Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0072
DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:Riess, Margot: Die Wohnung: zur Stuttgarter Ausstellung
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0072
werk ganz aus dem Raume verbannt wissen will. Der
Raum als solcher in seiner „synoptischen Wirkung“
kann zum mindestens im theoretischen Idealfalle einen
großen 'I'eil der ästhetischen Lustgeftihle vermitteln, die
das Einzelbild, die einzelne Plastik sonst in uns erzeugt:
gefühl ganz allein will die Bülme beherrschen. Und als
weitere Möglichkeit, den immer noch berechtigten An-
sprüchen an Schönheit des Wohnens trotz aller konse-
quenten Schmuckfeindlichkeit nachzukommen, fand
man die von den Kiinstlern früherer Zeiten so leiden-
Haus Ludwig
Hilberseimer
Berlin
Werkbund-
AusstellutiK
Dic Wohnumt
Stutt.nart 1927
Spannung und Lösung, alle jene tief in den sog. Organ-
gefühlen wurzelnden Komplexe, die als Ergebnis den
ästhetischen Genuß auslösen. Der so'ange von Rie-
senmöbeln, Nippes und Kramansammlungen versklavt
schaftlich gesuchte und immer wieder neucntdeckte
„schöne Proportion“, die zudem — wie Le Corbusier
in seinem Manifest bemerkt — auch niciits kostet. Un-
gemein erziehlich für den Schaffenden wie für den Be-
Von links
nach rechts:
Haus Prof.
A. G. Schneck
Stuttgart
Einfamilien-
wohnhaus
von
Le Corbusier
mit
Pierre Jeanneret
Doppel-
wolmhaus
von
Le Corbusier
mit
Plerre Jeanneret
Foto
Dr. Lossen
Stuttgart-
Feuerbach
Die Abbildung
ist dem Werk
„Bau und Woh-
nung 1927“,
das derDeutsche
Werkbuud
demnächst
herausgibt,
entnommen
gewesene Mensch zieht als letzte Konsequenz seiner
neugewonnenen Herrschernatur im Wohnraume die:
auch eine Statue oder ein Bild soll nicht mehr „Haupt-
person“ im Zimmer sein, sondern er sclbst mit seinem
an Licht, Luft, Raum, Sonne herrlich erstarkten Lebens-
trachter ist diese neue Bauweise tatsächlich aucli im
ästhetisclien Sinne, denn sie ftilirt ebenso wie zur allcr-
äußersten Ausnutzung jedes Raumwinkels auch zu
einem neuen geweckteren Verständnis für die Form,
indem sie gerade durch die weitestgetriebene Askese
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Raum als solcher in seiner „synoptischen Wirkung“
kann zum mindestens im theoretischen Idealfalle einen
großen 'I'eil der ästhetischen Lustgeftihle vermitteln, die
das Einzelbild, die einzelne Plastik sonst in uns erzeugt:
gefühl ganz allein will die Bülme beherrschen. Und als
weitere Möglichkeit, den immer noch berechtigten An-
sprüchen an Schönheit des Wohnens trotz aller konse-
quenten Schmuckfeindlichkeit nachzukommen, fand
man die von den Kiinstlern früherer Zeiten so leiden-
Haus Ludwig
Hilberseimer
Berlin
Werkbund-
AusstellutiK
Dic Wohnumt
Stutt.nart 1927
Spannung und Lösung, alle jene tief in den sog. Organ-
gefühlen wurzelnden Komplexe, die als Ergebnis den
ästhetischen Genuß auslösen. Der so'ange von Rie-
senmöbeln, Nippes und Kramansammlungen versklavt
schaftlich gesuchte und immer wieder neucntdeckte
„schöne Proportion“, die zudem — wie Le Corbusier
in seinem Manifest bemerkt — auch niciits kostet. Un-
gemein erziehlich für den Schaffenden wie für den Be-
Von links
nach rechts:
Haus Prof.
A. G. Schneck
Stuttgart
Einfamilien-
wohnhaus
von
Le Corbusier
mit
Pierre Jeanneret
Doppel-
wolmhaus
von
Le Corbusier
mit
Plerre Jeanneret
Foto
Dr. Lossen
Stuttgart-
Feuerbach
Die Abbildung
ist dem Werk
„Bau und Woh-
nung 1927“,
das derDeutsche
Werkbuud
demnächst
herausgibt,
entnommen
gewesene Mensch zieht als letzte Konsequenz seiner
neugewonnenen Herrschernatur im Wohnraume die:
auch eine Statue oder ein Bild soll nicht mehr „Haupt-
person“ im Zimmer sein, sondern er sclbst mit seinem
an Licht, Luft, Raum, Sonne herrlich erstarkten Lebens-
trachter ist diese neue Bauweise tatsächlich aucli im
ästhetisclien Sinne, denn sie ftilirt ebenso wie zur allcr-
äußersten Ausnutzung jedes Raumwinkels auch zu
einem neuen geweckteren Verständnis für die Form,
indem sie gerade durch die weitestgetriebene Askese
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