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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 1
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Potier, Othmar: Die Rüstkammer der Stadt Emden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0030

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i6

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Rand.

Gemarkung der jungen Gemeinde umlauerten. Mit
neidvollem Auge sah der arme Landadel auf den
sich mehrenden Wohlstand der Pfeffersäcke, deren
Wein er zwar eifrig und mit Sachkenntnis zusprach,
deren Töchter er gern im Tanze schwenkte, wenn
er auch seihen bürgerlichen Gastfreund im stillen
verachtete und nur nach einer Gelegenheit spähte,
um ihm eins am Zeuge zu flicken, sei es, dass er
ihm auf der Landstrasse einen Frachtwagen über-
rannte und es sich so aus des Kaufherrn Tasche
wohl sein liess, sei es, dass er einen Handlungs-
diener auf seine Burg entführte, um Lösegeld zu
erpressen. Neben diesen kleinen Flackern hatte
aber auch die Stadt am Hofe des Landesherrn in.
der Regel wenig Freunde. Der ewigen Geldnot
des Fürsten konnten nur die Ratmarinen der wohl-
habenden Stadt steuern, welche dafür wertvolle
Gerechtsame eintauschte oder verpfändet erhielt.
Dieses Abhängigkeitsverhältnis von dem Wohl-
wollen der Bürger musste natürlich dem Fürsten
bald unbequem werden, weil es ihn immer daran
mahnte, auf einer wie schwankenden Grundlage
seine ganze Herrlichkeit eigentlich beruhe und so
ist es begreiflich; dass man am Hofe begierig jeden
Vorwand aufgriff, um der stolzen Stadt einmal
zu beweisen, wer eigentlich der Herr im Lande sei.
Die allgemeine Rechtsunsicherheit also, die Er-
kenntnis, dass papierene Abmachungen nur dann
einen praktischen Wert besässen, wenn eine eisen-
bewehrte Faust über sie wache, begründete die
allgemeine Wehrpflicht für den Städter.
Ursprünglich hatte der Bürger jederzeit «zum
Wenigsten auf ain halb Jar profiantirt, und mit
aignen nützlichen gueten Rüstungen und Whören»
versehen zu sein, welche Bestimmung in den mei-
sten Stadtordnungen wiederkehrt. Durch zeitweise
abgehaltene Waffenappelle überzeugte sich auch
ein vorsichtiger Rat von der Brauchbarkeit des
Waffenvorrates in den Bürgerhäusern. Damit allein
aber begnügte sich ein wohlweiser Magistrat nicht.
Er setzte voraus, dass nicht ein jeder Bürger mit
den vorgeschriebenen Waffen versehen, dass diese
nicht jederzeit in einem brauchbaren Zustande sein
werden. Darum schritt man frühzeitig zur Errich-
tung von städtischen Zeughäusern, welchen eigent-
lich die Bedeutung eines Waffenaushi.lfs?
depots innewohnte. Aus diesen Arsenalen wurden
im Bedarfsfälle den Bürgersoldaten entweder Waffen
umsonst, oder gegen ein-billiges Entgelt ausgefolgt.
In den Städten ruhte seit der Demokratisie-
rung der städtischen Verwaltungen vom i4- Jahr-
hunderte an das Schwergewicht der Wehrkraft auf
den Zünften: Wer ein Handwerk trieb, der eilte,
sobald die Notglocke gellte, mit seinen Gesellen
in Wehr und Waffen auf den Sammelplatz seines
Viertels oder seiner Gilde und von da aus unter
dem Befehle des Viertelsmeisters, beziehungsweise
des Zunftmeisters zum Stadtthore, oder auf die
Wälle hinauf.

Mit der Ausgestaltung des Erwerbslebens em-
pfand jedoch die Bürgermiliz diese persönliche
Wehrpflicht als eine drückende Unbequemlichkeit,
und immer lebhafter wurde das Streben, diese lä-
stige Pflicht auf die Schultern anderer zu über-
wälzen. Erst suchten sich die Reichen, dann alle
Angesehenen von der Pflicht, die Stadt persönlich
zu verteidigen, loszuschrauben. Sehr förderlich war
diesem Verlangen der Umstand, dass mit dem Auf-
kommen der Landsknechtheere das Kriegshand-
werk zunftmässig betrieben wurde, dass die Kriegs-
kunst höhere Anforderungen als früher an die Schu-
lung, die Ausdauer des Kriegers stellte, denen der
Bürgersoldat vermöge seines Lebensberufes natür-
lich nicht gewachsen sein konnte. Die reiche Stadt
musste jetzt für das gemeine Beste nur mit ihrem
Gute einstehen; das Blut wagten für die Bürger
willig andere. Lim Zulauf brauchte man niemals
besorgt zu sein:
Wenn man ein Anschlag übersummet
Bei Nacht, bei Tag, bei kalt, bei warm,
Und auf einer Pauken vorauf brummet,
So flog hervor ein solcher Schwarm,
Achttausend Mann in einer Stund’
Mit Büchsen, Armbrust, Spiess und
Schwert . . .3)
Erfahrene Kriegsleute legten grossen Wert
darauf, dass in der Stadt stets ein Häuflein von
Berufssoldaten vorhanden sei, und zwar aus dreierlei
Gründen : «Der erste ist, wenn man vor einer Stadt
liegt und hinein schiesst, so ist die Bürgerschaft
weichherzig und sehen, dass ihre Weiber und Kin-
der erschrecken vor dem gräulichen Schiessen, so
begehren sie einen Vertrag, er sei löblich oder
unlöblich. Die andere Ursache ist, dass man Leute
haben soll zu solchen Nöten, die sich in Kriegs-
läufen etwas gebraucht und erfahren haben, und
mit solchen Dingen wissen umzugehen. Die dritte
Ursache ist, so man geschickt Volk in der Stadt
hat, so ziehen sie etwa vor die Stadt und schädigen
das Heer.» 4)
Der nun zum Handwerker gewordene Soldat
brachte natürlich nach dem Gebrauche der Zunft
sein. Handwerkszeug, also seine Waffen, mit, an
deren gutem Zustande er das höchste Interesse
hatte, weil man nur Leute mit brauchbarem Werk-
zeuge anwarb. Wer mit minderwertigen Waffen
sich dem Werbetische nahte, der konnte sicher
sein, dass der Muste'rherr ihm die Anwerbung und
damit natürlich die Ausbezahlung des Handgeldes
verweigern würde. Auf das Handgeld aber kam
es dem gartenden Knechte vor allem an, welcher
gewiss nicht Zeit und Kosten an eine Reise wagte,
über deren Ergebnis er, der ja mit dem Brauche
vertraut war, sich selbst keinerlei Täuschung hin-
geben konnte.
3) G. Liebe, Der Solddt in der Deutschen Vergangenheit
Leipzig, 1899.
4) Derselbe.
 
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