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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 7
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Thierbach, Moritz: Die Handfeuerwaffen der sächsischen Armee, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0207

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7. lieft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

191

Die Handfeuerwaffen der sächsischen Armee.

Nach den Akten des Hauptzeughaus- und des Hauptstaats-Archives von Oberst a. D. M. Thierbach.


(Schluss.)

usser eingetretenen kriege-
rischen Ereignissen
brachte das Jahr 1848
einen neuen Anstoss
zur Verbesserung der
Feuerwaffen durch Ein-
führung gezogener
Gewehre mit Spitz-
geschossen in Frank-
reich, aber nicht nur
für besonders dazu aus-
gewählte Mannschaft, sondern als Bewaffnung
ganzer Truppenteile. Der dadurch erfolgte Anstoss
pflanzte sich in seinerWirkung auf ganz Europa fort,
und überall wurden mit dieser Verbesserung der Waffe
Versuche angestellt. Es war besonders das System
des Obersten Thouvercin, auf welches sich die
ersten Versuche erstreckten, weil es einfach war
und sich auch auf schon vorhandene Waffen an-
wenden Hess. Es bestand darin, dass in der Mitte
der vorderen Schwanzschraubenfläche ein starker
stählerner Dorn so eingeschraubt war, dass er
innerhalb der Seelenachse stand und seine Länge
der Höhe der Pulverladung entsprach. Beim Laden
füllte das Pulver den Raum um den Dorn, während
das Geschoss auf dessen oberer Fläche durch den
zweimaligen Stoss des Ladestocks so zerstaucht
wurde, dass das Blei desselben den Spielraum aus-
füllte und in die Züge des Laufs eintrat. Durch
Verwendung von Spitzgeschossen wurde wegen
ihrer Form, sowie der grösseren Belastung des
Querschnitts eine grössere Treffsicherheit, eine ge-
strecktere und längere Flugbahn, sowie eine grössere
Durchschlagskraft erzielt.
In Sachsen fanden im Jahre 1849 zunächst
Versuche mit der einzigen gezogenen Waffe, der
Jägerbüchse, statt. Auf Veranlassung hatte der
Zeughausbüchsenmacher Ulbrich eine entsprechende
Abänderung dieses Gewehrs bewirkt, indem er in
den Boden der Kammer der Patentschwanzschraube
einen Dorn von halber Kaliberstärke eingeschraubt
hatte. Fig. 15 zeigt diese Schwanzschraube im
Durchschnitt. Der verstärkte und mit einer der Ge-
schossspitze entsprechenden Ausdrehung des Kopfes
versehene Ladestock war zur Schonung der Züge mit
einer Messingzwinge am grössten Durchmesser ver-
sehen. Das Geschoss von cylindrokonischer Form
hatte im cylindrischen Teil eine breite halbrunde
Nute, in welche ein gefetteter Wollfaden als Pflaster
eingelegt war. Fig. 16 stellt dieses Geschoss dar.

Die mit dieser so abgeänderten Büchse angestellten
Versuche hatten so günstige Erfolge, dass die
gleiche Umänderung sämtlicher Jägerbüchsen an-
geordnet wurde. Die einzige Schwierigkeit der
Reinigung, besonders des Teils der Seele rings um
den Dorn , wurde durch Einführung eines zangen-
artig federnden Wischeisens gehoben, welches an
den Ladestock zu schrauben war. Um und zwischen
den Armen dieses Werkzeugs wurden Stränen von
Werg gelegt, mit denen sowohl der Dorn selbst,
als die umliegenden Seelenwände gereinigt werden
konnten.
Diese Erfolge gaben Veranlassung zur Her-
stellung eines Probegewehrs, welches geeignet er-
schien, der Bewaffnung ganzer Truppenteile zu
dienen. Es entstand daraus das gezogene Ge-
wehr vom Jahre 1850. Fig. 17 stellt dasselbe
dar. Der 102,6 cm lange Lauf von 14,6 mm Kaliber
hatte vier 0,6 mm tiefe und 4,9 mm breite Züge
von einem Umgänge auf 164 cm Lauflänge. In
der Mittelachse der gewöhnlichen glatten Schwanz-
schraube war ein 42,5 mm langer stählerner, nur
an dem vorderen Ende gehärteter Dorn von halber
Kaliberstärke eingeschraubt. Die 5,1 g wiegende
Pulverladung umlagerte den Dorn nur so weit, dass
nach erfolgtem vorschriftsmässigen Aufsetzen des
Geschosses zwischen beiden noch ein freier Raum
von ungefähr 4 mm Höhe verblieb. Das dazu ge-
hörige Geschoss hatte eine parabolische Form mit
aufgesetzter Spitze und unter dem grössten Durch-
messer von 14,5 mm eine schmale runde Nut zur
Aufnahme eines gefetteten Wollfadens. Fig. 18
zeigt dieses Geschoss. Die Patrone diente nur zur
Verbindung der Pulverladung mit dem Geschoss.
Beim Laden wurde die leere Hülse nach Ein-
füllen des Pulvers in den Lauf weggeworfen,
das Geschoss allein eingeführt und mittels des
Ladestocks gestaucht. Auf dem Laufe war ein
einfaches Standvisier für 200 Schritt Entfernung und
zwei Klappen für 400 und 600 Schritt eingeschoben.
Eigentümlicherweise war man dabei von der
altbewährten Schlosskonstruktion abgewichen und
hatte ein dem französischen nachgebildetes Rück-
schloss angenommen. Dieses Schloss lag frei im
Schafte, ohne Anlage an den Lauf; im Innern des
Schlosses war die Schlagfeder rückwärts der Nut
angeordnet; mit dieser stand der lange Arm der
Feder durch ein Kettenglied in Verbindung, wäh-
rend der kurze Arm auf die Stange wirkte. Dieses
Probegewehr wurde nach vorzüglich verlaufenen
 
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