Abb. 1. Markus und seine Nachfolger, Elfenbein
Paris, Louvre
was dazugeflickt worden ist. Trotz dieser günstigen
Situation ist nicht daran zu zweifeln, daß der größte
Teil der Besucher nicht genauer feststellen kann, aus
einem wie gearteten Mikrokosmos die hier gesammelten
Stücke herausgefaillen s'ind, und welchcs die ästhetische
Kategorie, die menschiiche Hbene und die kultur-
geschichtliche Basis ist, zu denen all das in Beziehung
steht. Die heutige magazinartige, nicht auf ästhetische
Wirkung achtende Art der Aufsteilung mag daran mit
Schuld sein. (Wie anders ausdrucksvoll blickte Abt
Abraham aus Bawit, als er, aus seiner Gefangenschaft
im koptischen Glasschrank befreit, irn Alten Museum den
Graf’schen Mumienporträts, auf sich äliein gestellt, kon-
frontiert wurde!) Aber diesc Aufstellung allein kann
die mangelnde direkte Wirkung nicht verschuiden. Diese
Häufung von Kapitellen, Pfeilern, Schranken. Ambofrag-
menten, Wandreliefs wird auch bei einer überlegetien
Anordnung niemals das Ganze, die gewachsene Basilika
ersetzen können, die aile diese Stiicke unendlich viel
schwerer entbehren können äls mittelalterliche Archi-
tckturwerkteile den Dom. Sicherlich l’ieße sich heute
aus der außerordentlichen Sammlung koptischer Stoffe
des Kaiser-Friedrich-Museums einer der interessan-
testen Säle des Hauses machen. Aber wclche Vorstel-
lung hiitte damit der Besuchcr von dcr frühchristlichen
Kunst Aegyptens? Dieses Stückwerk-bleiben-müssen
ist für diese Zeit aber verhängnisvolier als fiir irgendeine
andere, die ästhetisch und menschlich leichter zugänglich
ist. Alle Freunde dcr friihchristlichen Zeit werden des-
halb mißtrauisch prüfen, ob die Naturnotwendigkeit
eines Eindrucks des Fragmentarischen, soweit es
irgend möglich ist, abgeschwächt wird.
Reist man mit solchen Gedanken nach P a r i s , um
die frühchristliche Kunst zu studieren, so wird man zu-
nächst enttäuscht. Würde man dort die Möglichkeit
haben — die natüriich nur auf dem Papier besteht —
alles in wenigen Räurnen gut zusammenordnen, was von
dieser Art in der Stadt zu finden ist, so ergäbe sich ein
ausgezeichnetes (wenn auch natürlicli noch immer frag-
mentiertes) Bild. Denn was in Paris an Werken der
alten Christen vorhanden ist, ist mehr, als man aus
den drei in Betracht kommenden Berliner Museen
(Kaiser - Friedrich - Museum, Kunstgewerbemuseum,
Neues Museum) zusammentragen könnte. Die Behaup-
tung wird manchen überraschen, der den L o u v r e ge-
sehen hat. An Stelle der drei großen (für die Kleinkunst
viel zu mächtigen) zusammenhängenden Säle des
Kaiser-Friedrich-Museums findet man nach langem
Suchen einen kleinen Raum, in dem ein halbes Dutzend
Sarkophage dominieren, die teils original, teils aber
gipsern sind. Außer diesen ebenso bedeutenden wie be-
kannten Särgen — sie zeigen Christus zwischen den
Aposteln, die Himmelfahrt des Elias und das Opfer Abra-
hams, die Magier, die Jünglinge im feurigen Ofen und
den guten Hirten — wird an dieser Stelle eine Reibe
kleinerer Fußbodenmosaiks gezeigt: aus einem
Baptisterium bei Karthago, aus der Basiiika von Rus-
qunia, aus Souk el Abiod und Henchir Msadine, beide in
Tunis. Von einem spezifisch frühchristiichen Geist
spricht nur die Grabverschlußplatte aus Tabarka, die in
der für Nordafrika charakteristischen musivischen
Verzierungsart den „Pelagius in pace“ zeigt, mit zum
Gebet erhobenen Armen, begleitet von gegenständieh
angeordneten Vögeln. Von sehr großem, allerdings mehr
religionsgeschichtlichem Interesse ist dann ein etwa
anderthalb Meter hoher Gedenkstein, den der Pater
Ronzevalle 1924 in Djbrin, in Nordsyrien, gefunden hat.
Er ist nämiich gemäß der griechischen Aufschrift
Abb. 2. Qeschliffene Glassehale. — Paris, Louvre
516
Paris, Louvre
was dazugeflickt worden ist. Trotz dieser günstigen
Situation ist nicht daran zu zweifeln, daß der größte
Teil der Besucher nicht genauer feststellen kann, aus
einem wie gearteten Mikrokosmos die hier gesammelten
Stücke herausgefaillen s'ind, und welchcs die ästhetische
Kategorie, die menschiiche Hbene und die kultur-
geschichtliche Basis ist, zu denen all das in Beziehung
steht. Die heutige magazinartige, nicht auf ästhetische
Wirkung achtende Art der Aufsteilung mag daran mit
Schuld sein. (Wie anders ausdrucksvoll blickte Abt
Abraham aus Bawit, als er, aus seiner Gefangenschaft
im koptischen Glasschrank befreit, irn Alten Museum den
Graf’schen Mumienporträts, auf sich äliein gestellt, kon-
frontiert wurde!) Aber diesc Aufstellung allein kann
die mangelnde direkte Wirkung nicht verschuiden. Diese
Häufung von Kapitellen, Pfeilern, Schranken. Ambofrag-
menten, Wandreliefs wird auch bei einer überlegetien
Anordnung niemals das Ganze, die gewachsene Basilika
ersetzen können, die aile diese Stiicke unendlich viel
schwerer entbehren können äls mittelalterliche Archi-
tckturwerkteile den Dom. Sicherlich l’ieße sich heute
aus der außerordentlichen Sammlung koptischer Stoffe
des Kaiser-Friedrich-Museums einer der interessan-
testen Säle des Hauses machen. Aber wclche Vorstel-
lung hiitte damit der Besuchcr von dcr frühchristlichen
Kunst Aegyptens? Dieses Stückwerk-bleiben-müssen
ist für diese Zeit aber verhängnisvolier als fiir irgendeine
andere, die ästhetisch und menschlich leichter zugänglich
ist. Alle Freunde dcr friihchristlichen Zeit werden des-
halb mißtrauisch prüfen, ob die Naturnotwendigkeit
eines Eindrucks des Fragmentarischen, soweit es
irgend möglich ist, abgeschwächt wird.
Reist man mit solchen Gedanken nach P a r i s , um
die frühchristliche Kunst zu studieren, so wird man zu-
nächst enttäuscht. Würde man dort die Möglichkeit
haben — die natüriich nur auf dem Papier besteht —
alles in wenigen Räurnen gut zusammenordnen, was von
dieser Art in der Stadt zu finden ist, so ergäbe sich ein
ausgezeichnetes (wenn auch natürlicli noch immer frag-
mentiertes) Bild. Denn was in Paris an Werken der
alten Christen vorhanden ist, ist mehr, als man aus
den drei in Betracht kommenden Berliner Museen
(Kaiser - Friedrich - Museum, Kunstgewerbemuseum,
Neues Museum) zusammentragen könnte. Die Behaup-
tung wird manchen überraschen, der den L o u v r e ge-
sehen hat. An Stelle der drei großen (für die Kleinkunst
viel zu mächtigen) zusammenhängenden Säle des
Kaiser-Friedrich-Museums findet man nach langem
Suchen einen kleinen Raum, in dem ein halbes Dutzend
Sarkophage dominieren, die teils original, teils aber
gipsern sind. Außer diesen ebenso bedeutenden wie be-
kannten Särgen — sie zeigen Christus zwischen den
Aposteln, die Himmelfahrt des Elias und das Opfer Abra-
hams, die Magier, die Jünglinge im feurigen Ofen und
den guten Hirten — wird an dieser Stelle eine Reibe
kleinerer Fußbodenmosaiks gezeigt: aus einem
Baptisterium bei Karthago, aus der Basiiika von Rus-
qunia, aus Souk el Abiod und Henchir Msadine, beide in
Tunis. Von einem spezifisch frühchristiichen Geist
spricht nur die Grabverschlußplatte aus Tabarka, die in
der für Nordafrika charakteristischen musivischen
Verzierungsart den „Pelagius in pace“ zeigt, mit zum
Gebet erhobenen Armen, begleitet von gegenständieh
angeordneten Vögeln. Von sehr großem, allerdings mehr
religionsgeschichtlichem Interesse ist dann ein etwa
anderthalb Meter hoher Gedenkstein, den der Pater
Ronzevalle 1924 in Djbrin, in Nordsyrien, gefunden hat.
Er ist nämiich gemäß der griechischen Aufschrift
Abb. 2. Qeschliffene Glassehale. — Paris, Louvre
516