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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 7
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Thierbach, Moritz: Die Handfeuerwaffen der sächsischen Armee, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0208

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192

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

Versuchen angenommen und danach unter dem
15. März 1850 Bestellungen in der Olbernhauer
Fabrik, sowie in einer von dem Maschinenbau-
fabrikanten Richard Hartmann in Chemnitz neu er-
richteten Gewehrfabrik zum Preise von 15 Th. 15 Gr.
bewirkt. — Beide Fabriken aber, die in Chemnitz
wie in Olbernhau, waren nicht imstande, den neuen
Anforderungen zu genügen, besonders hinsichtlich
der Läufe; vielfach war über Kugel Ungleich-
heit derselben sowie über ungleichmässige und zu
tiefe Züge, auch über zu grosses Kaliber zu klagen.
Es traten schon grosse Streuungen der Geschosse
bei einer Kalibererhöhung von 0,05" auf 0,625
= 14,77 mm ein- Auf Wunsch der ITartmannschen
Fabrik wurde dieselbe daher der weiteren Lieferung
enthoben; dafür trat der P'abrikant P. Malherbe
in Lüttich am 30. November 1850 in den Kontrakt
ein, nachdem sich derselbe schon im Frühjahr 1850
zur Lieferung von 8—10000 gezogener Dorngewehre
im Preise von 57 V2 Fr* = 15 Thlr. 10 Ngr. er-
boten hatte.
Nachdem eine hinreichende Anzahl dieser Ge-
wehre übernommen war, schritt man im Jahre 1853
zur Ausgabe derselben, vorläufig an die leichte
Infanterie und an die bei den Linienbataillonen neu
errichteten Schützen, je 8 Unteroffiziere und 64Mann,
welche ähnlich der früheren Aufstellung der Jäger
hinter dem dritten Gliede der Kompagnien verteilt
waren. Um den früheren Jägern eine Art Aus-
zeichnung zu geben, wurde an Stelle der breit-
geflochtenen, mit dem Lademass verbundenen
Schnur eine andere mit einem „Distanzenmesser"
ausgegeben. Derselbe war ein aus Messingblech
gestanztes, auch ,,Stadia" genanntes Instrument,
welches einen Ausschnitt in Form eines rechtwink-
ligen Dreiecks enthielt; eingeschlagene Teilstriche
an der langen Grundfläche. bezeichneten die Ent-
fernung eines Infanteristen bezw. eines Reiters, vor-
ausgesetzt, dass derselbe von gewöhnlicher Grösse
und das Instrument eine Elle vom Auge des Zie-
lenden entfernt gehalten wurde. Eine Marke an
der das Instrument haltenden Schnur gab dieses
letztere Mass an.
Es lag aber die Absicht vor, die Bewaffnung
der gesamten Infanterie mit gezogenen Gewehren
vorzunehmen. Die mehrfachen Klagen über das
gegenwärtige gezogene Gewehr erstreckten sich
hauptsächlich auf die schwierige und durch den Sol-
daten meist mangelhaft besorgte Reinigung der Seele
des Laufs sowohl um den Dorn herum, als auch
in der Tiefe der Züge, so dass man zu der Ansicht
kam, dass dieser Nachteil noch schärfer auftreten
würde, wenn nicht bloss einzelne, sondern die ge-
samte Mannschaft damit ausgerüstet sei. Da ging
im Jahre 1854 die Nachricht von dem in Österreich
angenommenen System des Oberwerkführers der
Gewehrfabrik im Arsenal zu Wien Ritter von
Lorenz ein, welches den Dorn entbehrlich machte.
Sofort wurden damit Versuche angestellt, welche

nicht nur ein befriedigendes Resultat ergaben, son-
dern auch die Hoffnung erweckten, dass die Reini-
gung der Gewehre damit erleichtert werden würde.
Dieses System begründete sich auf ein fast gleich-
zeitig in England von Wilkinson vorgeschlagenes
Geschoss, welches infolge der Schwere der
Spitze gegenüber den in den cylindrischen Teil
eingeschnittenen tiefen dreieckigen Nuten durch
den ersten Stoss der entwickelten Pulvergase
gestaucht wurde, so dass das Blei in die
Züge trat. Das Geschoss wurde beim Laden nur
bis auf die Pulverladung hinabgeschoben, so dass
das Aufsetzen derselben in Wegfall kam, dessen
dabei angewendete grössere oder geringere Kraft
beim Dorngewehr wesentlich auf Schussweite und
Trefffähigkeit einwirkte. Nachdem ein vom da-
maligen ■ Vorstande der Haupt-Gewehrkommission,
Hauptmann Schön, des grösseren Kalibers des
sächsischen Gewehrs wegen nach diesem neuen
System gebildetes Geschoss bei den im Frühjahr 1855
abgehaltenen Versuchen angenommen worden war
und grössere Versuche bei den Truppen diese
Erfolge auch bestätigt hatten, erging im Jahre 1856
der Befehl, an sämtlichen gezogenen Gewehren
den Dorn abzuschneiden. Fig. 19 zeigt dieses
Geschoss.
Mit dieser Veränderung war aber auch eine
solche hinsichtlich der Patrone notwendig, indem
man von der Fettung des Geschosses absah und
dieses dafür mit dem das Geschoss umgebenden
gefetteten Teil der Patronenhülse als Pflaster lud.
Man musste daher beim Einführen des Geschosses
den überflüssigen Teil der Hülse abreissen. Im
Sommer desselben Jahres hatte der preussische
Oberstleutnant von Schlegell dem diesseitigen
Kriegsministerium die Eigentümlichkeit und An-
fertigungsweise der Patronen vorgelegt, die auf
seinen Vorschlag in Preussen für das nach dem
Minie-System umgeänderte, ehemals glatte Gewehr
grossen Kalibers angenommen war. Es unterschied
sich diese Patrone dadurch, dass in die einfach in
cylindrischer Form hergestellte Papierhülse ein
Pfropfen von halbtrockener Papiermasse eingesetzt
und auf einem Stückchen nach der Form der Ge-
schossspitze aufgeschlagen war. In diesen Teil der
Hülse wurde nach dem Trocknen das Geschoss
eingesetzt, dieselbe unten zugebrochen, am unteren
Rande des Pfropfens rundum angestochen und dieses
Ende gefettet. Es hatte diese Anfertigungsweise
den grossen Vorzug, dass das Geschoss stets von
einem gleichmässig langen, als Pflaster dienenden Teil
der Hülse umgeben war und der Pfropfen gewisser-
massen als Handhabe beim Abreissen diente. Da-
gegen schloss derselbe nicht immer die Pulver-
ladung vom Geschoss ab, es sickerten einzelne
Pulverkörner nach dem Geschossteil der Hülse
durch, vergrösserten den Durchmesser desselben,
was zu Ladehemmungen Veranlassung gab.
In Sachsen sah man den Vorteil dieser Patronen-
 
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