Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Augustheft
DOI article:
Dresdner, Albert: Um Gainsborough: zur Ausstellung bei Thos. Agnew & Sons in London
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0564

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Gainsborough, Anne Duchess of Cumberland

bar; manche Partien, wie das ungemein weich und reicli
gemalte goidgetönte weiße Kleid der Mrs. Viileboiis oder
das Miniaturstilleben der Vorsteckrose der Mrs.
Lowndes-Store, bildeten wahre Augenweiden, von
denen man sich schwer losreißen konnte, und alle Tiere,
beispielsweise die Hunde auf dem Doppeibiidnisse der
'iochter des Künstlers und auf dem Porträt von Lord
Vernon, sind hinreißend gemalt. Kurz, es war da die
ganze echte Gainsborough-Atmosphäre; die vollendete
Malkultur, der feine schwebende Siiberglanz, der die
Farbe durchzittert, die Anmut, Heiterkeit und Leichtig-
ke'it der Fiächeubehandlung, die bezaubernde Verbin-
dung vollendeter geseiischaftlicher Vornehmheit mit
einem Anhauche frischer Natürlichkeit aus dem Leben in
Park und Garten — und dahinter imrner die liebens-
würdige Persöniichkeit eines Künstiers, dessen Schaffen
mehr Genuß als Arbeit zu sein scheint.

Und dennoch! Je melir Gainsboroughs man sielit
und je eindringender man sich mit ihm beschäftigt, um so
lauter meidet sich dies Dennoch: das ist meine
Erfahrung.

Es ist anerkannt, daß Gainsboroughs Kunst in der
Darstellung der Frau ihren Schwerpunkt hat. Er war
eine Natur mit weibiichen Zügen: zartbesaitet, sensibel,
impulsiv, ungieich. Männiiche Charaktere, männliche
Kraft und Wiirde lagen ihm nicht günstig; seine Männer-

bildnisse haben fast ausnahmslos einen weichen Zug.
Man kann als den Kern seiner Leistung mit einer kur-
zen Formel die Aesthetisierung der englischen Frau be-
zeichnen. Dabei ging er von van Dyck aus,, dessen Vor-
biid ihn immer begieitet hat; wenn er auf dem Toten-
bette Reynotds versicherte, sie würden beide in den
Himmel kommeri und van Dyck werde auch von der
Geseilschaft sein, so hat er eine Art von künstllerischein
Glaubensbekenntnis abgeiegt. Reynolds war mit der
Nationalisierung des van Dyck-Typus vorausgegangen,
Gainsborough hat sie vollendet, indem er ihn erit-
schlossen und einseitig aufs Aesthetische hin stiiisierte.
Schon gegen ein Frauenporträt von Reynolds konnte von
einer Zeitgenossin das Bedenken gelterrd gemacht wer-
den, die dargesteiite Schöne habe doch auch Tennis ge-
spielt und Beefsteak gegessen. Bei Gainsborough sind
alle Ziige der Frau ausgeiösclit bis auf ihren vollendeten
und eigentümlichen weiblichen Liebreliz. Er war dariri
ein echtes Kind des Rokokogeistes, daß er schiechthin
in jeder Frau eiue Schönheit, und zwar eine Schönheit
in ihrer giückiichsten Biüte, sah; er war der Mehrzalii
der frauzösischen Frauenmaier des Rokokos darin über-
legen, daß er ihre oft derbe und laute Sinnlichkeit sehr
verfeinerte und nur noch wie einen zarten „fiavour“ in
die Darstellung gab. Frauengesichter, die das Leben

Gainsborough, Lord Vernon

538
 
Annotationen