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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 3
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Liebe, Georg: Vermögensstand und Ausrüstung in den Städten des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0086

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70

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

Vermögensstand und Ausrüstung in den Städten
des Mittelalters.


Von G. Liebe.

as dem modernen Heere
sein Gepräge giebt, ist
die Gleichmässigkeit
der Ausbildung, die in
der gleichförmigen Be-
kleidung und Aus-
rüstung ihr Abbild
findet. Ist die erstere
nicht vor Ende des 17. Jahrhunderts zur' Herr-
schaft gelangt, so brachten es der Einfluss der
Landsknechtstaktik und die vielfach in den Händen
der Kriegsherren ruhende Waffenlieferung dahin,
dass schon während des 16. bestimmte Waffenstücke
bei der Musterung als unerlässlich galten. Hingegen
war im Mittelalter die Zusammensetzung auch klein-
ster taktischer Verbände aus verschiedenen Waffen-
gattungen die Regel; es sei nur an die Rittergleve
erinnert und an die Verbindung von Spiessen und
Helmbarten in den Schweizer Harsten. Die Ur-
sache dieser Verschiedenheit war die wachsende
Differenzierung der ökonomischen Verhältnisse,
deren Einfluss infolge der Selbstbewaffnung bestim-
mend war. Frühzeitig bildete sich daher das Be-
streben der staatlichen Gewalt, die militärische
Leistungsfähigkeit zur finanziellen in ein bestimmtes
Verhältnis zu setzen. Das klassische Beispiel dafür
ist die von Servius Tullius in Rom eingeführte
Heeres- und Steuerverfassung, die das Volk in fünf
Klassen einteilte, verschieden nach der Schwere
der Rüstung, aber in derselben Schlachtordnung
kämpfend. Auf germanischem Boden tritt uns das
Prinzip in den Statuten Heinrichs II. von England
1181 und seinen Erneuerungen bis ins 14. Jahr-
hundert entgegen, wonach die nicht lehnspflichtigen
Freien nach ihrem Vermögen in verschiedene Be-
waffnungsklassen eingeteilt werden.1) Ähnliche
Massregeln wird der Druck der Verhältnisse über-
all hervorgerufen haben. Bei den Eidgenossen ist
gelegentlich die Neigung zu bemerken, lieber mit
der Helmbarte als dem Spiess zu dienen, weil der
letztere die Kosten für die Schutzrüstung bedingte;
die praktische Folgerung war der Doppelsold für
diejenigen Landsknechte, welche in den vorderen
Reihen gerüstet den ersten Stoss aushielten. Die
Ritterwaffen waren zwar als Standesabzeichen gleich-
förmig, aber die Gleve umschloss neben dem ritter-
mässig Gewappneten auch sein weniger vollständig
gerüstetes Gefolge.

*) Köhler, Kriegswesen der Ritterzeit. S. 109.

Die eingehendste Durchbildung musste der
Grundsatz klassenweiser Bemessung der Aus-
rüstungspflicht in den Städten erfahren. Hier er-
hielt einerseits der überall zurückgedrängte Ge-
danke der allgemeinen Wehrpflicht neues Leben,
andererseits war hier auf kleinstem Raume die Ver-
schiedenheit der wirtschaftlichen Lage am grössten
und zum ersten Male wurde Recht und Pflicht der
Bewaffnung unabhängig vom Grundbesitz ange-
sprochen. Als auf ihm beruhende Verpflichtung
erhielt sich nur der Rossdienst des Patriziats., Als
1310 zu Erfurt unter dem Drängen äusserer Feinde
die entsprechende Demokratisierung der Verfassung
stattfand, da verlangte die Gemeinde vom Rate,
dass er jeden nach seinem Vermögen zur Stellung
eines Rosses oder Kleppers anhalten solle, weil da-
mals der Rossdienst die Grundlage auch des städti-
schen Kriegsdienstes war. Je mehr aber im Laufe
des vierzehnten Jahrhunderts die Zünfte an politi-
scher und militärischer Bedeutung Zunahmen, desto
mehr war man bedacht, die Verpflichtung zum
Rossdienst genau abzugrenzen. 1372 wurde zu
Bremen festgesetzt, dass jeder Ratmann im Eide
ein Pferd von fünf Mark Wert halten solle. Ge-
wöhnlich war ein Vermögenscensus bestimmend,
der in Strassburg am sorgfältigsten durchgeführt
war. Hier musste nach der Verfügung von 1395
von einem Vermögen von 800 Pfund an ein Pferd
gestellt werden, dessen Wert 1 Prozent des Ver-
mögens betrug. Anderswo begnügte man sich mit
einer allgemeinen Vermögensgrenze, die in Dort-
mund 1361 2000 Mark betrug, in Soest 1363 durch
einen Schoss von 6 Mark bezeichnet wurde. Ge-
schickt wusste man die Eitelkeit in den Dienst des
Gemeinwohls zu stellen, wenn man in Braunschweig
1409 verordnete, dass der Bürger, der Geschmeide
auf den Kleidern oder dessen Frau einen Rock
über vier Mark wert trägt, ein Pferd von fünf
Mark Wert halten müsse.2)
Mit Zahl und Bedeutung der Geschlechter
nahm auch die der von den Städten selbst gestellten
Reiterei ab; der Bedarf wurde mehr und mehr
durch Dienstverträge mit dem Kleinadel gedeckt.
Eine achtunggebietende Stellung dagegen errang
sich das von der handel- und gewerbetreibenden Be-
völkerung gestellte Fussvolk; umsomehr waren die
2) Bremer Urkundenbuch v. Ehmck und von Bippen,
Nr. 430; Schilter-Königshofen S. 1080; Rübel, Urk.-B- von
Dortmund I, S. 554; Seiberts Urk.-B. z. Geschichte Westfalens
II, S. 491; Hänselmann, Urk.-B. d. Stadt Braunschweig S. 138 f.
 
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