Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0068
DOI issue:
1./2. Oktoberheft
DOI article:Weber, S.: Ein Gemälde des Piemonteser Malers Grammorseo in Schwedischem Privatbesitz
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0068
habe, aber sie sind so unvermittelt und unorganisch in
die Landschaft hineingesetzt, auch so gehäuft (mehrere
Obelisken nebeneinander), daß meines Erachtens nicht
selbst Geschautes verwertet wurde, sondern die anti-
ken Denkmäler wurden von Grammorseo wohl nur der
damaligen Mode entsprechend verwertet, den Vorbil-
dern anderer Maler folgend, wie beispielsweise solchen
von Marrino d’Alba, der ja in der Nähe von Casale fiir
den Wallfahrtsort Crea 1503 ein Altarbild geschaffen, in
dessen Hintergrund man antike Baulichkeiten sieht.4)
Die Figuren iin Vordergrunde zeigen schr individuelle,
voil und sehr fein ausgemalt; Maria blickt hier nicht so
schwermütig drein wie auf dem Gemälde in Vercelli,
aber ihr liebliches, freundliches Antlitz ist doch besser
ausgeführt wie auf dem Turiner Bilde. Desgleichen
verrät das Kind gutes Naturstudium und bessere Zeich-
nung als auf den beiden anderen Werken. Hier offen-
bart alles das Streben nacli Lieblichkeit und Schönheit,
auch ist die Komposition gut abgewogen und wohl ge-
lungen, während auf den anderen Darste'llungen der
seelische Ausdruck mehr zu seinem Rechte kommt.
(Auf dem Turiner Bilde beim knieenden Heiligen.) Das
porträthafte, teilweise sehr ausdrucksvolle Zügc, die
wohl teilweise nach dem Leben gemait sind. In dcr
Gestalt des eirren Hirten, der zwischen Ochs und Esel
aus dem Stall hervorschaut, will man sogar das Selbst-
bildnis des Künstiers erkennen. Mag Analogien auf
Werken anderer Künstler jener Zeit zufolge diese Mei-
nung auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sicii
haben, so fehlt es doch mangels eines anderen Bildnisses
des Meisters an einem Beweis dafür. Einige Zuschauer
an der recliten Seite sind ebenfalls proträthaft wieder-
gegeben, alle übrigen Gesichter auch äußerst lebens-
V Abb. S. Weber, Die Begründer der Piemonteser Maler-
schule, Tafel VI.
liügelige Bergland im Hintcrgrunde unseres Bildes und
das Flußtal (offenbar das des Po) erinnert sehr an die
Gegend bei Casale-Monferrato und ist wohl der Natur
abgelauscht. Das Bauwerk auf dem einen Berge ganz
links mag dic Kirche der Wallfahrtsstätte von Crea
scin. Dies dürfte ein Beweis dafür sein, daß das Ge-
mälde in und für Casale gemalt wurde und die Wahr-
scheinlichkeit erhöhen, daß wir hier wirklich das von
Lanzi erwähnte vor uns haben, wenn auch die Baulich-
keiten im Mittelgrund, wie gesagt, nicht gerade denen
von Casale-Monferrato entsprechen.
Das Koiorit zeichnet sich, wir mir votn Besitzer
freundlichst mitgeteilt wurde, durch reiche, leuclitende
Farben aus. Violett, blau und rot dominieren. In der
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die Landschaft hineingesetzt, auch so gehäuft (mehrere
Obelisken nebeneinander), daß meines Erachtens nicht
selbst Geschautes verwertet wurde, sondern die anti-
ken Denkmäler wurden von Grammorseo wohl nur der
damaligen Mode entsprechend verwertet, den Vorbil-
dern anderer Maler folgend, wie beispielsweise solchen
von Marrino d’Alba, der ja in der Nähe von Casale fiir
den Wallfahrtsort Crea 1503 ein Altarbild geschaffen, in
dessen Hintergrund man antike Baulichkeiten sieht.4)
Die Figuren iin Vordergrunde zeigen schr individuelle,
voil und sehr fein ausgemalt; Maria blickt hier nicht so
schwermütig drein wie auf dem Gemälde in Vercelli,
aber ihr liebliches, freundliches Antlitz ist doch besser
ausgeführt wie auf dem Turiner Bilde. Desgleichen
verrät das Kind gutes Naturstudium und bessere Zeich-
nung als auf den beiden anderen Werken. Hier offen-
bart alles das Streben nacli Lieblichkeit und Schönheit,
auch ist die Komposition gut abgewogen und wohl ge-
lungen, während auf den anderen Darste'llungen der
seelische Ausdruck mehr zu seinem Rechte kommt.
(Auf dem Turiner Bilde beim knieenden Heiligen.) Das
porträthafte, teilweise sehr ausdrucksvolle Zügc, die
wohl teilweise nach dem Leben gemait sind. In dcr
Gestalt des eirren Hirten, der zwischen Ochs und Esel
aus dem Stall hervorschaut, will man sogar das Selbst-
bildnis des Künstiers erkennen. Mag Analogien auf
Werken anderer Künstler jener Zeit zufolge diese Mei-
nung auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sicii
haben, so fehlt es doch mangels eines anderen Bildnisses
des Meisters an einem Beweis dafür. Einige Zuschauer
an der recliten Seite sind ebenfalls proträthaft wieder-
gegeben, alle übrigen Gesichter auch äußerst lebens-
V Abb. S. Weber, Die Begründer der Piemonteser Maler-
schule, Tafel VI.
liügelige Bergland im Hintcrgrunde unseres Bildes und
das Flußtal (offenbar das des Po) erinnert sehr an die
Gegend bei Casale-Monferrato und ist wohl der Natur
abgelauscht. Das Bauwerk auf dem einen Berge ganz
links mag dic Kirche der Wallfahrtsstätte von Crea
scin. Dies dürfte ein Beweis dafür sein, daß das Ge-
mälde in und für Casale gemalt wurde und die Wahr-
scheinlichkeit erhöhen, daß wir hier wirklich das von
Lanzi erwähnte vor uns haben, wenn auch die Baulich-
keiten im Mittelgrund, wie gesagt, nicht gerade denen
von Casale-Monferrato entsprechen.
Das Koiorit zeichnet sich, wir mir votn Besitzer
freundlichst mitgeteilt wurde, durch reiche, leuclitende
Farben aus. Violett, blau und rot dominieren. In der
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