Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0345
DOI Heft:
1./2. Aprilheft
DOI Artikel:Meder, Joseph: Albrecht Dürer als Zeichner
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0345
bild“ zeugen noch wohlerhaltene, in unfaßbarer Pinsel-
technik geschaffenc Teilstudien auf blauen Papierbogen
von seiner Meisterschaft. Im lebendigsten Körpergefühl
fließen die Linien über alle Flächen und peinlich auf-
gesetzte Licliter vermitteln die Plastik. Was Wunder,
wenn schon damals sein Pinsel zur Legende geworden!
Nacli Niirnberg zurückgekehrt, steigcrt er diese
Zeichenweise in den Vorarbeiten zum Helleraltar bis
Folge des Marienlebens, für heilige, allegorische,
mythologische und profane Darstellungen, Jalir um
Jahr. Die „inneren F'iguren“ und Gesichte drängten
aufeinander. Hier galt kein malendes „Kläubeln“ vor
der Staffelei, das den Flug des Geistes gehemmt hättc.
Die Linie allein lebtc sich in der lichten Fläche aus,
immcr suchend, klärend, entsprechend dem Material.
Drei große Themen aber erfiillten sein gläubiges
Dürer
Ritter Tod
und Teufel
Kupferstich
B. 98
Amsler & Ruthardt
in
Berlin
zur höchsteu Vollendung sogar auf grundierten Papie-
ren, die keinerlei Korrekturen gestatten. Und während
die Hand willig dem Modelle folgt, verleiht sein gläu-
biger Sinn dcn Apostelköpfen Andacht und Ergebung
(Wien und Berlin). Der neue große Stil hatte sich hier
durchgesetzt, Form und Inhalt die harmonierende Ein-
lieit erreicht.
Und wieder als ein anderer erscheint Dürer, wcnn
siclt seine Phantasie mit der Feder dichterisch in Ent-
würfen für den Holzstock oder fiir die Kupferplatte aus-
spricht. Entwiirfe ftir das immer wieder in Angriff
genommene Leiden Christi, fiir die lyrisch-epische
Gemiit, durch die er in mächtigen Ansätzen zu seiner
Nation reden wollte: Zunächst in der gährenden Zeit
des erregten Jahrhundert-Endes im Spiegelbilde der
Apokalypse, donnernd und drohend gteich dem
Evangelisten Johannes; nach dieser gliihenden Erup-
tion aber in vier verschiedenen Passionsfolgen
als stetigen Hinweis auf das wahre Evangelium vom
erlösenden Leiden Ghristi; und endlich im Sinne eines
versöhnenden Ausklanges in dem Loblicde auf den
M a r i e n k u 11 u s. Erst 1511 lagen diese Kundgebun-
gen in gänzc in drei großen Biichern fertig vor ihm.
Wie zur weiteren Verherrlichung der Marien-
325
technik geschaffenc Teilstudien auf blauen Papierbogen
von seiner Meisterschaft. Im lebendigsten Körpergefühl
fließen die Linien über alle Flächen und peinlich auf-
gesetzte Licliter vermitteln die Plastik. Was Wunder,
wenn schon damals sein Pinsel zur Legende geworden!
Nacli Niirnberg zurückgekehrt, steigcrt er diese
Zeichenweise in den Vorarbeiten zum Helleraltar bis
Folge des Marienlebens, für heilige, allegorische,
mythologische und profane Darstellungen, Jalir um
Jahr. Die „inneren F'iguren“ und Gesichte drängten
aufeinander. Hier galt kein malendes „Kläubeln“ vor
der Staffelei, das den Flug des Geistes gehemmt hättc.
Die Linie allein lebtc sich in der lichten Fläche aus,
immcr suchend, klärend, entsprechend dem Material.
Drei große Themen aber erfiillten sein gläubiges
Dürer
Ritter Tod
und Teufel
Kupferstich
B. 98
Amsler & Ruthardt
in
Berlin
zur höchsteu Vollendung sogar auf grundierten Papie-
ren, die keinerlei Korrekturen gestatten. Und während
die Hand willig dem Modelle folgt, verleiht sein gläu-
biger Sinn dcn Apostelköpfen Andacht und Ergebung
(Wien und Berlin). Der neue große Stil hatte sich hier
durchgesetzt, Form und Inhalt die harmonierende Ein-
lieit erreicht.
Und wieder als ein anderer erscheint Dürer, wcnn
siclt seine Phantasie mit der Feder dichterisch in Ent-
würfen für den Holzstock oder fiir die Kupferplatte aus-
spricht. Entwiirfe ftir das immer wieder in Angriff
genommene Leiden Christi, fiir die lyrisch-epische
Gemiit, durch die er in mächtigen Ansätzen zu seiner
Nation reden wollte: Zunächst in der gährenden Zeit
des erregten Jahrhundert-Endes im Spiegelbilde der
Apokalypse, donnernd und drohend gteich dem
Evangelisten Johannes; nach dieser gliihenden Erup-
tion aber in vier verschiedenen Passionsfolgen
als stetigen Hinweis auf das wahre Evangelium vom
erlösenden Leiden Ghristi; und endlich im Sinne eines
versöhnenden Ausklanges in dem Loblicde auf den
M a r i e n k u 11 u s. Erst 1511 lagen diese Kundgebun-
gen in gänzc in drei großen Biichern fertig vor ihm.
Wie zur weiteren Verherrlichung der Marien-
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