Es ist Zeit, mich dem Westen der Schweiz zuzuwenden. Da y
steht obenan der Doppelband „Le Visage de Rome Chretienne“, er-
schienen in der S. A. D. E. A., anders gesagt, einem katholischen
Propagandaverlag im „protestantischen Rom“, in Genf. Verfasser
sind der vatikanische Gelehrte Cheramy und der jedem Kenner des
andauernden Kulturkampfes (mit umgekehrter Front) geläufige
Goyau. Den Text als Unparteiischer Andern zu würdigen über-
lassend, „kann ich nicht anders“ als anerkennen, daß die Bilder
großartig sind, geistvoll ausgewählt, mit restloser Schlagkraft aus-
geführt, und es sind technisch unerhört schwierige Posen zahl-
reich dabei . . . Bernini hat vorgesorgt.
Prickelnd, daß dieses Werk just in der Calvinstadt erschei-
nen soll. Aber nicht schweizerisch. Schweizerisch durch und durch
ist das neueste Buch des Waadtländer Dichters C. F. Ramuz, der
sich nach und nach auch in deutschen Landen durchzusetzen be-
ginnt, und schweizerisch der Schmuck, den ihm der Verlag „Le
Verseau“ in Lausanne angedeien läßt. Die prächtigen, sauberen
Seiten der Geschichte unterbrechen Gravuren von Henri Bischoff
(aus Rolle in Lausanne): anmutige Winzerinnen, jedes Spielerischen
der Romantik bar, ruhig, wesentlich, wohlig, schlichten Strichs
hingestellt, genau-frei. Auch einige derbere Winzer als Gegensatz
und Höhung. Das wahre „Prinzip des kleinsten Kraftmaßes“ in den
paar Figuren als Inbegriff der Kunst verkörpert.
Ernsten Prunk treibt der Band „Geneve et les Pays-Bas“ von
Guillaume Fatio (Journal de Geneve) entsprechend seinem Zweck,
einen Rückblick auf die alten Bande zwischen Genf und Holland und
ihrer religiös politisch-künstlerischen Auswirkung.
Johannes W i d m e r - Genf.
Dte lÜclt dev Qelebeten.
Qeot?g Jvtinden.
Mit Georg Minden (gest. am 17. Januar 1928) ist ein Ge-
lehrter von uns gegangen, eine Persönlichkeit von großem vielsei-
tigem Wissen und einer der besten Kenner der Kulturgeschichte
Berlins, das seine Heimatstadt war. Und um sein Berlin, dessen
historische und künstlerische Entwicklung er wie kaum ein anderer
in ernster und dabei humorvoller Art zu beschreiben verstand, hatte
er auch Verdienste von besonderem Rang. Denn Geheimrat Direk-
tor Dr. Georg Minden ist nicht bloß einer der stärksten Förderer
der Anthropologischen Gesellschaft gewesen und der Gesellschaft
für Erdkunde, sondern auch des Museums für Völkerkunde und des
Volkstrachtenmuseums, unter dessen Mitbegründern sein Name an
erster Stelle zu lesen ist.
Mit der Kunst und Wissenschaft wird der Name Minden für
immer verknüpft sein. Gemeinsam mit seiner Frau Franka, durch
deren vornehmen Edelmut schon so mancher Künstler vorwärtskam,
hat sich Geheimrat Minden bis in seine letzten Tage — er stand
im 78. Lebensjahre — für die Kunst interessiert. Die Kunst gehörte
zu seinem Lebenselement nicht minder als die Wissenschaft, aus
deren Kreisen bei ihm die besten Namen verkehrt haben. Männer
wie Rudolf Virchow, Felix v. Luschan und Georg Schweinfurth sind
die Freunde des Berliner Hauses Minden gewesen, und wer die
Ehre gehabt hat, mit Schweinfurth von dem Ehepaar Minden zu
sprechen, weiß, wie wohl dem berühmten Forscher die freund-
schaftliche Liebe tat, die ihm Mindens entgegenbrachten. Und daß
neben anderen Männern aus anderen Kreisen der Wissenschaft
auch die Künstler selbst bei Mindens ein- und ausgingen — Schaper,
Ury iund andere waren in ihrer Reihe — das gehörte gleichsam zur
Tradition des einzigartigen Hauses, dessen künstlerische Kultiviert-
heit nicht sobald ihresgleichen findet.
Mit Geheimrat Dr. Georg Minden, dem manches Museum, wie
etwa das Museum für Völkerkunde in Berlin und das Museum für
Volkskunde, manche wichtige Schenk.ung verdankt, haben wir eine
Persönlichkeit von höchsten menschlichen Oualitäten verloren, einen
rastlosen Forscher und Ergründer der Kulturgeschichte Berlins,
einen Mäzen von größter Herzensgüte, einen aufrechten und wahren
Freund der Kunst. Sein Name — und Georg Minden war auch einer
der besten Freunde des „Kunstwanderers“ — wird uns immer
teuer sein.
Meckenem Franziskus
C. G. BOERNER
LEIPZIG / Universitätstr. 261
KUNSTAUKTIONEN
KOSTBARER
ALTER GRAPHIK
I N VORBEREITUNG
FÜR ANFANQ MAI 1928:
Die Versteigerung einer bedeutenden
Privatsammlung von wertvollen
ALTEN KUPFERSTICHEN
des 15. bis 17. Jahrhunderts, sowie von
Höchst seltenen
Frühen italienischen Stichen
des 15. und 16. Jahrhunderts
aus der Kupferstichsammlung
König Friedrich Augustll. zu Dresden
259
steht obenan der Doppelband „Le Visage de Rome Chretienne“, er-
schienen in der S. A. D. E. A., anders gesagt, einem katholischen
Propagandaverlag im „protestantischen Rom“, in Genf. Verfasser
sind der vatikanische Gelehrte Cheramy und der jedem Kenner des
andauernden Kulturkampfes (mit umgekehrter Front) geläufige
Goyau. Den Text als Unparteiischer Andern zu würdigen über-
lassend, „kann ich nicht anders“ als anerkennen, daß die Bilder
großartig sind, geistvoll ausgewählt, mit restloser Schlagkraft aus-
geführt, und es sind technisch unerhört schwierige Posen zahl-
reich dabei . . . Bernini hat vorgesorgt.
Prickelnd, daß dieses Werk just in der Calvinstadt erschei-
nen soll. Aber nicht schweizerisch. Schweizerisch durch und durch
ist das neueste Buch des Waadtländer Dichters C. F. Ramuz, der
sich nach und nach auch in deutschen Landen durchzusetzen be-
ginnt, und schweizerisch der Schmuck, den ihm der Verlag „Le
Verseau“ in Lausanne angedeien läßt. Die prächtigen, sauberen
Seiten der Geschichte unterbrechen Gravuren von Henri Bischoff
(aus Rolle in Lausanne): anmutige Winzerinnen, jedes Spielerischen
der Romantik bar, ruhig, wesentlich, wohlig, schlichten Strichs
hingestellt, genau-frei. Auch einige derbere Winzer als Gegensatz
und Höhung. Das wahre „Prinzip des kleinsten Kraftmaßes“ in den
paar Figuren als Inbegriff der Kunst verkörpert.
Ernsten Prunk treibt der Band „Geneve et les Pays-Bas“ von
Guillaume Fatio (Journal de Geneve) entsprechend seinem Zweck,
einen Rückblick auf die alten Bande zwischen Genf und Holland und
ihrer religiös politisch-künstlerischen Auswirkung.
Johannes W i d m e r - Genf.
Dte lÜclt dev Qelebeten.
Qeot?g Jvtinden.
Mit Georg Minden (gest. am 17. Januar 1928) ist ein Ge-
lehrter von uns gegangen, eine Persönlichkeit von großem vielsei-
tigem Wissen und einer der besten Kenner der Kulturgeschichte
Berlins, das seine Heimatstadt war. Und um sein Berlin, dessen
historische und künstlerische Entwicklung er wie kaum ein anderer
in ernster und dabei humorvoller Art zu beschreiben verstand, hatte
er auch Verdienste von besonderem Rang. Denn Geheimrat Direk-
tor Dr. Georg Minden ist nicht bloß einer der stärksten Förderer
der Anthropologischen Gesellschaft gewesen und der Gesellschaft
für Erdkunde, sondern auch des Museums für Völkerkunde und des
Volkstrachtenmuseums, unter dessen Mitbegründern sein Name an
erster Stelle zu lesen ist.
Mit der Kunst und Wissenschaft wird der Name Minden für
immer verknüpft sein. Gemeinsam mit seiner Frau Franka, durch
deren vornehmen Edelmut schon so mancher Künstler vorwärtskam,
hat sich Geheimrat Minden bis in seine letzten Tage — er stand
im 78. Lebensjahre — für die Kunst interessiert. Die Kunst gehörte
zu seinem Lebenselement nicht minder als die Wissenschaft, aus
deren Kreisen bei ihm die besten Namen verkehrt haben. Männer
wie Rudolf Virchow, Felix v. Luschan und Georg Schweinfurth sind
die Freunde des Berliner Hauses Minden gewesen, und wer die
Ehre gehabt hat, mit Schweinfurth von dem Ehepaar Minden zu
sprechen, weiß, wie wohl dem berühmten Forscher die freund-
schaftliche Liebe tat, die ihm Mindens entgegenbrachten. Und daß
neben anderen Männern aus anderen Kreisen der Wissenschaft
auch die Künstler selbst bei Mindens ein- und ausgingen — Schaper,
Ury iund andere waren in ihrer Reihe — das gehörte gleichsam zur
Tradition des einzigartigen Hauses, dessen künstlerische Kultiviert-
heit nicht sobald ihresgleichen findet.
Mit Geheimrat Dr. Georg Minden, dem manches Museum, wie
etwa das Museum für Völkerkunde in Berlin und das Museum für
Volkskunde, manche wichtige Schenk.ung verdankt, haben wir eine
Persönlichkeit von höchsten menschlichen Oualitäten verloren, einen
rastlosen Forscher und Ergründer der Kulturgeschichte Berlins,
einen Mäzen von größter Herzensgüte, einen aufrechten und wahren
Freund der Kunst. Sein Name — und Georg Minden war auch einer
der besten Freunde des „Kunstwanderers“ — wird uns immer
teuer sein.
Meckenem Franziskus
C. G. BOERNER
LEIPZIG / Universitätstr. 261
KUNSTAUKTIONEN
KOSTBARER
ALTER GRAPHIK
I N VORBEREITUNG
FÜR ANFANQ MAI 1928:
Die Versteigerung einer bedeutenden
Privatsammlung von wertvollen
ALTEN KUPFERSTICHEN
des 15. bis 17. Jahrhunderts, sowie von
Höchst seltenen
Frühen italienischen Stichen
des 15. und 16. Jahrhunderts
aus der Kupferstichsammlung
König Friedrich Augustll. zu Dresden
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