Gallien den Vortritt in dieser Gesandtenkonferenz der
Malländer einräumen. Aber wohin gehört van Gogh?
Folgendes sind die zahlrcich vertretetenen Fran-
zosen: Pierre Bonnard, Eugene Boudin, Paul Cezanne,
Camille Corot, Gustave Courbet, Flonore Dautnier,
Eugene Delacroix, Andre Derain, Diaz, van Dongen,
Paul Gauguin, Marie Laurencin, Edouard Manet, Henri
Matisse, Claude Monet, Adolphe Monticelli, Pablo
Picasso, Camille Pissaro, Jean Puy, Odilon Redon,
Auguste Renoir, Alfred Sisley, Henri de Toulouse-
Lautrec, Felix Vallotton, Edouard Vuillard. Mie sieht:
Groß und Klein bunt durcheinander; durcheinander
Witze für den Augenblick und Wohltaten für Jahrhun-
derte. Denn auch in der Schweiz, wie im deutschen
Reich, gedeiht eine Vorurteilslosigkeit der Pariser Kunst
gegenüber, die, von Einigen klug geiibt, andere blendet
und sie über das Nahe, das ihnen der Rasse nach An-
stehende, wegsehen läßt; die sie Dinge verehren läßt,
die der reife Franzose als eintäglich empfindet. Die
Hälfte dieser Bilder haben an der Limmat kaum
Daseinsrecht. Sie verdrängen besserem Französischen
oder Heimischem oder anderem den Platz. Um so
besser freilich sind die iibrig bleiben und aus deren Zahl
ich nennen muß: Corot, Courbet, Monet, Redon und, im
zweiten Aufgebot, Boudin, Cezanne, Daumier, Gauguin,
Manet, Matisse, Vuillard. Alles andere ist Nachhut,
ineinetwegen die eines Ritterheers, womit nattirlich nur
der malerische Wert des Ausgestellten, nicht der unbe-
dingte Rang dcr Kiinstler festgelegt sein soll. Obenan
steht der Blumenstrauß von Courbet, „alte Sachlichkeit“
sozusagen, in seinem Wallen und seiner Ruhe, seiner
Einheit des Mannigfachen und seiner unvergleichlich
fühlsamen und meisterlich-ungesuchten Malerei. Wun-
dervoll die Symphonie aus Meergrau, Steingelb und
Verwitterungsbraun in dcr klar geformten, einsamen
normannischen Stadt, von Corot; tief schön das Gebet
in Blau, der Nymphenteich von Monet; bestrickend die
mohnroten Träumereien in eine gold- und veilchen-
farbene Welt hinein, von Redon. (Nicht Grundwerke
der Kunst, diese Redon, abcr Zaubcr und Erlösung von
der Nur- und Abmalcrei.) Cezanne läßt kühl, Renoir
kalt, erquicklich ist Gauguin, äußerst ungleich wie über-
all Matisse. Früher oder später, vermutlich bald, wird
ein scharfer Wind in den schcinbaren Urwald wehen
und das Morsche strecken . . .
Der dritte Teil gehört der Schweiz. Ich war ge-
spannt, wie es mit ilirem Los bestcllt sei. Zwar, daß
Hodler in Zürich für Vieles und Viele aufkommt, das
wußte ich, und die Ausstellung bewcist, daß man in die-
ser Stadt fest ist. Aber die andern, die Anker, Amiet,
Böcklin, Boss, Buchser, Buri, Gattiker, Augusto und
Giovanni Giacometti, Gimmi, Hermanjat, Huber, Hügin,
Ihly, Koller, Kreidolf, Kündig, Lutby, Marxer, de Meu-
ron, Blanchet, Menn, Mcyer, Morgenthaler, Rüegg,
Stäbli, Soldenhoff, Steffan, Stiickelberg, Sturzenegger,
Tscharner, Vautier, Welti, Widmann, Zünd? Wor wür-
den sie bleiben in einer der Moderne so offnen Stadt und
Hochburg des Weltsinns? Meine Ißesorgnis war über-
flüssig: sie sind alle da und trösten mich über die Abwe-
senheit Andrer von meinen Verehrten und Lieblingen.
Wahre Zentren der Kunstkraft sind unter diesen Wer-
ken: das hinreißende Bildnis eines Bauernmädchens von
Anker, feinste Malkultur aus der Schule Gleyres mit
dem ursprünglichsten Sinn für spontane Menschlichkeit
verbindend; das formenpralle und farbensatte Badebild
von Buchser, echtestes drittes Empire von einem ner-
vigen Schweizer geprägt; die drei lebendigen Böcklin;
das feine Waldstück von Ihly, dem Genfer Landschafter
und alten Freund Hodlers; die kostbaren Tierstücke
Kollers, der einst den Aesthetiker Vischer von seinen
Wälzerparagraphen ab- und dazu brachte, gegenwär-
tige, ans Herz greifende, freudige Kunst in einer heute
noch überraschend frischen Studie zu preisen, die sich
grundanders liest als die akademischen Gesetze vom
Schönen. Aber ich halte an mich und nenne nur noch
ein in engem Rahmen machtvolles frühes Bildnis, das
Albert Welti von seinem Großvater gemalt hat. Die
Neuen halten den Alten die Wage, und beiden die Mitt-
leren, die Amiet, Giacometti, Boss, Rüegg. Von den
Neueren fesselten Hermann Huber tnit einem bedeuten-
den Bildnis seiner Frau, und Kündig mit einem
„Dorfinnern“.
Die schweizerische Mannigfaltigkeit hält im Tod
wie im Leben Ferdinand Hodlcr zusammen, der ähn-
liche Einzelthemata anschlägt wie scine Stammesgenos-
sen und der auf dem Grunde dieser Gemeinsamkeit eine
ihnen allen ähnelnde neue Welt aufbaut. Hodler ist mit
Anker, Buri, Amiet, Menn, Koller, Zünd, Huber, Mor-
genthaler nah verwandt in seinen Gestalten, seinen
Landschaften, aber er ist der Messias, der ihr Uner-
löstes befreit, über sie und sich hinaushebt. Das war
von jenem Deutschen, dcr vor bald zwanzig Jahren
sein Werbebuch „Hodler und die Schweizer“ betitelte,
ein kluger Gedanke; er sollte im Interesse des besseren
Zusammenhangs von Hodlers Wandweltmalerei mit
seinen und seiner Landsleute Staffeleibildern auf größe-
rer und zuverlässigerer Grundlage wieder aufgenom-
men werden. Man hat den Meister bislang zu sehr als
Einzelnen hingestellt und der Wahrheit seiner Erschei-
nung dadurch geschadet. Die „V. Z. K.“ — mit diesen
Initialen wird die Ausstellung auf dem Katalog bezeich-
net — fördert diese Entwicklung durch die nahe Zu-
sammenwirkung des Mächtigen mit seinen Wackeren.
Darüber hinaus klärt sie nachdrücklich auch über sei-
nen internationalen Wert auf: ein paar Schritte, und
man kann ihn mit Corinth und Liebermann, mit Corot,
Courbet, Cezanne, van Gogh zusammenhalten . . .
Andere inögen anderen Prüfungen nachgehen. Für
jeden ist „V. Z. K.“ ein reicher Quell des Genusses und
der Anregung. Den Organisatoren und Leihgebern ge-
bührt der wärmste Dank der Kunstfreunde.
Die G e n f e r Darbietungen lassen sich in Kürze
charakterisieren.
Die einc ist s c h w e i z e r i s c h. Die Leitung des
Kunstmuseums lud die K e r a m i k e r des Landes zum
Stelldichein. Sie sind dem Ruf zahlreich und mit guten
106
Malländer einräumen. Aber wohin gehört van Gogh?
Folgendes sind die zahlrcich vertretetenen Fran-
zosen: Pierre Bonnard, Eugene Boudin, Paul Cezanne,
Camille Corot, Gustave Courbet, Flonore Dautnier,
Eugene Delacroix, Andre Derain, Diaz, van Dongen,
Paul Gauguin, Marie Laurencin, Edouard Manet, Henri
Matisse, Claude Monet, Adolphe Monticelli, Pablo
Picasso, Camille Pissaro, Jean Puy, Odilon Redon,
Auguste Renoir, Alfred Sisley, Henri de Toulouse-
Lautrec, Felix Vallotton, Edouard Vuillard. Mie sieht:
Groß und Klein bunt durcheinander; durcheinander
Witze für den Augenblick und Wohltaten für Jahrhun-
derte. Denn auch in der Schweiz, wie im deutschen
Reich, gedeiht eine Vorurteilslosigkeit der Pariser Kunst
gegenüber, die, von Einigen klug geiibt, andere blendet
und sie über das Nahe, das ihnen der Rasse nach An-
stehende, wegsehen läßt; die sie Dinge verehren läßt,
die der reife Franzose als eintäglich empfindet. Die
Hälfte dieser Bilder haben an der Limmat kaum
Daseinsrecht. Sie verdrängen besserem Französischen
oder Heimischem oder anderem den Platz. Um so
besser freilich sind die iibrig bleiben und aus deren Zahl
ich nennen muß: Corot, Courbet, Monet, Redon und, im
zweiten Aufgebot, Boudin, Cezanne, Daumier, Gauguin,
Manet, Matisse, Vuillard. Alles andere ist Nachhut,
ineinetwegen die eines Ritterheers, womit nattirlich nur
der malerische Wert des Ausgestellten, nicht der unbe-
dingte Rang dcr Kiinstler festgelegt sein soll. Obenan
steht der Blumenstrauß von Courbet, „alte Sachlichkeit“
sozusagen, in seinem Wallen und seiner Ruhe, seiner
Einheit des Mannigfachen und seiner unvergleichlich
fühlsamen und meisterlich-ungesuchten Malerei. Wun-
dervoll die Symphonie aus Meergrau, Steingelb und
Verwitterungsbraun in dcr klar geformten, einsamen
normannischen Stadt, von Corot; tief schön das Gebet
in Blau, der Nymphenteich von Monet; bestrickend die
mohnroten Träumereien in eine gold- und veilchen-
farbene Welt hinein, von Redon. (Nicht Grundwerke
der Kunst, diese Redon, abcr Zaubcr und Erlösung von
der Nur- und Abmalcrei.) Cezanne läßt kühl, Renoir
kalt, erquicklich ist Gauguin, äußerst ungleich wie über-
all Matisse. Früher oder später, vermutlich bald, wird
ein scharfer Wind in den schcinbaren Urwald wehen
und das Morsche strecken . . .
Der dritte Teil gehört der Schweiz. Ich war ge-
spannt, wie es mit ilirem Los bestcllt sei. Zwar, daß
Hodler in Zürich für Vieles und Viele aufkommt, das
wußte ich, und die Ausstellung bewcist, daß man in die-
ser Stadt fest ist. Aber die andern, die Anker, Amiet,
Böcklin, Boss, Buchser, Buri, Gattiker, Augusto und
Giovanni Giacometti, Gimmi, Hermanjat, Huber, Hügin,
Ihly, Koller, Kreidolf, Kündig, Lutby, Marxer, de Meu-
ron, Blanchet, Menn, Mcyer, Morgenthaler, Rüegg,
Stäbli, Soldenhoff, Steffan, Stiickelberg, Sturzenegger,
Tscharner, Vautier, Welti, Widmann, Zünd? Wor wür-
den sie bleiben in einer der Moderne so offnen Stadt und
Hochburg des Weltsinns? Meine Ißesorgnis war über-
flüssig: sie sind alle da und trösten mich über die Abwe-
senheit Andrer von meinen Verehrten und Lieblingen.
Wahre Zentren der Kunstkraft sind unter diesen Wer-
ken: das hinreißende Bildnis eines Bauernmädchens von
Anker, feinste Malkultur aus der Schule Gleyres mit
dem ursprünglichsten Sinn für spontane Menschlichkeit
verbindend; das formenpralle und farbensatte Badebild
von Buchser, echtestes drittes Empire von einem ner-
vigen Schweizer geprägt; die drei lebendigen Böcklin;
das feine Waldstück von Ihly, dem Genfer Landschafter
und alten Freund Hodlers; die kostbaren Tierstücke
Kollers, der einst den Aesthetiker Vischer von seinen
Wälzerparagraphen ab- und dazu brachte, gegenwär-
tige, ans Herz greifende, freudige Kunst in einer heute
noch überraschend frischen Studie zu preisen, die sich
grundanders liest als die akademischen Gesetze vom
Schönen. Aber ich halte an mich und nenne nur noch
ein in engem Rahmen machtvolles frühes Bildnis, das
Albert Welti von seinem Großvater gemalt hat. Die
Neuen halten den Alten die Wage, und beiden die Mitt-
leren, die Amiet, Giacometti, Boss, Rüegg. Von den
Neueren fesselten Hermann Huber tnit einem bedeuten-
den Bildnis seiner Frau, und Kündig mit einem
„Dorfinnern“.
Die schweizerische Mannigfaltigkeit hält im Tod
wie im Leben Ferdinand Hodlcr zusammen, der ähn-
liche Einzelthemata anschlägt wie scine Stammesgenos-
sen und der auf dem Grunde dieser Gemeinsamkeit eine
ihnen allen ähnelnde neue Welt aufbaut. Hodler ist mit
Anker, Buri, Amiet, Menn, Koller, Zünd, Huber, Mor-
genthaler nah verwandt in seinen Gestalten, seinen
Landschaften, aber er ist der Messias, der ihr Uner-
löstes befreit, über sie und sich hinaushebt. Das war
von jenem Deutschen, dcr vor bald zwanzig Jahren
sein Werbebuch „Hodler und die Schweizer“ betitelte,
ein kluger Gedanke; er sollte im Interesse des besseren
Zusammenhangs von Hodlers Wandweltmalerei mit
seinen und seiner Landsleute Staffeleibildern auf größe-
rer und zuverlässigerer Grundlage wieder aufgenom-
men werden. Man hat den Meister bislang zu sehr als
Einzelnen hingestellt und der Wahrheit seiner Erschei-
nung dadurch geschadet. Die „V. Z. K.“ — mit diesen
Initialen wird die Ausstellung auf dem Katalog bezeich-
net — fördert diese Entwicklung durch die nahe Zu-
sammenwirkung des Mächtigen mit seinen Wackeren.
Darüber hinaus klärt sie nachdrücklich auch über sei-
nen internationalen Wert auf: ein paar Schritte, und
man kann ihn mit Corinth und Liebermann, mit Corot,
Courbet, Cezanne, van Gogh zusammenhalten . . .
Andere inögen anderen Prüfungen nachgehen. Für
jeden ist „V. Z. K.“ ein reicher Quell des Genusses und
der Anregung. Den Organisatoren und Leihgebern ge-
bührt der wärmste Dank der Kunstfreunde.
Die G e n f e r Darbietungen lassen sich in Kürze
charakterisieren.
Die einc ist s c h w e i z e r i s c h. Die Leitung des
Kunstmuseums lud die K e r a m i k e r des Landes zum
Stelldichein. Sie sind dem Ruf zahlreich und mit guten
106