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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Januarheft
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Wilm, Hubert: Über das Restaurieren alter Holzskulpturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0205

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an alten Holzskulpturen hat durch unsachgemäße
Restaurierung schwere Verluste erlitten. Man kann
übereifrige Sammler und Kunsthändler nicht eindring-
lich genug davor warnen, ihren Besitz an alten Bild-
werken eigenhändig von Uebermalungen reinigen zu
wollen. Es ist eine dringende Notwendigkeit, daß
solche Arbeiten, auch in den scheinbar einfachsten
Fällen, nur von einem geschulten Restaurator vorge-
nommen werden. Laienhände stiften bei allen Restau-
rierungen nur Unheil.

Der Verfasser denkt mit gelindem Schaudern an
einen sonst sehr tüchtigen Althändler in einer bayeri-
schen Kleinstadt, der nahezu jede in seinen Besitz ge-
langende gotische Holzfigur erst einmal auf seinen
gepflasterten Hof stellte und mit einer heiß gemachtcn.
scharfen Lauge übergoß, um zu sehen, ob unter den
Uebermalungen noch eine alte Fassung erhalten sei.
Den gleichen Kunstliebhaber konnte man zuweilen auch
dabei überraschen, wie er mit einem kleinen Hammer
auf einer besonders dick übermalten Skulptur herum-
klopfte. Fragte man entsetzt nach dcm Grunde dieser
höchst sonderbaren Prozedur, so erklärte er mit Leiden-
schaft, daß nach seiner bes-timmten Meinung nur so die

Abb. 1. Kölnischer Meister, gegen 1400, Muttergottes
München, Sammlung Hubert Wilm — Nußbaumholz, abgelaugt

Abb. 2. Landshuter Meister, um 1500, Büstenreliquiar
München, Sammlung des Verfassers
Mit dem trockenen Verfahren von Uebermalungen gereinigt

alte Bemalung freigelegt werden könne, weil die dicke
Krustc der neuen Farben durch dieses Klopfen tadellos
abspringe. Und durch die Hände dieses einen Kunst-
händlers gingen seit Jahrzehnten zahlreiche mittelalter-
liche Skulpturen, von denen viele durch ihn selbst be-
schädigt, in öffentliche und private Sammlungen gelang-
ten. Dies ist nur ein Beispiel der laienhaften Restau-
rierungswut, für die sich noch zalilreiche andere Belege
beibringen ließen.

Für den fachmännisch geschulten Restaurator wird
es sich bei Uebernahme einer pflegebedürftigen Skulp-
tur zuerst darum handeln, durch eine genaue Unter-
suchung festzustellen, was von dem originalen Bestand
des Kunstwerkes noch vorhanden ist. Diese Unter-
suchung ist sehr einfach bei ungefaßten B i 1 d -
w e r k e n , bei denen das ganze Holz frei liegt. In
diesem Falle ist lediglich zu entscheiden ob an dem
Bildwerk die alte Patina des Holzes erhalten werden
soll oder ob einc Reinigung vonnöten ist. Altes, unge-
faßtes Lindenho’z hat mcist eine sehr schöne, vom Hell-
grau bis ins Dunkelbraun gehende natüriiche Patina, die
man am besten, wenn sie nicht zu fleckig ist, unberührt
läßt. Ist jedoch das FIolz im Laufe der Jahre einmal mit

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