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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Oktoberheft
DOI article:
Kaufmann, Carl Maria: Ein bilderreiches Dokument vom Sinai
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0057

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oon

C. N* KaufmannsfmnkfutJfc a. JYL

Professor Dr. C. M. Kaufmann übergab dem
„Kunstwanderer“ den nachstehenden Aufsatz über ein
unikes Dokument vom Sinai zur ersten Publikation.

Die Redaktion.

jas hier abgebildete, 51 mal 62 cm große papyrus-
farbene Bildwerk stellt, soweit sich das Material
übersehen läßt und gemäß dem Urteil eines so hervor-
vorragenden Sinaikenners wie Prof. Wladimir Bene-
sevic von der Leningrader Akademie es ist, ein Unikum
dar. Die Urkunde — im weiteren Sinne des Wortes —
ist auf feinstes Leinen aufgedruckt, mit Texten in drei
Sprachen versehen und über und über mit Bildern be-
sät. Sie stammt aus deutschem Privatbesitz, wo sie,
offenbar für einc Art mittelbarer Reliquie genommen,
in einer Bursa des 17. Jahrhunderts aufbewahrt wor-
den war. Ich 'hatte gelegentlich tneiner jiingsten Ita-
lienreise den Auftrag, sie in den Vatikan zu bringen.
Papst Pius XI. brachte dem historisch wertvoilen Stiick
das besondere Interesse des Fachmannes entgegen; er
überwies es inzwischen den vatikanischen Samm-
lungen.

Beim ersten Studium des bilderreichen Dokumen-
tes war es mir klar, daß hier eine E u 1 o g i e voriiege,
ein Pilgerandenken, und zwar ein solchcs von
besonders feierlicher Form. Man möchte es eine Pilger-
bulle nennen. Und mit Msgr. E. Tisserant, dem bekann-
ten Orientalisten der Vatikana darf man weiterhin an-
nehmen, es handle sich zugleich um ein sog. A n t i -
m i s i o n , ein liturgisches Gebrauchsstück der grie-
chischen Kirche. Allerdings läge dann ein Antimision

von ganz ungewöhnlicher Ausstattung vor, denn diese,
dem Altarstein (Reliquiengrab) der römischen Kirchc
entsprechenden Tücher zeigen durchweg Passionsbil-
der, meist nur eine Darstellung der Grablegung oder
der Leidenswerkzeuge. Man pflegte an ihrer Rückseite
Reliquien anzunähen, womit sie für die eucharistische
Feier bereit waren. Handelt es sich tatsächlich um ein
Antimision, so wahrscheinlich um ein für einen geist-
lichen Würdenträger bestimmtes Exemplar.

Das Szenarium zeigt die w u c h t i g e S i n a i -
landschaft, Aegypten, die Wüste, das
Meer und eine lange Reihe von bibli-
s c h e n , hagiologischen u n d profanen
Darstellungen, Städtebildern, usw.

Die drei steileu Gipfel des heiligen Berges, der Ser-
bal, der Djebel Musa und der Djebel Kater'in beherr-
schen das Ganze. Auf dem Serbal ragt das Kreuz, im
Felsmassiv des Berges der Gesetzgebung — die
Urchristen hatten den Serbal dafür gehalten — die auch
hier dargestellt ist, sieht man die berühmte, der Kaise-
rin Helena zugeschriebene Pilgertrepp e1), deren
3000 Stufen zu Zeiten des englischen Orientalisten
Pococke (um 1650) noch annähernd vorhanden waren.
Zwischen Djebel Musa und Djebel Katerin, auf dessen
Kuppe dcr nach der Lcgende dorthin übertragene Leib
der heil. Katharina von Alexandrien ruht, ragt ein

0 Man beachte den „justinianischen“ Kreuzstab in den Händen
einzelner, die Treppe erklimmender Pilgergestalten.

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