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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 9
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [20]
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0287

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9. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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so, dass sie ihn nicht anrühren und schlage „wol-
geberten“ Leim dazu, der mit porrx, mit Viol,
mit Salz und mit Pupillensaft wol gebert ist, und
stoss dann viele Steine in Grösse der Eier hinein,
dass die Büchse voll werde, und mache sie mit
dem obigen Leim zu und schlag alles mit einem
Treiber fest aufeinander.“
Ähnlich war das Igel-Schiessen. „Einen Igel zu
schiessen, lade die Büchse stark mit einem Klotz
und lass dir ein Eisenblech vor dem Klotz machen,
von gleicher Breite mit ihm; dann nimm so viele
Eisenstücke, als du verschiessen willst und lade
sie hart an das Blech, das vor dem Klotze ist.“

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Fig. 103. Hagelschuss nach Cod. 51 der kunsth. Sammlung
des Äh. Kaiserhauses zu Wien.


Nach einer Angabe des Codex Nr. 52 der
kunsth. Sammlung des Ah. Kaiserhauses zu Wien
wurde zum ,,Ygel“-Schiessen ein irdener oder
eiserner „chnoph“ verwendet, welcher mit trägem
Pulver und „eisernen Schiffern“ gefüllt war.
Man konnte demnach aus jeder Steinbüchse
einen „Hagel“ oder „Igel“ schiessen; die Steine
oder die Eisenstücke wurden später in einen Sack
eingenäht zum Laden vorbereitet; noch später
wurde der Sack durch eine Blechhülse ersetzt, bis
endlich die Kartätsche als Artillerie-Geschoss entstand.
Der „Ygel“ oder „Hagelschuss“ waren dem-
nach eine Geschossart, die „Orgel“ eine Feuerwaffe
von bestimmter Konstruktion.

An dieser Unterscheidung hat man noch im
16. Jahrhundert festgehalten und nur im über-
tragenen Sinne die Orgel, weil die vielen Geschosse
ähnlich wie beim Hagelschuss gestreut wurden,
auch Hagel-Geschütz genannt.
Lienhard Frönsperger schreibt in dem Werke:
„Vom Geschütz und Feuerwerk“ wie folgt:
„Noch ist ein Geschlecht des Geschütz, das
man auch auf der Achs führt und scheust, das
nennt man Orgel-Geschütz, umb desswillen, die-
weil es viel Rohr- und Nachbüchsen hat, zugleich
wie eine Orgel viel Pfeiffen hat, man nennts auch
Geschrey-Geschütz, der Ursach, das es viel Schuss
thut, nachdem es viel Rohr hat, dieselbigen Schuss
zerstreut es hin und her, so nennt mans auch Hagel-
Geschütz, dieweil es viel Kugel scheusset, wie ein
Hagel viel Stein wirft.“
Das wiederholt citierte Nürnberger Inventar aus
der Zeit 1449 — 1462 enthält die genaue Bezeichnung
„Orgel“ für mehrläufige Feuerwaffen, bei welchen
die Läufe in zwei oder mehreren Reihen auf ein
fahrbares Untergestell aufgesetzt wurden. „2 Streit-
karren, die Orgel genannt, auf dem einen Karren
29 Bleibüchsen mit dem d und c, auf dem andern
27; die Büchsen mit d schossen Kugeln 2 Loth
und V2 Quintlein schwer, die mit e schossen 1 Loth
und 1 Quintlein.“
Nach der angegebenen Bezeichnung waren die
Läufe teils von der Grösse kleinerer Hakenbüchsen,
teils von der Grösse „simbel“ Handbüchsen.
Hatte man mit den mehrläufigen Feuerwaffen
eine erhöhte Feuerkraft für den Moment der Gefahr
angestrebt, so war diese, die sichere Funktionie-
rung der Entzündnugsvorrichtung vorausgesetzt, in
den nach handschriftlichen Abbildungen vorgeführ-
ten Konstruktionen offenbar erreicht worden.



Zur Geschichte der Windbüchse. Von F. M.
Feldhaus, Ingenieur in Heidelberg. Obschon die Wind-
büchse wohl nur in den Freiheitskämpfen der Tiroler
gegen Napoleon I. ehre Rolle im Kriege gespielt hat,
dürfte ihre Geschichte hier interessieren.
Was ich von ihrer Geschichte weiss, will ich hier
Zusammentragen. Viel ist’s nicht gerade. Ich fand das
Material bei den Arbeiten zur 2. Auflage meines „Lexikons
der Erfindungen“.1)

’) 1. Aufl. Heidelberg 1903, Karl Winter’s Universitäts-
buchhandlung.

Meist liest man, die Windbüchse sei 1430 von Gester
oder Guter in Nürnberg oder 1560 von Hans Lob-
singer aus Nürnberg erfunden worden.
Den Guter nennt anscheinend zuerst J. C. Voll-
beding’s Archiv der nützlichen Erfindungen, Leipzig 1792,
Seite 518. Auffallend ist, dass die beiden tüchtigen
Nürnberger Chronisten von Murr2 3) und Siebenkees-1)
nichts von diesem Erfinder wissen. In dem Werke des
letzteren wird zwar gemeldet, dass man 1429 mit Büchsen
nach dem Ziele geschossen habe, doch, dass dies mit
Windbüchsen geschehen, wird nicht vermerkt.
Eine Windbüchse vom Jahre 1474 findet man er-
wähnt bei Musschenbroek in Introductio ad philoso-
phiam natural. (T. II, § 2111). Sie habe sich in der
Gewehrkammer des Herrn von Schmettau in Deutsch-
land gefunden, sei aber sehr unvollkommen gewesen.
Zunächst sind derartige Urteile nach Datierungen an
2) Beschreibung der Merkwürdigkeiten in Nürnberg, 1801,
3) Kleine Chronik Nürnbergs, 1790.
 
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