Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Oktoberheft
DOI article:
Weber, S.: Ein Gemälde des Piemonteser Malers Grammorseo in Schwedischem Privatbesitz
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0067

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Sin Qemälde des Ptemontefeü jvtatet?s Qcammorfeo

in Sebmeditebem Pmoatbeßb

oon

S. lÜebet?

Jen Maler Pietro Grammorseo erwähnt Lanzi kurz
in seiner bekannten „Storia pittorica della Italia“1),
wo er ü’ber ihn schreibt, daß er ein Bild für dic Ordens-
briider der „Conventuali“ in Casale 1523 gemalt habe.

Die nebenstehende Abbildung gibt das im Privat-
besitz von Herrn Ivan Traugo.tt in Stockholm
befind.iche Gemälde wieder, eine Anbctung der Könige,
das am Stein, auf dem Maria sitzt (rechts unten), wie
folgt bezeichnet ist: PETRVS GRAMORSEVS. F.
MDXXIII.

Leider gibt Lanzi niclit an, was auf jenem Gemälde
in Casale-Monferrato, das heute dort nicht mehr vor-
handen ist, dargestellt war, sondern nur die Jahres-
zahl; diese aber macht es wahrscheinlich, daß wir in
dieser bezeichneten Anbetung der Könige in Stockholm
das von Lanzi erwähnte Bild vor uns haben.

Sonst ist nicht viel über das Wcrk bekannt und
reicht nicht weit zurück. Vor dem Weltkricge soll es
im Besitz eines in Berlin ansässigen italienischen Ade-
ligen gewesen sein, der beim Eintritt Italiens in den
Krieg Berlin verließ, dabei seine Sammlung zurück-
lassend, die dann von Gerichtswegen versteigert wurde.
Auf jener Versteigerung erwarb der jetzige Besitzer
dieses Bild.

Ueber den Maler Pietro Grammorseo ist, außer der
erwähnten Notiz von Lanzi, noch bekannt, daß er 1523
bis 1533 in Casale Monferrato tätig war, wo er wahr-
scheinlich seinen Wohnsitz hatte. Er war vermählt
mit der Tochter des Malers Francesco Spanzotti, eines

'L'T ;

Bruders des ersten Lehrers von Sodoma, Gian M^stfno,
Spanzotti.2) Außer dem hicr veröffentlichten Werke'
gibt es ein bezeichnetes Gemälde von ihm im
Erzbischöflichen P a 1 a s t z u V e r c e 11 i
aus dern Jahre 1524, das Maria tmtl das Christus-
kind shigend darstellt, zwischen den Heiligen
Franziskus und Ludwig von Toulouse. Die In-
schrift lautet: PETRVS GRAMORSEO PINGEBAT
MDXXIIII. Dies Bild ist ganz im Stile der Hoch-
renaissance gehalten mit breit ausladender Gewandung
von Maria und individuell ausgeprägten Gesichtern der
Heiligen. Es unterscheidet sich darin nicht unwesent-
lich von der hier gezeigten „Anbetung der Könige“.

Ein drittes, ebenfalls mit Künstler-Inschrift und
Jahreszahl versehenes Gemälde des Grammorseo von
1525, wurde vor etwa 15 Jahren von der Turiner
Pinakothek erworben. Es stellt Maria mit Kind
vom hl. Petrus Martyr angebetet dar. Für jene Zeit

b Bd. IV, S. 391. . j

2) Corrado Ricci, L’etate nell’ Italia Settentrionale (in Serie:

Ars Una) Seite 250.

und im Verglcich mit den beiden übrigen Wcrken von
Grammorseo mutet es noch merkwürdig altertümlich
an. Die Landschaft mit zackigen, abenteuerlich geform-
ten Felsbergen erinnert an Leonardo da Vinci. Die Ge-
sichtszüge und die Hände der unter einer Laube sitzen-
den Maria sind wenig ausdrucksvoll gezeichnet; auch
das Kind ist in der Zeichnung niclit gut, doch erinnert
es in der ganzen Auffassung am meisten an des Kiinst-
lers Gemälde in Vercelli. Einzig der Heilige ist von
großer Inbrunst und tiefer Empfindung und porträthaft
in seinen kräftigen und ausgebildcten Zügen. Auch die-
ses Bild ist wieder vollkommen verschieden von den
beiden anderen inschriftlich beglaubigten Werken des
Künstlers. Es ist folgendermaßen bezeichnet: 1525.
PETRVS GRANVS FACIEBAT.3)

Nacli der Verschiedenheit seiner Werke zu urteilen,
scheint der Maler demnach sehr mannigfaltigen Ein-
flüssen zugänglich gewesen zu sein. Neben Meistern
der vollen Hochrenaissance, wie Leonardo da Vitici,
wirkten offenbar Eindrücke aus dem 15. Jahrhundert
rtoch in ihm nach. Das nebenstehende Gemälde aus der
Sammlung Traugott, mit dem wir uns hier haupt-
sächlich zu beschäftigen haben, scheint wesentlich unter
dem Eindruck von Werken des Gaudenzio Ferrari ent-
standen zu sein, der zwar seine großen Malereien im
nahen Vercelli damals noch nicht geschaffen hatte, aber
doclt schon die Altarwand in Sa. Maria delle Grazie
zu Varallo vollendet, mit der großen figurenreichen,
durch Roß und Reiter belebten Kreuzigung, sowie auclt
das ebenfalls figurenreichö Altarbild zu Canobbio arn
Lago Maggiore. Vielleicht mag Grammorseo auch die
damals im Entstehen begriffene Kreuzigungskapelle auf
dem Sacro Moute zu Varallo tnit dcn machtvollen Dar-
stellungen Gaudenzios, wenn auch noch unvollendet,
gesehen, und davon Eindrücke empfangen haben, die er
dann hier verwertet hat. Unwillkürlich aber wird der
Beschauer auch an die Darstellungen der Königszüge
der toskanischen und umbrischen Maler des 15. Jahr-
hunderts erinnert, an die „Anbetung der Könige“ von
Gentile da Fabriano, oder an den prunkvollen Zug der
Könige von Benozzo Gozzoli im Palazzo Riccardi zu
Florenz. Ob Grammorseo diese aber gesehen hat und
ob er in Mittelitalien oder gar in Rom war, scheint mir
sehr zweifelhaft. Zwar könnte man wegen einiger anti-
ker Reminiscenzen int Hintergrund, Obelisken, Ruinen
und römischen Bauwerken (Colosseum?) darauf
schließen, daß der Meister die ewige Stadt gesehett

3) Wie der Strich iiber den Buchstaben N und U andeutet,
liegt hier eine Abkürzung vor, die wohl morse zu ergänzen wäre,
also Granmorseus.

59
 
Annotationen