malereien im Nonnenchor um 1340, ist eine Stiftuntr
einer Großnichte Heinrichs des Löwen, der Herzogin
Agnes von Meißen und stand in steter Fiihlung mit dem
Welfenhause, dessen weibliclie Mitglieder wiederholt
hier Aebtissinnen waren. Hs gehört zu jenen vorneh-
men Frauenklöstern Niedersachsens, die die Träger
einer feineren künstlerischen und geistigen Kultur des
Landes im Mittelalter waren. Eine Reihe dieser
Frauenklöster, deren Insassen hauptsächlich Damen des
Fürstenhauses und des hohen Adels waren, besitzen
heute nocli ais Ueberreste jener Blütezeit ihres religiö-
sen und geistigen Lebens erhebliche Bestäride an
gestickten Wandbehängen und Altardecken, in Leinen-,
in einer Art Kreuzstichstickerei mit Seidenfäden und
endlich in W o 11 s t i c k e r e i. Es ist kein Zweifel,
daß diese Nadelarbeiten in der Hauptsache den fleißigen
Händen der Schwestern selbst zu verdanken sind. Die
merkwürdigste Gruppe innerhalb dieser nieder-
sächsisehen Klosterarbeiten des 14. und 15. Jahrhun-
derts stellen zweifellos die wollgestickten
Bildteppiche dar, von denen das Kloster Wien-
hausen die interessantesten — es sind das die eben bei
Hinrichsen ausgestellten sieben Stücke — besitzt, mit
dem aber das Welfenkloster Lüne bei Lüneburg hln-
sichtlich des Reichtums der Bestände dieser Gattung
wetteifern kann.
Yon den sieben wollgestickten Wien-
hauser Teppichen deuten melirere, wie der
früheste und vielleicht schönste, noch ganz im frühgoti-
schen Stile um 1300 gehaltene, durch den Gegenstand
ihrer Darstellung, die Geschichte T r i s t a n s u n d
I s o 1 d e s , auf den hofisch ritterlichen Gedankenkreis
der Helden- und Minnepoesie hin, der die vornehmen
Damen unseres niedersächsischen Cistercienserinnen-
Klosters in Stunden der Erholung von den geistlichen
Uebungen und klösterlichen Arbeiten an langen Winter-
abenden wohl aucli beschäftigen durfte (Abb. 1). Dem
weltlichen Vorstellungskreis entlehnt aucli der gesticktc
Behang mit Jagdbildern sein Thema. Um so
mehr fülirt dann in den Mittelpunkt der strengen kirch-
lichen Geisteswelt des späteren Mittelalters der Teppich
mit der Darstellung des Heilsspiegels, des
Speculum humanae salvationis, eine der vollständigsten
ihrer Art (Abb. 2). Der Heiligenlegende sind gewidmet
der Teppich mit der Geschichte des h 1. Thomas,
neben dem frühgotischen Tristanteppich am vollendet-
sten in der Zeichnung, aber schon der mittleren Gotik
um 1400, der Kaiser Sigismundszeit angehörig, von
köstlicher Frische der Erzählung (Abb. 3), sowie der
Teppich mit der Geschichte der h 1. A n n a u n d
E 1 i s a b e t h , bereits spätgotisch, um 1500.
Das technische Kennzeichen der deutschen Woll-
stickerei in der Art der Wienhauser Teppiche ist die
dichte Bedeckung des Leinengrundes mit eng neben-
einander gelegten farbigen Wollfäden — aus Schaf-
wolle — die unter Mithilfe eines Ueberfangfadens auf
dein Grunde befestigt sind, im sogenannten „Kloster-
stich“. Das stilistisch früheste Denkmal dieser Gattung
ist der frühgotische Maltererteppich aus dem Kloster
Adelhausen im Museum in Freiburg mit den Listen der
Frauen und Wappen, Anfang des 14. Jahrhunderts, und
am Ende der Entwicklung stehen die beiden nocli wenig
gewürdigten langgestreckten Rücklaken mit Heiligen-
legenden im Ursulinerinnenkloster in Erfurt um 1500.
Dieser Zeit gehören auch die Mehrzalil der wollgestick-
ten Tcppiche in Kloster Lüne an, die indes in stilistischer
Hinsicht merkwürdige Zeugnisse für das lange Fest-
halten an älteren Traditionen darstellen (vgl. Hermann
Schmitz, Bildteppiche, 3. Aufl., Seite 66).
Es liegt in der Technik dieser Wollstickerei be-
grüudet, daß modellierende Uebergänge in der Art der
Fiachstichtechnik der Seidensticker nicht möglich sind.
Die Darstellung muß sich also auf ein Nebeneinander-
setzen der farbigen Flächen unter scharfer Begrenzung
der Umrisse beschränken. Deshalb darf man auch von
diesem Zweige der Stickerei keine unmittelbare Um-
setzungen von bildmäßigen Vorlagen bedeutender
Maler erwarten, wie sie z. B. die Gold- und Seiden-
stickerei, namentlich in der sogenannten Lasurtechnik,
nacli Vorzeichnungen Antonio Polajuolos, der
Gebrüder van Eyck. des Roger van der Weyden, des
Meisters von St. Severin usw. aufweisen kann. Die
Stärke, der Zauber dieser wollgestickten Teppiche
beruht in der unvergleichlichen Sicherheit des dekora-
tiven Gefühls, in der naiven Erzählung, in der wunder-
baren Verteilung der Farben auf der Fläche, in der Ver-
einfachung der Zeichnung und der prächtigen I leraldik
und Ornamentik.
Det? Ausoeekaut dev ö{}evvetd)t(cben Klöüet?
oon
Hans Xie
^jeben dem weltberühmten Kunstbesitz, den
Oesterreicli mehreren kunstliebenden Mitgliedcrn
der ehemaligen Dynastie verdankt, besitzt es in seinen
Klöstern noch einen zweiten Kunstschatz, der eigent-
lich noch merkwürdiger und eigenartiger ist als jene
stolze Erbschaft, die in den Wiener Museen, Bibliothe-
ken und Schatzkammern so prunkvoll zur Schau
— U)ien
gestellt ist. Was die Klöster au Kunstwerken bergen,
ist nicht zu musealer Lebensferne erstarrt, sondern
dicnt zum großen Teil noch heute den Zwecken, für
die es von Anbeginn bestimmt gewesen ist, ist in der
Hauptsache noch heute von der gleichen Geistigkeit
umweht, die es vor Jahrhunderten entstehen ließ; und
dieser Besitz ist überdies das Aelteste und Bodenstän-
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einer Großnichte Heinrichs des Löwen, der Herzogin
Agnes von Meißen und stand in steter Fiihlung mit dem
Welfenhause, dessen weibliclie Mitglieder wiederholt
hier Aebtissinnen waren. Hs gehört zu jenen vorneh-
men Frauenklöstern Niedersachsens, die die Träger
einer feineren künstlerischen und geistigen Kultur des
Landes im Mittelalter waren. Eine Reihe dieser
Frauenklöster, deren Insassen hauptsächlich Damen des
Fürstenhauses und des hohen Adels waren, besitzen
heute nocli ais Ueberreste jener Blütezeit ihres religiö-
sen und geistigen Lebens erhebliche Bestäride an
gestickten Wandbehängen und Altardecken, in Leinen-,
in einer Art Kreuzstichstickerei mit Seidenfäden und
endlich in W o 11 s t i c k e r e i. Es ist kein Zweifel,
daß diese Nadelarbeiten in der Hauptsache den fleißigen
Händen der Schwestern selbst zu verdanken sind. Die
merkwürdigste Gruppe innerhalb dieser nieder-
sächsisehen Klosterarbeiten des 14. und 15. Jahrhun-
derts stellen zweifellos die wollgestickten
Bildteppiche dar, von denen das Kloster Wien-
hausen die interessantesten — es sind das die eben bei
Hinrichsen ausgestellten sieben Stücke — besitzt, mit
dem aber das Welfenkloster Lüne bei Lüneburg hln-
sichtlich des Reichtums der Bestände dieser Gattung
wetteifern kann.
Yon den sieben wollgestickten Wien-
hauser Teppichen deuten melirere, wie der
früheste und vielleicht schönste, noch ganz im frühgoti-
schen Stile um 1300 gehaltene, durch den Gegenstand
ihrer Darstellung, die Geschichte T r i s t a n s u n d
I s o 1 d e s , auf den hofisch ritterlichen Gedankenkreis
der Helden- und Minnepoesie hin, der die vornehmen
Damen unseres niedersächsischen Cistercienserinnen-
Klosters in Stunden der Erholung von den geistlichen
Uebungen und klösterlichen Arbeiten an langen Winter-
abenden wohl aucli beschäftigen durfte (Abb. 1). Dem
weltlichen Vorstellungskreis entlehnt aucli der gesticktc
Behang mit Jagdbildern sein Thema. Um so
mehr fülirt dann in den Mittelpunkt der strengen kirch-
lichen Geisteswelt des späteren Mittelalters der Teppich
mit der Darstellung des Heilsspiegels, des
Speculum humanae salvationis, eine der vollständigsten
ihrer Art (Abb. 2). Der Heiligenlegende sind gewidmet
der Teppich mit der Geschichte des h 1. Thomas,
neben dem frühgotischen Tristanteppich am vollendet-
sten in der Zeichnung, aber schon der mittleren Gotik
um 1400, der Kaiser Sigismundszeit angehörig, von
köstlicher Frische der Erzählung (Abb. 3), sowie der
Teppich mit der Geschichte der h 1. A n n a u n d
E 1 i s a b e t h , bereits spätgotisch, um 1500.
Das technische Kennzeichen der deutschen Woll-
stickerei in der Art der Wienhauser Teppiche ist die
dichte Bedeckung des Leinengrundes mit eng neben-
einander gelegten farbigen Wollfäden — aus Schaf-
wolle — die unter Mithilfe eines Ueberfangfadens auf
dein Grunde befestigt sind, im sogenannten „Kloster-
stich“. Das stilistisch früheste Denkmal dieser Gattung
ist der frühgotische Maltererteppich aus dem Kloster
Adelhausen im Museum in Freiburg mit den Listen der
Frauen und Wappen, Anfang des 14. Jahrhunderts, und
am Ende der Entwicklung stehen die beiden nocli wenig
gewürdigten langgestreckten Rücklaken mit Heiligen-
legenden im Ursulinerinnenkloster in Erfurt um 1500.
Dieser Zeit gehören auch die Mehrzalil der wollgestick-
ten Tcppiche in Kloster Lüne an, die indes in stilistischer
Hinsicht merkwürdige Zeugnisse für das lange Fest-
halten an älteren Traditionen darstellen (vgl. Hermann
Schmitz, Bildteppiche, 3. Aufl., Seite 66).
Es liegt in der Technik dieser Wollstickerei be-
grüudet, daß modellierende Uebergänge in der Art der
Fiachstichtechnik der Seidensticker nicht möglich sind.
Die Darstellung muß sich also auf ein Nebeneinander-
setzen der farbigen Flächen unter scharfer Begrenzung
der Umrisse beschränken. Deshalb darf man auch von
diesem Zweige der Stickerei keine unmittelbare Um-
setzungen von bildmäßigen Vorlagen bedeutender
Maler erwarten, wie sie z. B. die Gold- und Seiden-
stickerei, namentlich in der sogenannten Lasurtechnik,
nacli Vorzeichnungen Antonio Polajuolos, der
Gebrüder van Eyck. des Roger van der Weyden, des
Meisters von St. Severin usw. aufweisen kann. Die
Stärke, der Zauber dieser wollgestickten Teppiche
beruht in der unvergleichlichen Sicherheit des dekora-
tiven Gefühls, in der naiven Erzählung, in der wunder-
baren Verteilung der Farben auf der Fläche, in der Ver-
einfachung der Zeichnung und der prächtigen I leraldik
und Ornamentik.
Det? Ausoeekaut dev ö{}evvetd)t(cben Klöüet?
oon
Hans Xie
^jeben dem weltberühmten Kunstbesitz, den
Oesterreicli mehreren kunstliebenden Mitgliedcrn
der ehemaligen Dynastie verdankt, besitzt es in seinen
Klöstern noch einen zweiten Kunstschatz, der eigent-
lich noch merkwürdiger und eigenartiger ist als jene
stolze Erbschaft, die in den Wiener Museen, Bibliothe-
ken und Schatzkammern so prunkvoll zur Schau
— U)ien
gestellt ist. Was die Klöster au Kunstwerken bergen,
ist nicht zu musealer Lebensferne erstarrt, sondern
dicnt zum großen Teil noch heute den Zwecken, für
die es von Anbeginn bestimmt gewesen ist, ist in der
Hauptsache noch heute von der gleichen Geistigkeit
umweht, die es vor Jahrhunderten entstehen ließ; und
dieser Besitz ist überdies das Aelteste und Bodenstän-
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