Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0203
DOI Heft:
1./2. Januarheft
DOI Artikel:Beenken, Hermann: Warum die "Madonna di Gaeta" nur eine Kopie ist?
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gemäß eine von der des Originals abweichende Verti-
kale in seine rechteckige Bildtafel als Achse seines
Hilfsnetzes ein. Zunächst zeichnete er dann nach dem
so verschobenen Achsensystem die figürliche Gruppe
und brachte sie bis in alle Umrisse durch genaue Maß-
übertragungen mit der des Vorbildes zur Deckung. Auch
die rechte Hälfte des Hintergrundes konnte er anfangs
aus dem Wege gegangen, ja es wurde die durch die
Achsenverschiebung gefährdete Ponderation der
Figurengruppe von außen her noch durch das Einfiigen
der steilen „peruginesken“ Bäumchen gefestigt, oline die
das Ganze seitlich versackt. Die Landschaft aber brach
nunmehr jäh auseinander. Um auch diese Peinlichkeit
zu verschleiern, ist wohl das sinnlose, äber gefährliche
Abb. 2. Angeblich Raffael: Madonna di Gaeta. Die Linie G ist die Mittelachse des Bildes, die Linie A die der Madonna Alba. In der
Landschaft ist nur der Wasserspiegel links auf die Horizontale zu G gelegt, die übrigen Teile, soweit sie auch in Abb. 1 vorhanden,
sind dagegen auf die A-Achse bezogen, also kopiert. Die unteren Schnittlinien sollen zudem noch eine ästhetische Prüfung der Bild-
ponderation ermöglichen. Auf welche der beiden nun gravitiert die Figurengruppe? Man bedecke das Bild mit einem dem Ausschnitt
der Madonna Alba entsprechenden Rahmen!
uubedenklich in das seiner Kopie zugrunde gelegte
Liniennetz, genau dem Rundbilde folgend, übertragen.
Erst in der linken Hälfte der Landschaft ergab sich die
Schwierigkeit, daß ein Festhalten an dem einmal ge-
wählten Achsensystem auch an dieser Stelle notwendig
zu einer steigenden Wasseriinie, zu einer schrägen
Horizontführung im Hinblick auf die Ränder der recht-
eckigen Tafel fiihren mußte. Dieser Konsequenz wurde
Uebergangspartien giinstig verdeckende Buschwerk
hinter dem Haupte des Christusknaben hinzugemalt
worden.
Bestätigungen.
Daß nun nicht die erste sehr kiinstliche und mit
inneren Widerspriichen behaftete Erklärung die richtige
ist, sondern die zweite, die die wesentlichen Abweichun-
gen ganz natürlich und zwanglos verständlich macht,
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kale in seine rechteckige Bildtafel als Achse seines
Hilfsnetzes ein. Zunächst zeichnete er dann nach dem
so verschobenen Achsensystem die figürliche Gruppe
und brachte sie bis in alle Umrisse durch genaue Maß-
übertragungen mit der des Vorbildes zur Deckung. Auch
die rechte Hälfte des Hintergrundes konnte er anfangs
aus dem Wege gegangen, ja es wurde die durch die
Achsenverschiebung gefährdete Ponderation der
Figurengruppe von außen her noch durch das Einfiigen
der steilen „peruginesken“ Bäumchen gefestigt, oline die
das Ganze seitlich versackt. Die Landschaft aber brach
nunmehr jäh auseinander. Um auch diese Peinlichkeit
zu verschleiern, ist wohl das sinnlose, äber gefährliche
Abb. 2. Angeblich Raffael: Madonna di Gaeta. Die Linie G ist die Mittelachse des Bildes, die Linie A die der Madonna Alba. In der
Landschaft ist nur der Wasserspiegel links auf die Horizontale zu G gelegt, die übrigen Teile, soweit sie auch in Abb. 1 vorhanden,
sind dagegen auf die A-Achse bezogen, also kopiert. Die unteren Schnittlinien sollen zudem noch eine ästhetische Prüfung der Bild-
ponderation ermöglichen. Auf welche der beiden nun gravitiert die Figurengruppe? Man bedecke das Bild mit einem dem Ausschnitt
der Madonna Alba entsprechenden Rahmen!
uubedenklich in das seiner Kopie zugrunde gelegte
Liniennetz, genau dem Rundbilde folgend, übertragen.
Erst in der linken Hälfte der Landschaft ergab sich die
Schwierigkeit, daß ein Festhalten an dem einmal ge-
wählten Achsensystem auch an dieser Stelle notwendig
zu einer steigenden Wasseriinie, zu einer schrägen
Horizontführung im Hinblick auf die Ränder der recht-
eckigen Tafel fiihren mußte. Dieser Konsequenz wurde
Uebergangspartien giinstig verdeckende Buschwerk
hinter dem Haupte des Christusknaben hinzugemalt
worden.
Bestätigungen.
Daß nun nicht die erste sehr kiinstliche und mit
inneren Widerspriichen behaftete Erklärung die richtige
ist, sondern die zweite, die die wesentlichen Abweichun-
gen ganz natürlich und zwanglos verständlich macht,
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