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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 12
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Diener von Schönberg, Alfons: Knebel an Jagdblankwaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0361

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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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Knebel an Jagdblankwaffen.1
Von Alfons Diener-Schönberg.

dangt man auf dem
Rundgange durch
eine Waffensamm-
lung zu dem Rau-
me, in dem die
Jagdwaffen Auf-
stellung gefunden
haben, so fällt dem
Beschauer an den
Jagdspiessen so-
fort eine charak-
teristische Zutat auf, die sie von den im Kampfe
geführten Spiessen unterscheidet: Der Knebel, ein
unterhalb der Klinge angebrachtes, 6—18 cm langes
Stück Eisen oder Bein, das an der Waffe entweder
starr (als ein Teil des Eisens) oder beweglich
(durch einen Ring oder Riemen) befestigt ist.
Betrachten wir zunächst einmal die ganze Waffe.
Je nach der Jagdart, zu welcher sie verwendet
wurde, nennt man hie Schweins- und Bärenspiess.
Die beiden Arten unterscheiden sich aber in der
Form durch nichts, sondern lediglich durch ver-
schiedene Stärke, so dass sie in der Folge gemeinsam
behandelt werden können. Was für den einen gilt,
gilt auch für den andern. — Der Schweinsspiess —
auch Saufeder und Fangeisen genannt, was aber
durchaus nicht die allein ,,gerechten“ Bezeichnungen
dafür sind — hat eine durchschnittliche Fänge von
etwa 2 Metern und besteht aus zwei Hauptteilen
Dem Eisen und dem Schafte. Das Eisen ist vorn
zu der blattförmigen, flachen und also zweischneidigen
Klinge ausgeschmiedet, die in ihrer Mitte oft einen
niedrigen Grad zeigt, während es hinten zu einer
Tülle gestaltet ist, in die der Schaft eingesteckt
und durch vernietete Querstifte befestigt wird.
Sehr oft laufen von der Tülle aus auch noch lange,
schmale Eisenbänder, die sogen. Federn, zu beiden
Seiten des Schaftes entlang, in den sie eingelassen
und mit starken Nägeln befestigt sind, — eine Art
der Verbindung, die dem Ganzen einen besonders
hohen Grad von Festigkeit giebt. — Der Schaft
besteht aus zähem, sehr festem Holze, das nicht
aus einem grösseren Stück^eschnitten, sondern ge-
wachsen sein muss, d. fi. jeder Schaft stellt also
ein Baumstämmchen dar. Besondere Festigkeit
rühmte man den Schäften nach, bei welchen ^.ie'
fasern des Holzes nicht geradeaus laufen, sondern
sich gleichsam schraubenförmig um die ,,Seele“ des
Stämmchens nach der Spitze zu winden. Um ein
Ausgleiten der Hand an dem glätten Schafte zu
verhindern, ist er meistens gitterartig oder spiral-

i) Erweiterte Ausfühiung eines Berichtes im Dresdner
Waffengeschichtlichen Seminar.

förmig mit schmalen Federriemen umwunden, die
mit' kleinen, oft aus Bronze und Messing gefertigten
und zierlich geschmückten Nägeln befestigt sind.
(Abb. ii.) Diese Riemenumwickelung hatte gleich-
zeitig den Vorteil, dass sich die Schäfte, wenn sie
einmal nass wurden, nicht krumm zogen oder
„warfen“. Manchmal ist unter den Riemen der
Schaft auch noch mit dunkler Feinwand überzogen.
- Eine andere Art, der Hand festen Halt zu geben,
ist die natürliche Buckelung des Schaftes (Abb. 13),
die man bekanntlich dadurch erzielte, dass man in
das später zu einem Schafte bestimmte grüne
Stämmchen kleine Einschnitte nach einem beliebigen
Muster anbrachte. Beim Weiterwachsen des Stammes
traten an der Stelle der Einschnitte kleine Er-
hebungen oder Buckel hervor, die dann am Schafte
denselben Zweck erfüllten, wie sonst die Nägel-
köpfe, und dabei den Vorzug hatten,, dass sie nie
verloren gehen konnten. — Auch mit Fischhaut
hat man die Schäfte überzogen, die kostbarste Art
aber, dem Schafte die nötige Rauheit zu geben,
ist unstreitig die, ihn durchweg mit Platten von
Hirschhorn zu belegen. Unsere Abb. 9 zeigt ein
solches Exemplar aus der Dresdner Gewehrgalerie.
Die Arbeit ist so fein ausgeführt, dass man nur
bei ganz scharfer Betrachtung des Originals einige
Stellen entdeckt, an denen die einzelnen Platten
aneinandergefügt sind. — Mit dem Schafte unter
die Tülle geschoben oder dicht unter dieser um
den Schaft genagelt finden sich manchmal Fransen
und Quasten, die uns hier aber weniger interessieren,
da sie nur dekoratives Beiwerk sind und oft le-
diglich dazu dienten, die Wappenfarben des Besitzers
zur Anschauung zu bringen. Dagegen kommen
wir jetzt zu dem eigentlichen Gegenstände unserer
Untersuchung: dem Knebel, der an der Tülle oder
- seltener! — der Klinge selbst angebracht ist.
Sammeln wir zunächst einmal Material, um einen
vollkommenen Überblick über den Knebel in allen
seinen Formen zu gewinnen. Bei der Auswahl des-
selben ist es ratsam, vorsichtig zu Werke zu gehen,
denn was in einzelnen Sammlungen und Büchern
als „Sauspiess“ figuriert — Stabschwerter, Biden-
liänder (!), Partisanen usw. — ist erstaunlich. Es
scheint fast, als habe man vielfach die Regel auf-
gestellt:
„Was man nicht definieren kann,
Sieht man als Jägerwaffe an.“
Ich freilich hatte den Vorzug, die reichen, zu-
verlässigen Bestände des Historischen Museums in
Dresden zu meinen Studien benutzen zu dürfen,
dem unsere Abbildungen Nr. 3 bis 7 und 9 bis 17
entstammen. Den Herren Dr. Koetschau und
Dr. Hänel sei darum gleich an dieser Stelle herz-
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