Der Pädagoge ist ein Bildner, der den weichsten
Stoff bevorzugt. Das Kind entscheidet. Nach seinem
Aufnahmevermögen richten sich die Methoden, sein
Spieltrieb wird befriedigt. Wer heben will, muß sich
bücken und beugen. Das Kind ist schaulustig und wird
gefesselt durch die drastische Anekdote, die unter-
haltende Geschichte, durch Abenteuer und einfache
Gefühlsregungen. Die natürlichen Neigungen diirfen
nicht unterdrückt oder bespöttelt werden, sie sind die
Briicken, iiber die das Kind zur Kunst geleitet wird.
Der Weg geht vom Inhalt zum Gehalt, vom Gehalt zur
Form und Farbe. Dcr absolute Kunstwert steht am
Ende, wohin nur Wenige, die spezifisch Begabten,
gelangen. Die Monumente der Vergangenheit beleben
mit Leibhaftigkeit das geschichtliche Wissen. Das
Museum bietet Illustration zum Konversationslexikon.
Mit Riicksicht auf die Geistesart der Besucher ist
das Museum zu bauen, zu leiten und anzufiillen. Weite,
lichte, einladende Räume, im Mittelpunkte der Stadt;
möglichst alle Räume zu ebener Erde. Freier Zutritt,
auch ain Abend; reichliche Sitzgelegenheit; ein Vor-
tragsraum, in dem Musik gemacht wird, in dem Kino-
Auffiihrungen von belehrender Art stattfinden, z. B. wie
eiti Bronzeguß entsteht, wie ein Holzstock geschnitten
und gedruckt wird. Wechselnde Ausstellungen mit
instruktiver Erläuterung durch Schrift, unter Umstän-
den mit Hilfe von Sprcchmaschinen. Propaganda durch
die Presse und das Radio. Die Ausstellungen nicht
umfangreich, alle Gebiete der Kunst umfassend
(musterhafte moderne Möbel, die französischen Kathe-
dralen in Photogrammcn und mit Grundrissen, Abgüsse
der besten Skulpturen aus allen Zeiten usw.).
Das Museutn mit Originalen dcr großen Meister
zu füllen, wird mehr und mehr unmöglich werden, und
bei konsequenterVerfolgung des Lehrzwecks nicht mehr
als die wichtigste Aufgabe erscheinen. Wcnn ein Ge-
mälde von Tizian fiir 100 000 Mk. erworben werden
kann, ist zu fragen, ob das Gcld nicht besser und wir-
kungsvoller fiir Abgiisse, Reproduktionen und Ver-
größerung des Beamtenpersonals, das zur Lehrkörper-
schaft ausgebildet wird, vcrwendet werden sollte.
Originale können leihweise fiir kiirzere oder längere
Zeit von Privatsammlern erbeten und itn Zusammen-
hange mit dem Lehrmaterial des Museums gczeigt
werden.
Entstehen werden Museen der liier skizzierten Art
und ohne Zweifel der Ruf nach solchen Instituten auch
in Europa laut werden. Sicherlich werden die alten
Museen Europas sich gegen Popularisierung, Banalisie-
rung und Infantilisierung wehren, und bestimmt werden
die Parlamente in diesem Streit für den neuen Typus
eintreten.
Müde und enttäuschte Europäer zweifeln daran, daß
das Ziel erreichbar sei. Wenn das Museum sich vor-
zugsweise an das Kind wendet, mag es kommen, daß
der Erwachsene das Museum als eitt schulmäßige
Anstalt meidet, wie Schiller von den erwachsenen
Deutschen nicht gelesen wird. Der Amerikaner
hegt eine fast abergläubige Ehrfurcht vor der Zahl und
beweist den Erfolg seiner Einrichtungen statistisch. Er
ist gliicklich zu konstatieren, das Museum sei in star-
ker Steigerung von immer mehr Leuten besucht wor-
den. Damit ist wenig — wenn auch etwas — bewiesen.
Wesentlich wäre die Feststellung, die statistisch schwer
zu erbringen ist, daß die Lebensfreude gesteigert, der
Geschmack gereinigt und das Schulwesen sinnlich be-
lebt wird. Wenn solche Erfolge iiberhaupt konstatiert
werden können, wird jedenfalls Zeit vergehen, bis daß
sie siclt sichtbar oder fiihlbar machen.
Die Aufgaben, die das amerikanische Museum über-
nimmt, werden teilweise in Europa von anderen Insti-
tuten in anderer Art gelöst, von Schulen, namentlich
Kunstgewerbeschulen, Volkshochschulen und von Aus-
stellungen. Deshalb aber braucht das Museum nicht in
seincr Abgeschlossenheit zu verharren.
Die von außen angeregte Besinnung wird jedenfalls
detn gelehrten Beamtenkörper heilsam sein. Vorurteile
werden fallen und absolet gewordene Grenzen, z. B. die
Grettze zwischen dem 19. Jahrhundert und der voran-
gegangenert Zeit, auch die Grenze zwischen „freier
Kunst“ und „Kunstgewerbe“.
Schon versucht man iiberall durch Vorträge und
Fiihrungen eine engere Verbindung zwischen Museum
und Publikum herzustellen. Die Wirkung aber, die von
solcher Bemiihung ausgeht, ist abhängig von dem
Geiste, der in der Museumsverwaltung herrscht.
Solange dcr Vortragende in exklusiv akademischer
Gesinnung oder „geistreich“ ausfiihrt, was ihn selbst
interessiert, wird er die Teilnahme weiterer Kreise
niclit gewinnen.
Selbst mit pädagogischer Vernunft und psycholo-
gischer Anpassung wird der Redner nicht viel erreichen,
solange nicht die Kunstwerke gewählt und ausgestellt
werden im Sinne der einfiihrenden, stufenweise auf-
wärts leitenden Belehrung. Die Umgestaltung der
alten, mit wissenschaftlichem Material und wertvollem
Kunstgut iiberfüllten Mttseen wird freilich nur durch
schwierige Kompromisse möglich sein. Mit fortschrei-
tender Amerikanisierung der Erde werden sich die
Mtiseen der alten Kulturländer, in diesem oder jenem
Grade, dem neuen Typus anpassen.
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Stoff bevorzugt. Das Kind entscheidet. Nach seinem
Aufnahmevermögen richten sich die Methoden, sein
Spieltrieb wird befriedigt. Wer heben will, muß sich
bücken und beugen. Das Kind ist schaulustig und wird
gefesselt durch die drastische Anekdote, die unter-
haltende Geschichte, durch Abenteuer und einfache
Gefühlsregungen. Die natürlichen Neigungen diirfen
nicht unterdrückt oder bespöttelt werden, sie sind die
Briicken, iiber die das Kind zur Kunst geleitet wird.
Der Weg geht vom Inhalt zum Gehalt, vom Gehalt zur
Form und Farbe. Dcr absolute Kunstwert steht am
Ende, wohin nur Wenige, die spezifisch Begabten,
gelangen. Die Monumente der Vergangenheit beleben
mit Leibhaftigkeit das geschichtliche Wissen. Das
Museum bietet Illustration zum Konversationslexikon.
Mit Riicksicht auf die Geistesart der Besucher ist
das Museum zu bauen, zu leiten und anzufiillen. Weite,
lichte, einladende Räume, im Mittelpunkte der Stadt;
möglichst alle Räume zu ebener Erde. Freier Zutritt,
auch ain Abend; reichliche Sitzgelegenheit; ein Vor-
tragsraum, in dem Musik gemacht wird, in dem Kino-
Auffiihrungen von belehrender Art stattfinden, z. B. wie
eiti Bronzeguß entsteht, wie ein Holzstock geschnitten
und gedruckt wird. Wechselnde Ausstellungen mit
instruktiver Erläuterung durch Schrift, unter Umstän-
den mit Hilfe von Sprcchmaschinen. Propaganda durch
die Presse und das Radio. Die Ausstellungen nicht
umfangreich, alle Gebiete der Kunst umfassend
(musterhafte moderne Möbel, die französischen Kathe-
dralen in Photogrammcn und mit Grundrissen, Abgüsse
der besten Skulpturen aus allen Zeiten usw.).
Das Museutn mit Originalen dcr großen Meister
zu füllen, wird mehr und mehr unmöglich werden, und
bei konsequenterVerfolgung des Lehrzwecks nicht mehr
als die wichtigste Aufgabe erscheinen. Wcnn ein Ge-
mälde von Tizian fiir 100 000 Mk. erworben werden
kann, ist zu fragen, ob das Gcld nicht besser und wir-
kungsvoller fiir Abgiisse, Reproduktionen und Ver-
größerung des Beamtenpersonals, das zur Lehrkörper-
schaft ausgebildet wird, vcrwendet werden sollte.
Originale können leihweise fiir kiirzere oder längere
Zeit von Privatsammlern erbeten und itn Zusammen-
hange mit dem Lehrmaterial des Museums gczeigt
werden.
Entstehen werden Museen der liier skizzierten Art
und ohne Zweifel der Ruf nach solchen Instituten auch
in Europa laut werden. Sicherlich werden die alten
Museen Europas sich gegen Popularisierung, Banalisie-
rung und Infantilisierung wehren, und bestimmt werden
die Parlamente in diesem Streit für den neuen Typus
eintreten.
Müde und enttäuschte Europäer zweifeln daran, daß
das Ziel erreichbar sei. Wenn das Museum sich vor-
zugsweise an das Kind wendet, mag es kommen, daß
der Erwachsene das Museum als eitt schulmäßige
Anstalt meidet, wie Schiller von den erwachsenen
Deutschen nicht gelesen wird. Der Amerikaner
hegt eine fast abergläubige Ehrfurcht vor der Zahl und
beweist den Erfolg seiner Einrichtungen statistisch. Er
ist gliicklich zu konstatieren, das Museum sei in star-
ker Steigerung von immer mehr Leuten besucht wor-
den. Damit ist wenig — wenn auch etwas — bewiesen.
Wesentlich wäre die Feststellung, die statistisch schwer
zu erbringen ist, daß die Lebensfreude gesteigert, der
Geschmack gereinigt und das Schulwesen sinnlich be-
lebt wird. Wenn solche Erfolge iiberhaupt konstatiert
werden können, wird jedenfalls Zeit vergehen, bis daß
sie siclt sichtbar oder fiihlbar machen.
Die Aufgaben, die das amerikanische Museum über-
nimmt, werden teilweise in Europa von anderen Insti-
tuten in anderer Art gelöst, von Schulen, namentlich
Kunstgewerbeschulen, Volkshochschulen und von Aus-
stellungen. Deshalb aber braucht das Museum nicht in
seincr Abgeschlossenheit zu verharren.
Die von außen angeregte Besinnung wird jedenfalls
detn gelehrten Beamtenkörper heilsam sein. Vorurteile
werden fallen und absolet gewordene Grenzen, z. B. die
Grettze zwischen dem 19. Jahrhundert und der voran-
gegangenert Zeit, auch die Grenze zwischen „freier
Kunst“ und „Kunstgewerbe“.
Schon versucht man iiberall durch Vorträge und
Fiihrungen eine engere Verbindung zwischen Museum
und Publikum herzustellen. Die Wirkung aber, die von
solcher Bemiihung ausgeht, ist abhängig von dem
Geiste, der in der Museumsverwaltung herrscht.
Solange dcr Vortragende in exklusiv akademischer
Gesinnung oder „geistreich“ ausfiihrt, was ihn selbst
interessiert, wird er die Teilnahme weiterer Kreise
niclit gewinnen.
Selbst mit pädagogischer Vernunft und psycholo-
gischer Anpassung wird der Redner nicht viel erreichen,
solange nicht die Kunstwerke gewählt und ausgestellt
werden im Sinne der einfiihrenden, stufenweise auf-
wärts leitenden Belehrung. Die Umgestaltung der
alten, mit wissenschaftlichem Material und wertvollem
Kunstgut iiberfüllten Mttseen wird freilich nur durch
schwierige Kompromisse möglich sein. Mit fortschrei-
tender Amerikanisierung der Erde werden sich die
Mtiseen der alten Kulturländer, in diesem oder jenem
Grade, dem neuen Typus anpassen.
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