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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0384

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

368


Das Luftgewehr als Kriegswaffe.
(Nachdruck verboten.)
In meiner Notiz über die ,,Geschichte der Wind-
büchse“ in Bd. 3, Heft 9, S. 271 dieser Zeitschrift sagte
ich kürz, dass „die Windbüchse wohl nur in den Frei-
heitskämpfen der Tiroler gegen Napoleon I. eine Rolle
im Kriege gespielt“.
Da man in Fachkreisen die lcriegsmässige Verwendung
der Luftgewehre stark bezweifelt *), so will ich hier meine
obige Behauptung eingehend belegen.


Der österreichische Gewehrtechniker G, C. Girardoni,
„ein äusserst fruchtbarer und genialer Erfinder2), hatte
1780 eine Repetierkonstruktion an einem 15 mm Jägerstutzen
versucht. Dabei zerschmetterte eine Magazinexplosion
ihm den linken Arm. Mit einer eisernen Hand an dem
zerstörten Arme vervollkommnete Girardoni seine Er-
findung dennoch weiter. Nur verwendete er statt der
gefährlichen Pulverkammer eine Kammer mit komprimierter
Luft. „So entstand“, sagt Dolleczek in seiner genannten
Monographie nach einem Privatbriefe der Urenkels
Girardonis, „die Windbüchse, welche als Repetierwaffe mit
rauch- und nahezu knalllosem Schüsse über 35 Jahre
in der österreichischen Armee eingeführt war.
Diese Girardonische Windbüchse führte, wie jedes
andere praktische Armeegewehr, eine dienstliche Bezeich-
1) Man vergleiche z. B. die vielen Kontroversen in der Deutschen
Jäger-Zeitung, Neudamm.
2) A. Dolleczek, Monographie der k. k. österr.-Ungar. Waffen,
Wien 1896.

nung „Repetier-Windbüchse M. 1780“. Sie hatte 13 mm
Kaliber, einen mit 12 Zügen versehenen Lauf mit 5L Drall,
an den sich hinten ein messingnes Ventilgehäuse, dann
der in den kleinen mit Leder überzogenen Kolben ein-
gekleidete Rezipient anschloss. Dieser Kolben, Flasche
genannt, wurde vor dem Schiessen abgeschraubt, mit Luft
gefüllt und dann wieder luftdicht angeschraubt. Die Luft-
füllung reichte für bis 40 Schuss. Jeder Schütze führte
24 gefüllte „Flaschen“ mit ins Gefecht. Jeder Kompagnie
führte man auf Wagen Reserveflaschen und zwei Luft-
pumpen nach.
Anfänglich wurden 4 Mann in jeder Kompagnie mit
Luftgewehren ausgerüstet; 1790 aber schon schritt man
zur Bildung eines eignen Korps, 1313 Mann stark, das
vom ITauptmann des General - Quartiermeister - Stabes
Freiherrn von Mach instruiert wurde (Ottenfeld-Teubner,
Die Österreich. Armee, Seite 840). Diese Schützen
schossen nur je 20 Schuss aus einer „Flasche“, da dann in-
folge geringeren Drucks Präzision und Portee abnahmen.
Auf der rechten Seite des Laufes befand sich das Kugel-
magazin, aus dem durch einen leichten Druck (Griff 1)
auf einen Querriegel eine Kugel in den Lauf vor das
Luftventil gelangte. Mit dem 2. Griff wurde der Hahn
und mithin die Feder gespannt, die beim Abdrücken
(Griff 3) das Ventil öffnete.
Die Handhabung war also sehr einfach, so dass der
Schütze in der Minute 20 Schuss abgeben konnte. Die
Schussweite habe 150 bis 400 Schritte betragen (ge-
nauer finde ich die Angabe nicht präzisiert).
Im Kleinkriege war die AVindbüchse eine fast unbe-
zahlbare AVaffe. Napoleon liess darum in den Kriegen
gegen Österreich jeden sogleich erschiessen oder auf-
hängen, den man mit einer AVindbüchse betraf. Hätte
das Gewehr nichts geleistet, dann wäre der Korse wohl
nicht auf diese Maassregel gekommen.
Die Herstellung der AArindbiichse wahrte Österreich
als strenges Geheimnis. Girardoni erhielt eigne AVerk-
stätten und beeidete Arbeiter.
„Dass sich aber diese merkwürdige AATtffe nicht er-
halten hat und nach dem Jahre 1815 als disponibler
Vorrat der Festung Olmütz überwiesen wurde, liegt, ab-
gesehen von den veränderten taktischen Ansichten, haupt-
sächlich in dem Umstande, dass für die Behandlung der
filigranen Schloss- und Ventilbestandteile die gehörig
ausgebildeten Büchsenmacher nicht vorhanden waren, und
daher der in den Relationen ersichtliche Prozentsatz der
unbrauchbar gewordenen AVindbüchsen ein so erschreckend
grosser ist“ (Hauptmann Halla in Mitteilungen des Kriegs-
archivs, 1890 S. 34).
1848 und 49 sind aus den Beständen des Olmützer
Zeughauses die brauchbarsten jener Windbüchsen von
Girardoni nochmals zur vorübergehenden Verwendung
gekommen.
Das Berliner Zeughaus, in dem ich momentan arbeite,
besitzt eine dieser Girardonischen Militärwindbüchsen
M. 1780 mit der Marke: Doppeladler G. 1255. Ferner
enthält das Berliner Zeughaus noch eine Jagdflinte System
Girardoni mit Zubehör von 7,5 mm Kaliber, gebaut
Wien 1814. Die 7 weiteren AVindgewehre des hiesigen
Zeughauses stammen von Rutte in Böhm.-Leippa 1830
(Kalib. 10 mm), von Goellner in Suhl 1830 (Kal. 7,5),
von Gerlach in Berlin, iS.Jahrh. (Kal. 8,2), von Ivuhlmann
in Breslau, 1. Hälfte des 18. Jahrh. (Kal. 8,7), die beiden
 
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