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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Forrer, Robert: Über Falsch-Aufstellung alter Waffen und Rüstungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0341

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ii. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

325

Über Falsch-Aufstellung alter Waffen und Rüstungen.

Von D. R. Forrer.


ber den Bau und die
Einrichtung von Museen
lässt sich streiten. Jeden-
falls ist das Aufstellen
vonNormen, soweit diese
über das Selbstverständ-
liche hinausgehen
eine Sache, die immer
„graueTheorie"bleibt,
solange man ,,im allgemeinen" spricht und nicht
spezielle Fälle zur Grundlage nimmt. Bau, Ein-
richtung und Aufstellung sind von ungemein vielen
Nebenumständen und Zufälligkeiten abhängig; sie
werden variieren je nach den vorhandenen Geld-
mitteln und Lokalitäten, nach den schon vorhan-
denen Ausstellungsobjekten und nach dem, was man
sich von solchen noch beschaffen will, nach den
Zielen und Zwecken, welche man sich vorgezeichnet
hat und nach noch mancherlei andern Vorbe-
dingungen mehr.
Als eine der selbstverständlichen Normen sehe
ich beispielsweise die Forderung an, dass wissen-
schaftlich Wertvolles, Kostbares und besondere
Seltenheiten in den Vordergrund gerückt,-besonders
sorgfältig aufbewahrt und dem Studium leicht zu-
gänglich gemacht werden sollen. Das bayrische
Nationalmuseum in München hat, wie schon
Dr. Koetschau hier (II, 286) angedeutet, bei der
Aufstellung seiner Waffen mehrfach das Gegenteil
getan: die wissenschaftlich wertvollsten Helme,
Tartschen u. s. w. hängen hoch oben, oder sind
hoch über Glasschränken ohne Glasschutz aufge-
stellt, während weit weniger Wichtiges in prächtigen
Vitrinen prangt.
Die Waffenabteilungen des Münchener National-
museums sollen eine Art ,,Zeughaussäle" dar-
stellen. Aber der Charakter des Zeughaussaales ist
dort ebensowenig erzielt, als das Münchener Natio-
nalmuseum auch nur ein regelrecht durchgeführtes
gotisches Zimmer aufweist. Wie im letzteren Dinge
aufgestellt sind, die nicht hineingehören, so stören
im ersteren die Vitrinen. Das ist es, was in der
Waffensammlung des Nationalmuseums die Einheit-
lichkeit des Eindruckes stört. Man schweisst zwei
Dinge zusammen, welche nicht zusammengehören
und erzielt damit etwas, was „weder Fisch noch
Fleisch" ist. Meines Erachtens hätte man in München
die Massenbestände zur Bildung eines Zeughaus-
saales vereinigen, die kostbaren Mittelalterwaffen
und die Prunkwaffen der Renaissance aber ge-
trennt von ersteren in Vitrinensälen aufstehen
sollen.

Der „Rüstkammergedanke" ist im Schweizer
Nationalmuseum zu Zürich ganz fallen gelassen.
Niemand denkt dort an „Zeughaussäle". Rüstungen
stehen dort friedlich neben Vitrinen, ohne dass das
eine das andere stört, weil dort jedem Objekte
der Platz angewiesen ist, der ihm nach seinem
inneren Werte zukommt, ganz wie das in Bern,
Dresden, Berlin, Paris, Wien u. s. w. der Fall ist.
Freilich ist überhaupt sowohl in München wie in
Zürich der den Waffen zugewiesene Raum im Ver-
hältnis zu deren Menge ein viel zu geringer und
muss nach meinem Empfinden beiderorts nach dieser
Richtung Besserung geschaffen werden.
München wie Zürich haben den Waffen grosse,
hohe Prunksäle angewiesen. Für den „Rüstkammer-
gedanken" ist das wenig geeignet. Um so besser
war dieser Leitgedanke in Emden durchzuführen,
wo eine Rüstkammer im vorhinein vorlag und nur
eine Neuaufstellung von nöten war.
Aber auch in Emden ist der Rüstkammer-
gedanke nicht so zur Durchführung gelangt, wie
man es hätte erwarten dürfen. Die schrecklichen
„Panoplies" resp. Trophäen, gut für die Zeiten der
Ritterromantik, wie sie z. B. die Ostwand bietet
(vgl. Abb. S. 106, III. Bd.), hätten füglich unter-
lassen werden können. Diese gekreuzten Beile und
gekreuzten Zweihänder auf hölzernen Rundschilden
verderben den einheitlichen Eindruck und den sonst
so gut durchgeführten Rüstkammercharakter.
Am besten hat diesen Charakter Graf Wilczek
bei Einrichtung seiner Waffenhalle auf Schloss
Kreuzenstein getroffen. Dorthin müssen alle jene
pilgern, welche in dieser Beziehung etwas lernen
wollen!
Ein gutes altes Vorbild bietet nach dieser Rich-
tung eine Freske im Schlosse Issogne (Aostathal),
wo neben andern IAesken aus dem Leben der da-
maligen Zeit auch das Leben und Treiben in einer
Wachtstube aus derZeit um 1490—1500 darge-
stellt ist (davon hier eine verkleinerte Reproduk-
tion nach meinem Werke über jene Fresken1).
Die Kriegsknechte haben ihr Eisenrüstzeug ab-
gelegt und vergnügen sich bei Spiel, Wein, Weib
und Streit. Einer, der eine Brigantine trägt, sticht
mit seinem Schwerte nach seinem Gegenüber, in-
dessen ein Dritter ihn mit einem Maasskrug abzu-
wehren sucht. An der Wand und auf Gestellen sind
die abgelegten Waffen untergebracht, alle so, dass
sie im Notfälle sofort ergriffen werden konnten.
An jeder Armbrust hängt ihre Winde, daneben der
Pfeilköcher, am Schiessrohr das Pulverhorn, daneben

1) Vgl. R. Forrer: „Spätgotische Wandmalereien aus Schloss
Issogne“. Strassburg 1896, mit 12 Lichtdrucktafeln.
 
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