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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Februarheft
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Aus dem nordischen Kunstleben / Pariser Kunstbrief / Aus Amerikas Kunstleben / Londoner Kunstschau / Hollands Kunstmarkt / Schweizer Kunstbrief / Die Welt der Gelehrten / Oskar Kaufmann's neuester Bau / Kunstausstellungen / Kunstauktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0273

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der sich leidenschaftlich in schweizerische Kultur und Kunst ein-
gelebt hat und weiß, mit was fiir einem nur scheinbar trockenen,
in seiner eigentiimlichen Fruchtbarkeit aber nicht jedem Ausländer
sobald verständlichen Geiststoff er es zu tun hat, dieser gewiegte
Autor hat einen wundervollen Gegenstand wundervoll behandelt.
Durchdrungen von der Herrlichkeit der großen Glasmalerei, 'im
Voilbesitz jeglichen technischen und seeienkundigen Wissens um
den Künstler, hat er eine mit der Geschichte der schön strebenden
Menschlichkeit Giacomettis gesättigte hymnische Weihrede auf
dessen leuchtende Fenster gestaltet. Aber Giacomettis Arbeit er-
streckt sich von je auch auf weitflächigen Wandschmuck: auch
dieser Leistung Art und Gesetz wird aufs gründlichste erwogen.
Parergisch und studienweise läßt der aus dem italisch.bündnerischen
Bergell stammende Maler auch Werke von Staffeieicharakter ent-
stehen: sie werden mit Feinsinn nachgefühlt und eingeordnet. Wie
man es ansehe, immer tritt Giacometti dem Leser als der ent-
schiedene und begnadete, als der weise und gehobene Nurmaler,
als der unbedingteste Farbenfreund unter seinen Schweizer Kunst-
genossen entgegen, und stets weiß der Erklärer fiihlbar zu machen,
wie es anders gar nicht werden konnte: das am Südhang der Alpsn
sich der Sonne entgegenstreckende Heimattal wollte es so, und
es ist ein wahres Glück, daß diese überquellende Naturgabe durch
den völkischen Zusammenhang mit der deutschen Schweiz und ihrer
Art gebändigt ward . . .

Der Würde aus verhaltenem Feuer, die den Text adelt, ent-
spricht die Ausstattung, die Orell Füßli dem Buche haben ange-
deihen lassen und welche dasselbe zu einem der schönsten Kunst-
biicher gestaltet, das je das Licht der Welt erblickt hat. Schlägt
man die Tafeln auf, die Kirchenfenster wiedergeben, so erlebt man
sie als wirklich, mit dem tiefen Schauer, der uns im Augenblick
des Eintritts in nachtdunkle Dome befällt, worein vom Chor das
heilige Blut des Himmlischen strömt. Bedeutend wirken die Wand-
malereien, und ein froher Zauber geht von den Bildern, die Blüter.,
Tiere, Heide, Stiileben zum Anstoß ihrer Farbenpoesie haben.
Dabei entdeckt man, daß dieser Kolorist ein starker Zeichner und
gewiegter Komponist in einer Person ist, daß in seinem Geist und
Gemüt En- und Ausdruck als zwei wohlgesinnte, ihrer Gegenseitig-
keit bewußte Nachbarmächte nebeneinander wohnen.

Grund anderer Gesinnung entsprossen sind die Werke Karl
Stauffers. Dieser Kiinstler war in hohem Maße vom Modell ab-
hängig, manchmal weit mehr als es seinem Werk zuträglich war,
und die Wahl der Modelle war nicht immer vom strengsten Ge-
schmacke geleitet, dazu vom Förmelhaften bedingt. Fratzenhaftes
und Modisches geht kraus durcheinander, und eigentliche Kompo-
sition war nicht seine Sache. Freilich, in seiner Glanzzeit war er
noch nicht zu seiner wahren Sendung, der Plastik, durchgedrungen,
und als er sie erreicht hatte, verfiel ihm das Dasein. Man wird
daher seine Leistungen mit einem Gemisch der Bewunderung und
mannifgachen Vorbehalts betrachten. Immerhin, die Bewunderung
gilt mitnichten nur seiner technischen Vollkommenheit, sie hat tie-
feren Grund: sie beruht in seiner schweizerischen Ursprünglich-
keit, im natürlich Enthusiastischen seines Realismus, im Schranken-
losen seines Tastsinns, im Unbedingten seines Bekenntnisses, in
dem, was er mit den Gotthelf, den Hodler gemein hat und was alle-
tüchtigen Berner innerhalb der Schweizer noch ganz besonders
charakterisiert. Jedermann kennt den „Schweizerischen Robinson“,
wenige denken daran, daß ein Berner ihn geschrieben hat, noch
wenigere, wie überraschend ähnlich seine drangvolle Sprache
dröhnt der des großen Jeremias, da, wo er die Nacht des Schiff-
bruchs oder andere an die Seele greifende Ereignisse nach-

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GALERIE J. HERBRAND

GEHÄLDE ALTER MEISTER
P A R I S 31 Rue Le Peletier

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