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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0353

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Celt und Framea. >
Eine Revision der Frage

Dr. Fortunat von Schubert-Soldern.


as häufige Vorkommen von
Celtklingen in den Grä-
bern der Stein- und
Bronzezeit hat, so-
bald sich die Wissen-
schaft überhaupt dem
Gebiete der heimi-
schen Altertums-
kunde zugewandt
hatte, die Aufmerk-
samkeit derFachleute
erregt, und zu allerhand einander vielfach wider-
sprechenden Theorien geführt. Der dänische Archäo-
loge Olaf Worm nannte sie um die Mitte des
17. Jahrhunderts Cunei und erklärte sie für alt-
skandinavische Handwaffen.1 2) Den Namen Celtes
erhielten sie 40 Jahre später durch den branden-
burgischen Gelehrten Beger.3) Ein spätlateinisches
Wort, welches Meissei bedeuten soll und zum ersten
Male in dieser Bedeutung im Jahr 390, wie behauptet
wird, fälschlich angewendet4) in der Vulgata des
heil. Hieronymus Job. cap. 19, v. 23—24 vorkommt.
Hier heisst es:
„Qis mihi tribuat ut scribantur sermones mei?
Quis mihi det ut exarentur in libro
Stylo Ferreo, et plumbi lamina, vel celte scul-
pantur in siloe?“
Das Wort Celtis wurde durch den wallisischen
Mönch Brito in seinem Vocabularius folgender-
maassen erklärt: Celtis Instrumentum ferreum aptum
ad sculpendum „Cisel Gallice dicitur“ a celendo
und diese Erklärung in neuerer Zeit insbesondere
vonjähns5) mit der Begründung abgelehnt, dass im
hebräischen Text das Wort Meissei oder Grab-
stichel gar nicht vorkomme. Es handle sich also
hier, wie Jähns sagt, um ein Wortgespenst. Solche
Schlussfolgerung muss denUnbefangenen mit Staunen

1) Vortrag im Dresdener Waffengeschichtlichen Seminar.
2) Museum Wormianum (1655) S. 354.
3) Thesaurus Brandenburgicus Gemmarum etc. Colo-
niae 1696.
4) Max Jähns Entwicklungsgeschichte der alten Trutz-
waffen. Berlin 1899. S. 124.
5) Jähns, a. a. O.

erfüllen. Richtig ist es allerdings, dass Hieronymus
diese Stelle missverständlich aufgefasst hat, denn
in der griechischen Bibelübersetzung des Codex
Vaticanus Alexandrinus, die sich streng an den
hebräischen Urtext anlehnt, lautet sie folgender-
maassen: xiq yao av öcpr) yQa<pr[vai xa Q/jpaxa f/ov.
xedrjvaL (Ts avxcc sv ßißUco siq xbv aicöva; Ev yga-
cptco OiörjQq) xal [lollßco, r\ ev jtexgaig svyTvcpyvcu
Das heisst also: Ach dass jemand meine Reden
niederschriebe und sie zum ewigen Gedächtnis in
ein Buch stelle, in Eisen (im hebräischen Urtext
wahrscheinlich Erz) und Blei grübe oder in Stein
meissle. Auch hier kommt also das Wort Meissei
oder Grabstichel nicht vor. Im Vulgatatexte hat
nun diese Stelle überhaupt keinen Sinn, denn wört-
lich übersetzt müsste sie lauten: Dass doch meine
Reden niedergeschrieben, dass sie in einem Buche
verewigt würden. Mit eisernem Griffel und bleier-
ner Tafel oder mit dem Meissei in Stein gehauen
würden. Hieronymus hat also das, was der Codex
Vaticanus mit öiörjgoq bezeichnet, mit Stylus ferreus
Grabstichel übersetzt, während, wie aus dem grie-
chischen Text hervorgeht, eine eiserne (wohl eherne)
Tafel gemeint ist, und hat dann wohl der Klarheit
halber dem Instrument zum Eingraben in Blei und
Erz, dem Grabstichel, das Instrument zum Ein-
meisseln in Stein, den Celt (Meissei) gegenüber-
gestellt. Deswegen kann man aber doch dem Wort
Celtis ebensowenig die Realität absprechen wie dem
Stylus ferreus. Mag der Übersetzer den hebräi-
schen Bibeltext noch so sehr missverstanden haben,
das Wort Celtis, welches hier ausdrücklich als In-
strument zum Einmeisseln in Stein also als Meissei,
bezeichnet wird, muss doch wohl Realität gehabt
haben. Erscheint es doch ausgeschlossen, dass
der heilige Hieronymus in einer Übersetzung, die
für die ganze lateinische Christenheit bestimmt war,
ein Wort gebraucht hätte, das niemand kannte, das
überhaupt nicht existierte. Ist aber Celtis ein spät-
lateinisches Wort, welches Meissei bedeutet, so
fallen alle jene Theorien in sich zusammen, die es
von den Kelten herleiten wollen, und behaupten,
die bronzenen Streitkeile seien deshalb Celtes genannt
worden, weil sie eine Nationalwaffe der Kelten waren.
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