus Dresden
in dic Hohenzollernstraße gezogen, wo er heute eine bedeutende
Kollektion von Anton Graff-Bildnissen, daneben auch eine Zahl

älterer Meister und aucli erste Namen vom Anfang des 19. Jahrh.,
wie C. D. Friedrich und Carus ausstellt; in nächster Zcit konnnt
das Frankfurter Haus .1. Rosenbaum nacli Berlin, das Kölner
Haus Dr. B u r g und dann wird man auch B a c h s t i t z aus dem
Haag begegnen. Und dieses Kunst-Viertel dehnt sich noch in die
Potsdamer Straße aus, wo in der nächsten Nälie der Brücke
Lepkes Auktions-Haus steht.

Von hier aus gelangt man einerseits zum Schöneberger Ufer,
wo in erster Linie moderne Kunsthandlungen sind (A. B 1 u m c n -
reich, Möller, Hartberg, Fiechthei m), andererseits
zur Lützowstraße (Henrici, Stargardt, Galerie I n t e r -
n a t i o n a 1 e u. a.) und zum Lützowplatz, wo sich auch eine Rcihe
von Galerien altcr und neuer Kunst befinden (B r u n g s,
P i c t u r a u. a.)

Diese Dichtheit einer fast schon unübersehbaren Menge von
Geschäften aiter und neuer Kunst erleichtert dem Kunstfreund,
dem inländischen wie dem ausländischen, die Orientierung. Es
herrscht lrier ein Kunstbetrieb, der amerikanisch anmutet. Dabei
sind — und das ist erfreulich — die Ausstellungen zum größten
'ieil gut besucht und — es wird auch gekauft. Aber in erster Linie
sucht man Qualitäten. Und manche Ausstellungen hatten im Laufe
cines Monats viele Tausende von Besuchern. Es gehört ja sclion
Unternehmungsgeist dazu, so umfangreiche Ausstellungen zu ver-
anstalten, wie sie Hinrichsen-Lindpaintner mit den Wienhausen-
i eppichen hat, oder die Galerie Matthiesen mit ihrer ganz hervor-
ragenden Manet-Schau, aus der vor einigen Tagen Manets
„Stierkanrpf“ in deutschen Privatbesitz gelangte, oder die große
M o n e t - Ausstellung bei Thannhauser. Und diesen Ausstellungen
ging die große Ausstellung von Zeichnungen v a n G o g h s bei
Otto Wacker und die der Bilder des Meisters bei Paul Cassirer
voraus. Alle diese Ausstellungen wiesen ungemein starken
Besuch auf.

Doch auch im sogenannten neuen Westen am Kurfürsten-
damm gibt es Kunst von Rang. Die Galerie C a s p e r verdient
den Dank der Kunstfreunde, daß sie uns jetzt 100 Zeichnungen von
M e n z e 1 zeigt, die bishcr der Oeffentßchkeit zum großen Teil
nicht bekannt waren, weil sie aus manchen Privatsammlungen
stammen (Julius Freund, Sommerguth, L. Ginsberg). Und zählt
man zu allen diesen Veranstaltungen noch die wechselnden Aus-
stellungen hinzu, die von den Berliner M u s e e n inszeniert wer-
den, und die vielen Kunst-Auktionen, die Berlin hat — und
sie sind fast durchweg ausgezeichnet besucht — dann muß man zu
dem Sehluß kommen, daß heute Berlin soviel des Interessanten aus
allen Gebieten der Kunst bietet, daß sich wohl nur wenige Groß-
städte mit dem Kunstleben der Reichshauptstadt messen können.

Londonet; Kuntffcbam

Aus London berichtet unser Kunstreferent: Am 17. Mai
bcginnt bei C h r i s t i e s die Versteigerung des zweiten und wert-
vollsten Teils der Holford-Sammlung, der liauptsächlich h o 11 ä n -
d i s c h e und flämische Meister umschließt, obwohl auch fiinf
M u r i 11 o s sich in der Kollektion befinden. Irn Vorjahre wurden
dic italiener verkauft und bereits damals hieß es, daß von Amerika
aus Verhandlungen angeknüpft worden seien, um einen Pauschal-
kauf des Restes nach den Vereinigten Staaten in die Wege zu
leiten. Jetzt darf man noch lioffen, daß das eine oder andere
Stiick im Lande verbieiben wird. Jedenfalls wird man alle mög-
lichen Anstrengungen nach dieser Richtung machen, besonders um
zu verhindern, daß der v a n D y c k, das Bildnis des Abbe
Scaglia, abwandert. Dieses Meistcrwerk wurde s. Zt. von Sir
Ihomas Baring erstanden, der es im Jahre 1843 an den Begrün-
der der Holford-Sammlung, Robert Holford, weiter verkaufte.
Seitdem es mit der Mittelpunkt der flämischen Kunstausstellung des
Vorjahres war, ist das Bild sorgfältig gereinigt worden. Vier

Rembrandts kommen ebenfalls unter den Hammer: der
Student mit der Torah, der jüdischen Gebetsrolle, der junge Mann
mit dem Grübchen im Kinn, den man einst für des Meisters Solm
l itus ansprach, sich aber als älter als dieser herausstellte, das
Porträt des Martin Looten und das Bildnis einer Dame rnit
Taschentuch, früher unter dcm Titel „Gattin des Justus Lipsius
oder des Justus Sylvius“ bekannt. Diese beiden letzteren Bildcr
kamen von der Sammlung des Kardinal Fesch nach England.
C u y p s berühmtes Bild der Maas, Adriaen v a n Q s t a d e s
„Menage Hollandais“, Mabuses Porträt des David von Burgund,
elf Bildnisse von Sustermans, sieben Teniers d. J., ein Ruisdael,
Rubens Skizze für das große Triptychon in der Antwerpener
Kathedrale, die Kreuzerrichtung, Velasquez’ Philipp IV. von Spa-
nien, seit vierzig Jahren niclit ausgestellt, mehrere Wouvermans,
van de Veldes usw. bilden eine Kollektion, die aus allen Teilen dcr
Welt die Kunstwelt nach London locken wird.

Vorher, wie bereits berichtet, hält S o t h e b y vom 26. bis

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