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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Dezemberheft
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Aus dem nordischen kunstleben / Londoner Kunstschau / Russisches Kunstleben / Majolika-Sammlung Schiff / Erinnerung an Picasso / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Zur Frage der Kölner St. Pantaleonswerkstatt / Ein wenig bekanntes Meisterwerk Giovanni Bellinis / Aus Amerikas Kunstleben / Die Welt der Kunstgelehrten / Veröffentlichung einer gotischen Handschrift aus dem 14. Jahrhundert / Neue Kunstbücher / Europäische Kunst der Gegenwart / Führungen in den Berliner Museen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0174

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den Hintergrund der Scene ein Wald bildet, der in seiner herr-
lichen Lichtwirkung für sich allein ein Meisterwerk genannt wer-
den muß. Zitterndes Leuchten der Sonnenstrahlen liegt über dem
Laub der Bäume, das mit minutiöser Genauigkeit, ohne jedoch
irgendwie schwerfällig zu wirken, gezeichnet ist.

Auf unserem Gemälde öffnet sich nach vorne, von Strauch-
werk und Büschen umgeben, eine Lichtung, auf der sich die Scene
mit Orpheus und der Zauberin abspielt: ein Felsspalt befindet sich
inmjtten der Lichtung, aus dem, zart und geschmeidig, die schönste
und zugleich eleganteste Frauengestalt emporschwebt, die Giam-
bellino jemals gemalt hat. Mit etwas harter, wenn auch sonst gra-
ziöser Bewegung zieht sie einen Kreis um sicli herum. Zu Füßen
des Felsens: Orpheus, dessen Gesicht dieselbe Weichheit zeigt wie
die Gesichter der Engel, die auf dem Gemälde der Heiligen Jung-
frau in der Kirche S. Pietro Martire in Murano neben dem Throne
stehen. Leise führt die Hand den Bogen über das Streichinstru-
ment; das Haupt mit den gewellten Haaren ist leicht geneigt.
Rechts von Orpheus sitzt ein Satyr und eine Nymphe auf einem
Baumstumpf.

In jeder Einzelheit der Scene, vor allem in der Zusammen-
hangslosigkeit der Einzelbilder, gibt sich die Aengstlichkeit, dic
Schwierigkeit kund, mit der Giambellino ringt, um dem ihm unge-
wohnten Sujet gerecht zu werden. Die kindliche Gruppe des Satyr
mit der Nytnplie ist geradezu von religiöser Beschaulichkeit. Offen-
sichtlich hatte die Phantasie des alten Meisters harte Mühe, die
Legende von Orpheus, dem Sänger, zu rekonstruieren. Die Menge
der Tiere, die Orpheus’ Gesange folgt, ist auf ein Minimum be-
schränkt: Wachteln, einige Hähnchen, Pfauhennen, die über die
Lichtung wie über eine Tenne spazieren, da und dort ein Körnchen
aufpicken oder stolz einherschreitenj ein Hirsch, der im Grase aus-
gestreckt liegt wie ein Tiger, der sich das Bein leckt. Aber kein
Wesen aus der gewohnten Welt und Umgebung scheint dem Zau-
bersang gefolgt zu sein. Nur ein kleines Perlhuhn, ein gar auf-
merksamer Schüler, hat sich zu Füßen des Sängers niedergelassen
und hält das Schnäbelchen wie zum Gesange geöffnet.

Diese Verlegenheit Giambellinos, die sich auf dem Gemälde
von Alnwich, auf dem sowohl der Kreis der sitzenden Figuren wie
auch die Gruppe der sich bewegenden jugendlichen Göttergestalten
architektonisch angeordnet sind, nicht findet, dieses zögernde
Suchen gibt aber der mit etwas altmodischer Grazie komponierten
Scene doch einen besonderen Reiz kindlicher Einfalt. Der wie Perl-
mutter anmutende Glanz der weiblichen Gestalten, die im Gegen-
satz zu den festen und plastischen Körpern auf dem Alnwicher
„Festmahl“ weich und mit zarten Gliedern gezeichnet sind, stimmt
gut zu dem schimmernden Licht, das über dem Laubwerk im Hin-
tergrunde liegt. Die Gestalt der Zauberin mit den schlanken, gra-
ziösen Gliedern und dem wie aus durchsichtigem Marmor gebildeten
Leib ist von außerordentlicher Schönheit. Es ist,. als fließe vom
Bannkreis, den ihr Zauberstab zieht, agezogen aus dem leuchtenden,
windbewegten Blättermeer im Hintergrund ein silberner Schmelz
über die hügelige Landschaft und die Bäume, die am Rande der
Lichtung stehen.

(Deutsch von Eugen Kogon) Adolf Venturi.

<Did>stsml«l nn lCunstgegenstancäen*

Am 27. November 1927 wurden aus dem Landesmuseum in
Darmstadt drei wertvolle Schnitzereien aus dem 14. Jahrhundert
gestohlen. Beschreibung:

1. S8X113 inm, die Kreuzigung Christi darstelleud,

2. 88 X 113 mm, Ritter auf Ruhebett darstellend, unter dem Bett
verschiedene Glocken, in der linken Ecke ein Liiwe, dariiber
ein Mädchenkopf,

3. vierteilig, 115X145 mm, oben rechts: Kreuzigung Christi,
oben links: Steinigung des heiligen Stephan,

unten rechts: Anbetung der heiligen drei Könige,
unten links: Enthauptung Johannes des Täufers.

Beim Anbieten der Gegenstände bittet um Nachricht und
Anhalten der Person der Polizeipräsident — Landeskriminalpolizei-
stelle Magdeburg, Dienststelle CA 5 — oder Kripo Darmstadt.

Aus Amet?ikas Kunßlcben.

Auf der internationalen Ausstellung des Carnegie-
Institutes in Pittsburgh erhielt Max P e c h s t e i n für
das von der Berliner Galerie Ferdinand Möller geliehene Bild
„Stilleben mit Calla“ den 500 Dollar-Preis des „Garden Club of
Allegheny County“. Dieser Preis gehört zu den wichtigsten Prei-
sen der Vereinigten Staaten. Von den fünf Preisen des Carnegie-
Institutes erhielt den ersten Preis Henri Matisse für das
„Stilleben“, Anto C a r t e , ein junger Belgier, den zweiten Preis
für das Bild „Mutterschaft“, den dritten Preis Andrew Dasburg,
dem Italiener Antonio D o n g h i wurden für den „Karneval“ der
vierte Preis zuerkannt, der fünfte Preis fiel an Bernard K a r f i e 1 s
„Figuren“. In der deutschen Abteilung sah man H o f e r s „Junge
mit Ball“, der auf Einladung des Carnegie-Institutes nach Amerika
reiste, und Otto D i x „Porträt des Herrn Erfurth mit Hund“.

'5T

m

GALERIE INTERNATIONALE

G M B H

BERLIN W 35

84, LUETZOWSTRASSE 84
TELEPHONE LUETZOW 3481

DEZEMBERAUSSTELLUNG DAS MODERNE STILLEBEN

ALTE MEISTER MODERNE KUNST

Der Höchstpreis, den das Werk eines lebenden Verfassers
jemals erreichte, steht jetzt auf 14 000 D o 11 a r , die Gebrüder
Rosenbach für K i p 1 i n g s „The Smith Administration“ zahlten.
Dieser Preis ist in der New Yorker Versteigerung in den Ander-
sen-Galerien geboten worden. Das unscheinbare Buch ist im Jahre
1891 zu Allahabad in Indien gedruckt und nur deshalb so wertvoll,
weil die damalige indische Ausgabe von dreitausend Stück wegen
Copyright-Schwierigkeiten vernichtet werden mußte. Kiplings
„Echoes“, 1884 zu Lahore erschienen, ging ebenfalls an Rosenbach
(6000 Dollar). Auch ein bisher unveröffentlichter Brief des eng-
lischen Dichters Keats mit den ersten vier Versen seines „Kummer-
sanges“ wurde sehr hoch bezahlt (6600 Dollar).

Dte lÜßlt dec Kunffgelebtderu

Am 24. November starb Professor Paul Schumann im
Alter von 72 Jahren. Ziemlich 40 Jahre war er in der Feuilleton-
redaktion des „Dresdner Anzeiger1 tätig. Die bildende Kunst Dres-
dens verdankt ihm sehr viel. Mutig stritt er, 'eine Kampfnatur, für
die Freilichtmalerei, wie für die Kunsterziehung.

HEHAIIIl flALL und PflüL GRflUPE

BERLIN W 10, Tiergartenstraße 4

versteigern

am 17. Dezember 1927

Colddosen

Reich illustrierter Katalog auf Wunsch nach Erscheinen

162
 
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