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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:
Uhde-Bernays, Hermann: Ein unbekanntes Selbstbildnis Feuerbachs
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0510

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betrachten, aus welchen sich die schmerzliche Grund-
stimmung seines seelischen Empfindens deutlich er-
kennen läßt. In dieser gleichsam biographischen Auf-
einanderfolge klaffte bisher eine unauffällige Liicke.
Aus der Akademiezeit Feuerbachs in München und aus
seiner Studienzeit in Antwerpen waren Selbstbildnisse
nicht vorhanden, zwischen dem sinnenden Jünglings-
kopf in Diisseldorf und den ganz männlich aufgefaßten
ersten Pariser Studienköpfen konnte kein authentisches
Selbstporträt von Feuerbach eingefiigt werden. Nur
die reizvolle Zeichnung, die aus Lorchen Feuerbachs

dient gemacht hat. In den Besitz von Schmitt waren
alle diese Bilder durch Erbscliaft gekommen, und so
rnüssen vor ihnen alle Zweifel verstummen, die sonst
so dreist vor den wenigen Werken Feuerbachs aufzu-
treten wagen, welche nachträglich ihm zugeschrieben
worden 'sind.

Dieses hier abgebildete Selbstbildnis Feuerbachs,
jetzt im Besitz der Ludwigsgalerie Otto H. Nathan in
Münclien, ist also eine frühe Arbeit. Und dennoch zei-
gen sich die charakteristischen Vorzüge seiner Malerei
namentlich in der strengen, menschlich ergreifenden

Besitz in die Berliner Nationalgaterie gelangte, im Jahre
1848 in München geschaffen (sie ist an der Spitze der
Briefsammlung wiedergegeben), trat hier ergänzend ein.
Ein großes Bildnis, für die Großmutter ausgeführt, ist
verschollen.

Erfreulicherweise ist nunmehr ein kürzlich auf-
gefundenes voll bezeichnetes Selbstbildnis Feuerbachs,
das wohl noch am Ende des Münchner Aufenthaltes von
ihm geschaffen wurde, die unterbrochene Verbindung
herzustellen in der Lage. Mit einigen anderen Werken
aus Feuerbachs Frühzeit liat es sich im Nachlaß des erst
vor wenigen Jahren hochbetagt in Freiburg verstorbe-
nen Gymnasialdirektors Schmitt in Freiburg versteckt
gehalten, der sich aucli durch kleinere Aufsätze und die
Herausgabe von Briefen um Feuerbachs Nachruhm ver-

Auffassung der Persönlichkeit. Zwischen romantischer
Schwärmerei und nazarenischer Askese scheint der
Ausdruck der nachdenklich blickenden Augen, des herbe
verschlossenen Mimdes zu schweben: auffällig ist die
Aehnlichkeit Feuerbachs mit Novalis. Die unerfreulichen
Erfahrungen, die Feuerbachs Münchner Jahre umdüster-
ten, haben hier eine leiderfüllte lebendige Sprache ge-
wonnen. Aus Düsseldorf war Feuerbach ohne den
Willen der Eltern fortgelaufen. Auch aus München nach
Antwerpen stürmte der Ruhelose in rascher Fllucht, und
so wäre die Möglichkeit nicht abzuleugnen, daß dieses
Selbstporträt aus Feuerbachs Münchner Atelier in der
Schellingstraße mit seinen übrigen zurückgelassenen
Habseligkeiten dann zu den Eltern nach Freiburg ge-
schickt wurde.

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