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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 8
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Litteratur
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Vereins Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0254

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238

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.


Sir Ralph Payne-Gallwey, Bt. The crossbow, me-
diaeval and modern, military and sporting. Its construction,
history and management, with a treatise on the Balista and
Catapult of the ancients. 220 illustrations. Longmans, Green
and Co. London 1903.
Wenn der Verfasser dieser, mit echt englischer Vornehm-
heit in Papier und Druck ausgestatteten Monographie über
die Armbrust auch in seinem Vorwort mit Recht feststellt,
dass diese eigenartige Fernwaffe eine selbständige Würdigung
in der Litteratur noch nicht erfahren habe, so wird das Urteil
doppelt bedauerlich: auch seine Bemühungen haben noch
nicht zu einem Erfolg geführt, der als eine abschliessende Be-
handlung des Themas bezeichnet werden kann. Das Werk
trägt in seiner ganzen Anlage die Kennzeichen einer Arbeits-
weise, die in erster Linie von der Waffe als einem technisch-
praktischen Erzeugnis, einem Instrument ausgeht. Der Ver-
fasser ist Sammler und Konstrukteur; die Abbildungen sind
hauptsächlich nach Stücken seiner eigenen Sammlung ange-
fertigt. So erklärt es sich, dass der 2. Hauptteil des Werkes,
Konstruktion und Handhabung der mittelalterlichen Armbrust,
nicht nur den grössten Raum ausfüllt, sondern unserer bis-
herigen Kenntnis des Gegenstandes die wertvollsten Erweite-
rungen schafft. Er schildert hier zuerst die primitive Form
des Flornbogens, der mit der Hand, und des aus Holz oder
PIolz und Horn gearbeiteten Bogens, der mit dem Gürtelhaken
oder der am Gürtel befestigten Schnur und Rolle gespannt
wurde. Die Verankerung des Bogens, die Lage des Bolzens
werden durch eingehende schriftliche und bildliche Darstellun-
gen erläutert. Noch ausführlicher gehen die Kapitel vor, die
den Spannmechanismen (Schraube und Flandgriff, Geissfuss,
englische und deutsche Winde, Säulenhebel, Wippe) gewidmet
sind. Wer die Absicht hat, eine halbe Rüstung im Typus
der „von etwa 1370 — 1490 zur Jagd gebrauchten“ zu rekon-
struieren, wird in den Kapiteln 19 bis 28 auch nicht das ge-
ringste Detail der mechanischen Flerstellung vermissen. Manche
dieser Erörterungen freilich werden durch die äusserst sorg-
fältig gezeichneten Bilder überflüssig gemacht; indes mag
man solche Weitschweifigkeiten wohl dem Enthusiasmus des
„Bastlers“ zu gute halten, der sich stets auf eine lange Reihe
wohl oft recht geduldiger und kostspieliger praktischer Ver-
suche berufen kann. Ein längeres Kapitel gilt weiter der
spanischen Armbrust des 16. und 17. Jahrhunderts, wobei die
„Arte de Ballesteria v Monteria“ des Alonzo Martinez del j
Espinar, 1644, ausgiebig citiert, über den Gebrauch bei der
Jagd und besonders über die Verwendung giftiger Bolzen
wertvollen Aufschluss giebt. Den Schluss dieses Abschnittes
bilden die Kapitel über die Ballestern mit verbessertem Ab-
zugmechanismus. Im 3. Llauptteil werden die Arten der Ver-
wendung, die der Armbrust für rein sportliche Zwecke heute
noch in England, Belgien und Deutschland geblieben sind, j
beschrieben. Auch diese Kapitel lesen sich, als ob ein Büchsen-
meister, nicht ein Historiker sie geschrieben habe. Die Kon-
struktion steht durchaus im Mittelpunkt der Darlegungen, die j
geschichtliche Entwicklung des Schützenwesens wird, unter oft
recht oberflächlicher Benutzung der Quellen, nur eben ge-
streift. Freilich füllt Delaunay, dem auch verschiedene Ab-
bildungen entnommen sind, hier die grössten Lücken aus.
Bei der Beschreibung des Dresdner Vogelschiessens wird irr-
tümlich die Ballester mit Wippenspannung als Hauptschiess-
zeug genannt. Die Angaben über Grösse und Entfernung des
Vogels (im Einzelnen verschiedentlich ungenau) hätten dem
Verfasser lehren müssen, dass hier allein die halbe mit der J
Winde gespannte Rüstung in Frage kommen kann. Am in-

teressantesten bleibt das Schlusskapitel über die chinesische
Repetierarmbrust (vergl. Jähns, Entwicklungsgeschichte der
alten Trutzwaffen, S. 333). Ein Versuch, diese Waffe historisch
auf ihren Ursprung zurückzuführen, wird allerdings nicht ge-
macht. Auch das Kapitel über das Pfeilschleudern in York-
shire bleibt aus diesem Grunde unbefriedigend.
Über den Rest des Werkes können wir uns kurz fassen.
Was der Verf. im 1. Teil eine Geschichte der Armbrust nennt,
ist im Grunde nichts als eine Kompilation von Quellen, die
weder als Ganzes in einen inneren Zusammenhang gebracht
noch im Einzelnen genauer kritischer Sonderung unterwarfen
ist. Membra disjecta jeder Art, Citate, Angaben über persön-
liche Versuche, Masse und Tragweiten, historische Exkurse
über einzelne Überlieferungen (z. B. den englischer) Bericht
von 1795 über das türkische Bogenschiessen) lösen einander
ab; von einer klaren Gliederung des Stoffes kantj nicht ge-
sprochen werden. So ist eine Orientierung auch durch die
Fülle der Kapitel sehr erschwert, und Wiederholungen, sind
bei dieser Art der Bearbeitung unausbleiblich. Was man
wohl im Beginn erwarten möchte, eine Auseinandersetzung
mit der vorhandenen Litteratur bei Jähns, IJöheim (auch in
dem Aufsatz dieser Zeitschrift I, 133, 161), Qoltman Clephan,
wird nicht einmal versucht. Und die künstlerische Seite der
Waffe, von der im Vorwort gesprochen wird, erfährt leider
in dem Buche selbst gar keine weitere Ijjrwähnung.
So kann auch der 4. Teil, der cjie antiken und mittel-
alterlichen Belagerungsmaschinen (Katapult, Balista und Tre-
buchet) behandelt, keinen Anspruch darauf machen, als eine
wirklich erschöpfende Darstellung dieser schwierigen Materie
bezeichnet zu werden. Was Max Jähns (Handbuch einer Ge-
schichte des Kriegswesens S. 634 ff.) hierüber giebt, wiegt
zehnfach schwerer als diese 70 Seiten. So hoch auch des Ver-
fassers praktische Erfahrung Im Rekonstruieren eingeschätzt
werden darf, so wenig wird man gerade hier auf eine gründ-
liche Untersuchung der oft sehr schwer verständlichen Schrift-
quellen verzichten können, Der Dank für die ausgezeichneten
Abbildungen überhebt uijs nicht des Vorwurfes, dass auch an
dieser Stelle, verlangt man mehr als eine Aneinanderreihung
von Zitaten, ein grosser Aufschwand schmählich verthan sei.
Das Wort „Dilettantismus“, das schon lange zwischen
den Zeilen unseres Urteils lauert, kann, am Schluss dieser
Darlegungen, nicht unausgesprochen bleiben. Das äusserlich
so prächtige, rrj.it so viel offenkundigem Fleiss und warmer
Liebe zum Gegenstand unternommene Werk wird als techni-
scher Berater stets am Platze sein; die Waffenkunde, eine
historische Wissenschaft, die der Waffe als einem Kulturfaktor
gerecht zu werden strebt, kann ihm nur einen Platz in dem
Vorhof ihres geistigen Arsenals zubilligen. Haenel.


Bericht über die 5. Hauptversammlung des
Vereins für historische Waffenkunde in Zürich,
29. Juni bis 2. Juli 1904.
Am 29. Juni abends fand die Begrüssung der von aus-
wärts erschienenen Mitglieder durch die Schweizer Mitglieder
in der Tonhalle statt.
Vorstandssitzung am 30. Juni 1904.
Anwesend: Generalleutnant v. Usedom, Major a. D.
v. Ehrenthal, Oberst a. D. Thierbach, R. Coltman-Clephan,
Dr. F. Weinitz, Dr. Wegcli als Protokollführer. Der 2. Schrift-
 
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