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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 3
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Seidlitz, Woldemar von: Die Entwickelung des japanischen Stichblatts
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0077

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3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

61


Die Entwickelung des japanischen Stichblatts.
Von W. v. Seidlitz.


as Stichblatt, franzö-
sisch garde de
sabre, von den
Japanern tsuba
genannt, jenes
flache Metallstück
von runder oder
abgerundet qua-
dratischer Form,
welches an dem
Schwertgriff an-
gebracht wurde, um der Hand Schutz zu bieten,
bildete einen für Europa ganz neuen Kunst-
gegenstand, als die Kunde Japans sich in den
sechziger Jahren auszubreiten begann. Wie der
Japaner selten ein Kunstwerk bloss um seiner
selbst oder der Zierwirkung willen geschaffen, son-
dern seine Erfindungsgabe und Gestaltungskraft
meist denjenigen Gegenständen zugewendet hatte,
welche ihrer Natur nach für den wirklichen Ge-
brauch bestimmt sind, so hat er diesen Bestandteil
seines Schwertes, dieses kostbarsten Besitztums,
das nach dortiger inniger Bezeichnung seine ,,Seele"
bildet, von der er sich nur unter Aufgabe des
Lebens trennen darf, mit um so grösserer Hingabe
zum Gegenstand künstlerischer Verzierung ge-
macht, als das Stichblatt ihm Gelegenheit bot, sich
innerhalb des gegebenen Raumes mit vollster Frei-
heit der Phantasie zu ergehen. Er konnte das Me-
tall bald als eine rauhe, ungefüge Masse, bald als

eine glatte Fläche behandeln; er konnte darin Durch-
brechungen anbringen oder darauf andere Metalle,
selten weichere Stoffe, befestigen; die Höhe des
Reliefs, die Art seiner Durcharbeitung, hatte er
ganz in seiner Hand; und in Bezug auf die Art
der Darstellungen lag das ganze Bereich der Natur
offen vor ihm. Infolge der hohen Wertung, deren
sich das Schwert bei den Japanern erfreute, ist
daher bei keiner andern Art von Gegenständen
ein solcher Reichtum künstlerischen Gestaltens ent-
wickelt worden, wie bei den Stichblättern.
Als man sie zu sammeln begann, ordnete man
sie — nach dem mustergültig durchgeführten Vor-
bilde des Hamburgischen Museums für Kunst und
Gewerbe —- den dargestellten Gegenständen ent-
sprechend in bestimmte Klassen, deren eine die
Pflanzen (und jede einzelne von ihneti wiederum
in ihren verschiedenen Formen .und Beziehungen),
die andere die Tiere (auch Fabeltiere und die
Zeichen des Tierkreises), weitere die Landschaft,
das Volksleben, die Sagen, die Götter, endlich
blosse Grundmuster enthielten.
Seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhun-
derts breitete sich aber allmählich die Erkenntnis
aus, dass die Stichblätter — ähnlich wie alle übri-
gen Erzeugnisse der japanischen Kunst — sich
in zwei deutlich voneinander gesonderte Gruppen
scheiden lassen: eine ältere, derbere, typische, zu-
gleich aber eine historische Aufeinanderfolge der
Typen zeigende; und die darauf folgende jüngere,
 
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