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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Maiheft
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Junius, Wilhelm: Ein neuentdecktes Relief des Meisters H. W. von Chemnitz
DOI article:
Rosenbacher, Paul: Einiges über die Museen in Konstantinopel
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0398

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steht, so daß die an das Andreaskreuz erinnernde Bein-
stellung cin elastisch auffederndes Schweben etwa in
der Art einer Scherenspreiz-Bewegung von unten nach
oben zum Ausdruck bringt.3)

Auch diese Abwandlung (oder richtiger: gotische
Rückfallerscheinung) scheint mir für den Meister H. W.
zu sprechen, der bewußt, vielleicht mit Benutzung des
Kupferstiches des Meisters E. S. (Lehrs 169), das Vor-
bild des Miinnerstadter Altares umgestaltet. Inwieweit
man allerdings an eine Relation: der Mcister H. W. ist
ein (vielleicht aus dem Mansfeldischen stammender?)
Schiiler Tilmann Ricmenschneiders denken darf, ist bei

3) Vergl. aueh das Hochrelief (Stein u. Stuck) eines mittel-

deutschen Meisters „Magdalena von Engeln erhoben“ in der Thorner
Johanniskirche. (phot. Dr. Franz Stoedtner.)

der ausschließlich stilkritisch zu erwedsenden Beziehung
einstweilen nocli hypothetisch.4)

Selten hat das Fehlen einwandfrei zu deutenden
urkundlichen Materiales so den relativen Wert der stil-
kritischen Meisterbestimmung vor Augen geführt, wie
angesichts dieses Monogrammisten, und ein glücklicher
archivalischer Fund w'ürde mit einem Schlage den
Schleier lüften, der noch über der romantischen Persön-
lichkeit des Meisters H. W. liegt.

4) Den Zwickauer Zeitgenossen des Meisters H. W. betr. befin-
det sich im „Liber ad causas“ (Ratsbuch Nr. 4) des Stadtarchivs
Würzburg auf Seite 278 unter der Liste derjenigen Handwerker, die
dem Rat ihre Pflicht abgelegt haben, der Eintrag: Dominica post
Assumptionis Mariae Virginis Anno 1492 „Peter Brewer von
Zwicka, Annthonius maler von Gotha, malergesellenn, promiserunt
Eodem die et anno“.

QiniQCs übec dte Jvtufeen tn Konßanttnopel

oort

Paul Rofenbacbeü — jiambut?g

\X/em heute eiu gütiges Geschick einen Besucli
’ * Konstantinopels gewährt, ist vielleicht enttäuscht
in dem Straßenbild den bunten Orient nicht wieder-
zuerkennen. Nicht mehr gehen dic Männer fezbedeckt
und nicht mehr läßt der Anblick verschleierter Frauen
der Phantasie weitesten Spielraum. Auch die
Sensationslust flüchtiger Besucher wird nicht mehr
durch hculende und tanzende Derwische befriedigt.

Daß auch die wildernden Hun'de, die wandelnde
Plage der alten Sultanstadt verschwunden sind, gibt für
die verlorenen Freuden kaum Hrsatz.

Das Straßenbild gleicht fast ganz dem großer
Städte West-Europas, höchstens daß einzelne Vertreter
des Orients aus der vorüberrauschenden Menge sich
farbenprächtig abheben, oder daß man durch eine um
die Ecke biegende Kamelkarawane, an deren Spitze ein
Esel marschiert, freudig überrascht wird.

Aber die Naturwunder sind die alten geblieben, und
dic alten Bauten sind geblieben und entzücken wie einst
in der Türkei glücklicheren Zeiten. Und wie früher
halten die beweglichen Kunstdenkmäler dreier Kulturen
der Antike, des Kaiserlichen Ostroms und des Islams
den Sinn des Beschauers gefangen.

Gerade in ihnen und in ihrer Schaustellung erkennt
man den Willen eines Volkcs, trotz wirtschaftlicher Not
vorwärts zu kommen auf kulturellem Gebiet.

Dic Männer, die berufen sind, das Kunsterbe zu
erhalten und ihr Volk zum Verstchcn und zum Genusse
der alten Kunst zu erziehen, haben ihre hohe Pflicht

Anm.: Ich bin Herrn Generaldirektor Halil Bey für Ein-
sendung der Vorlagen und Erlaubnis der Abbildung zu großem Dank
verpflichtet.

klar erkannt. An dcr Spitze steht der würdige Bruder,
einstiger ! lelfer und jetziger Amtsnachfolger des großen
Hamdi Bey, der Generaldirektor der Museen Konstan-
tinopels. Jugendfrisch, nicht der Jahre, die er erlebt,
achtend, arbeitet der kluge pflichttreue H a 1 i 1 Bey
für sein Volk. Westlichen, nicht zum wenigsten deut-
schen Einfluß hat er bereitwillig in sicli aufgenommen.

Die alten Sammlungen sind in museumstechnisch
vollkommener Weise dem Volke gezeigt, und was im
Dunkel der kaiserlichen Paläste dem Blicke entzogen
war, wird jetzt ans Licht gebracht, geordnet, und alles
soll in großartiger Publikation der Wissenschaft zugän-
gig gemaclit werden.

Die Vorderasiatischen Altertümer sind, um eine
lockere Aufstellung der Griechisch-Römischen Antike
zu ermöglichen, aus dem großen Museum in die nahe
gelegene frühere Kunstschule gewandert, haben dort
eine treffliche Aufstellung erfahren und siud durch einen
kleinen, im vorigen Jahr erschienenen Führer dem Ver-
ständnis dcs Beschauers nähergebracht, herrliche
Denkmäler hettitischer, sumerischer und babylonischer
Plastik.

Nicht durch seine Größe aber durch seinc Eindring-
lichkeit fällt ein steinernes Gewicht in Form einer
strengstens stilisierten Ente, die ihren Schnabel sich
zurückbiegend auf ihreti Rücken legt, auf. Der Sinn
des deutschen Bcsuchcrs schweift nach der Heimat
und, wer auch der ncuesten dcutschen Plastik in ihrem
strengen Kunstwollen nicht überall folgen kann, wird
vor diesem kleinen Kunstwerk nachdenklich gestimmt.

In dem großert Antiken-Museum kotnmen die
Sarkophage, bei deren Auferstehung Hamdi Bey sein
Leben einsetzte, wundervoll zur Geltung. Aus der

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