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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Februarheft
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Esswein, Hermann: Joseph Damberger: zu einer Ausstellung der Galerie Heinemann, München
DOI Artikel:
Dolbin, Benedikt F.: Der Karikaturist und seine Art zu sehen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0253

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sein werden, durch absolut malerische Mittel. Auch die
Pointen, das Weiß der Brusttücher, der festliche
Zinnober irgendeines Kopfschmucks, das schwarze
Gitterwerk der karierten Stoffe, sind sachlich, sind olnie
die Koketterie des graphisch Dekorativen, sind natiir-
liche Höhepunkte einer behutsam wägenden, langsam
lauernden und zielenden Präzissionsarbeit. Handschrift,
Handgelenk, „Schmissigkeit“ — so billige Triumphe
vertrügen sich schlcciit mit dem Wahrhaftigkeitssinn,
von dem dies schöne und fromme Gestalten ausgeht.

Hs versteht sich von selbst, daß Damberger diese
eigenste, gesteigertste und zugleich komplizierteste
Form seines Schaffens nicht gleichmäßig in allen zwei-
unddreißig Stücken der Heinemann-Ausstellung erreicht
hat. Doch auch wenn er nicht seine stärkste Gespannt-
lieit aufbietet, bleiben immer noch Bilder von Qualität:
Manches, was in den besten Freilichtjahren auch nicht
besser gemacht worden wäre. Einiges, was dem kon-
ventionellen Genre zwar energisch ausbiegt, aber doch
noch irgendwie dem Erzählenden, der mehr illustrativ
als gesteigert existent empfundenen Situation verhaftet

bleibt. Der Landschafter in Damberger ist den Proble-
men der Figur gegenüber etwas zu kurz gekommen,
aber er ist da; er hat plötzliche eingebunghafte Durch-
brüche — wie eine kleine Mergclgrube mit Fuhrwerk
unter fahlem Spätherbsthimmel — die entzücken. Er
spricht ferner stark mit bei einer kleinen Anzalil größe-
rer, jedoch nie Mittelformat überschreitender Komposi-
tionen, die der Feldarbeit, dem Wesen und Tun des
Sämanns, des Hirten einen melir typischen, von der
Impression gleichsam nur noch gewürzten Ausdruck
suchen.

Der Erfolg dieser Ausstellung ist neben dem künst-
lerischen aucli ein sittlicher — dcr Triumph einer
charaktervollen Askese, die sich von den Verlockungen
günstiger Marktkonjunkturen nicht bestechen ließ und
erst recht bei dem einmal als richtig Erkannten aus-
harrte als Zusammenbruch und Not so manchen sich
selber und einer sauberen Verwaltung der anvertrauten
Pfunde entfremdeten. Hier ist endlich wieder einmal
ein Lebenswerk, hinter dem das in der heutigen Kunst-
welt so selten gewordene Gefühl der Lebensaufgabe,
dcr Sendung steht.

üev Kat’ikatut’tff und fetne Act, zu leben

von

Q, ¥, Dolbtn

jie Wurzel der Fähigkeit zum Karikieren liegt im
Spieltrieb, nicht im Gestaltungstrieb. Das kind-
liche Spiel mit den Formen der Umwelt führt zur Kari-
katur, d. h. zur Uebertreibung aller wesentlichen Merk-
male der Erschcinungen. Es gelit hier weniger um die
individueile Erscheinung ais um die typische; wolil ist
in den Kinderzeichnungen der Mensch vom Hund und
dieser vom Schmetterling zu unterscheiden, doch fehlt
die Fähigkeit, den Menschen zu individualisieren, also

Mensch und Mensch zu scheiden. Das Lapidare der
Kinderzeichnungen beruht uicht auf der Fähigkeit, ein
kompliziertes Gebilde auf dessen Grundformen zurück-
zuführen, sondern auf dcr Unfähigkeit, die Kompliziert-
heit zu erfassen. lch muß auch jene immer noch als
Karikaturen gewerteten Zeichnungen von meiner Be-
trachtung ausschließen, die entstehen, wenn das Profil
eines Menschen, die Silhouette eines Tieres durch
graphische Scherze zu einer Arabeske geformt wird;

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