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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Juniheft
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Voss, Hermann: Amerikanische Eindrücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0443

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gezogen werden könnten, mag durch cinzelne Erlebnisse
in den letzten Jahren eine scheinbare Unterstützung ge-
funden haben, ist aber m. E. doch durchaus irrig. Wa!s
z. B. die Suggestion der großen Künstlernamen betrifft,
so wird eine Ernüchterung auf Grund zahlreicher wohl-
verbrieft und versiegeit über den Ozean geiangten
,,Meisterwerke“ aus den ietzten Jahren sehr bald ein-
treten. Ein deutliches Symptom dafür ist die in den
verflossenen Monaten hauptsächlich in amerikanischen
und englischen Zeitschriften viel diskutierte Frage der
Expertisen, als deren wirklicher Ursprung für den Ein-
geweihten die mit allerhand „Meisterwerken“ und
„Mei'sterexpertisen“ verbundenen unliebsamen Erfah-
rungen der jüngsten Zeit unschwer erkennbar sind. Es
ist zuzugeben, daß die abweiisende Haltung des ameri-
kanischen Sammlers gegenüber guten Bildern unbekann-
ten oder doch nicht „erlauchten“ Ursprunges den euro-
päischen Händlern und ih.ren wissenschaftlichen Bera-
tern es allzu nahe gelegt hat, den wachsenden Konsum
an großen Namen nach besten Kräften zu befriedigen,
aber ein Rückschlag, wie er jetzt einzutreten im Begriffe
steht, ist davon die unausbleibliche Folge.

Uangsam, äber folgerichtig dürfte auch in Amerika
der einzig wirklich entscheidende Gesichtspunkt alles
Sarnmelns, des öffentlichen wie des privaten, nämliicli
das Primat der Qualität rein als solcher, sich durcli-
setzen. Daß dabei die großen Meiister in ihren echten
und bedeutenden Aeußerungen nicht in den Hintergrund
treten werden, ist selbstverständlich. Aber wesentMch
wird sein, daß man es lernt, ein Kunstwerk ohne die
Suggestion eines großen Namens als solches zu werten

und demgemäß nicht mehr Expertisen, sondern Bilder
zu kaufen. Dabe'i wird das Vorurteil, es müsse bei
Ruisdael gerade ein Wasserfall, bei Hobbema eine
Wassermühle usw. sein, von selber sich allmählich ver-
lieren. Worunter das Sammelwesen im den Vereinigten
Staaten ganz besonders leidet, ist das Fe'hlen einer
m i 111 e r e n Sammlerschicht, die, ihrer finanziellen
MögMchkeiten eingedenk, sich davor hütet, den großen
Sammler mit unzulänglichcn M'itteln zu kopieren, son-
dern ihren eigenen Weg verfolgt. In gewissem Grade
handelt es sich dabei übrigens utn ein allgemeines
Symptom unserer Zeit, das jenseits des Ozeians unter
den dortigen soziialen und kultureillen Verhältni'ssen nur
wesentlich schärfer ausgeprägt scheint als bei uns.

So bewundernswert die Zahl wirklicher Meister-
werke im Besitz der leitenden Finanz- und Industrie-
größenin New York, Philadelphia, Chicago usw. erschei-
nen mag, so geschmackvoll und repräsentativ ihre
Sammlungen untergebracht und aufgestellt sind: der
Eindruck des Traditionslosen, noch nicht mit der Kultur
des Landes tiefer Verwachsenen wird den europäischen
Besucher soiange nicht verlassen, als dieses Besitztum
vorwiegend als Ostentation eines ungeheuren Reich-
tums ganz Weniger erscheint. In Ländern mit leben-
digem Kunstgefühl hat der Kunstbesitz und das indivi-
duelie Verhältnis zu ihm notwendigerweise etwas
sowohl persönlich wie sozial Abgestuftes; ich glaube
nicht, daß diejenigen Recht behalten werden, die
Amerika (das doch sonst gern als das Land der unbe-
grenzten Möglichikeiten bezeichnet wird) jede Entwick-
lung nach dieser Richtumg absprechen möchten.

Jos. Pennel
Carnegies works
(Homestead)
Orig.-Radierung

Ausstellung im
Qraphischen Kabinett
Heinrich Trittler
Frankfurt am Main

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