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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 3
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Seidlitz, Woldemar von: Die Entwickelung des japanischen Stichblatts
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0078

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62

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

technisch mehr verfeinerte und unendlich individua-
lisierte, die wenig durchgreifende Wandlungen, da-
gegen ein stetiges Nachlassen der Kraft, grosse
einfache Wirkungen zu erzielen, zeigt.
Wir können diese beiden Gruppen als die alte
und die moderne bezeichnen, und werden uns hier
nur mit der alten, als der in künstlerischer Hin-
sicht vorwiegend wertvollen, zu beschäftigen haben.
Das Verdienst, diese Scheidung klar zum' Aus-
druck gebracht und den Gang der Entwickelung
der Stichblatt-Verzierungen in den Hauptzügen
nachgewiesen zu haben, gebührt dem bekannten
ausgezeichneten Japanhändler in Paris, Tadämasa
Hayashi, der 1894 dem Louvre eine nach der Zeit-
folge geordnete Sammlung alter Stichblätter
schenkte und in demselben Jahre einen Katalog
dieser Sammlung mit Nachbildungen aller in ihr
enthaltenen 84 Stichblätter veröffentlichte.1) Im
Juli 1898 gab dann der Pariser Sammler Ch. Gillot
45 ausgewählte Stichblätter seiner Sammlung, vom
12. bis zum 16. Jahrhundert reichend, auf neun
Tafeln heraus.2) Endlich erschienen 1902, im
Katalog der ersten Versteigerung Hayashi in Paris,
im Januar/Februar, die Nachbildungen der 150
historisch geordneten Stichblätter, welche damals
zum Verkauf kamen. Nimmt man die verstreuten
Nachbildungen hinzu, welche sich bei Gonse, Brinck-
mann, Bing befinden, so hat man ein Material zu-
sammen, das hinreicht, um eine Anschauung über
die wichtigsten Stufen der Entwickelung zu ver-
mitteln. Durch die hier gebotenen Nachbildungen
soll diese Reihe, unter Plervorhebung der wichtig-
sten Typen, ergänzt werden.
Endlich ist die Kenntnis der japanischen Stich-
blätter durch die Beachtung, welche man den auf
einigen Stücken angebrachten Künstlernamen ge-
schenkt hat, vertieft worden. Gonse, imArtjapo-
nais, 1883, gab 28 solcher Bezeichnungen wieder;
der Katalog der Versteigerung Burty, 1891, deren
300; der Katalog der Sammlung Mich. Tomkin-
son, 1898, — 231; 1897 verfasste Dr. Herrn. Lüer
seine Inaugural-Dissertation über japanische Stich-
blätter und veröffentlichte Edward Gilbertson einen
Artikel über Schwertzieraten in den Transactions
and Proceedings of the Japan Society London,
Bd. III. Ein erschöpfendes Werk über die Künstler-
bezeichnungen verdanken wir aber ^erst Shinkitschi
Hara, der seinen alphabetischen Katalog: Die
Meister der japanischen Schwertzieraten, 1902 in
dem XX. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburger
Wissenschaftlichen Anstalten veröffentlichte.
Freilich bieten die Künstlerbezeichnungen oft
die Schwierigkeit, dass die betreffenden Meister,
9 [Tadamasa Hayashi]: Catalogue de la collection des
gardes de sabre japonaises an Musee du Louvre. Don de
M. Tademasa Hayashi de Tokio. Paris, T. Hayashi 1894.
gr. 4 (20 Frcs.).
2) Quelques gardes de sabre japonaises du XIIe au XVIe
siede de la collection Ch. Gillot. Juillet 1898. In Folio.
(Nicht im Handel.)

wenn weitere Angaben über sie fehlen, und na-
mentlich wenn derselbe Name durch verschiedene
Generationen hindurch geführt worden ist, doch
nur mit Hilfe der künstlerischen Betrachtung hin-
sichtlich der Zeit, in welcher sie wirkten, näher
bestimmt werden können. Diese Schwierigkeit ist
übrigens der anderen vergleichbar, welche aus der
Betrachtung der Typen erwächst, indem es dabei
gilt, zwischen den seltenen ursprünglichen Erzeug-
nissen und deren durch Jahrhunderte hindurch sich
wiederholenden Nachbildungen, die gemäss dem
Wechsel der Zeiten immer charakterloser werden,
zu unterscheiden, was gleichfalls nur mit Hilfe der
Stilkritik geschehen kann.
Nach diesem Überblick über die bisherigen
Leistungen soll nun eine kurze Darstellung der
Wandlungen, welche das japanische Stichblatt im
Laufe der Zeiten erfahren hat, nach dem Stande
unserer jetzigen Kenntnisse wesentlich im Anschluss
an Hayashis Katalog der Louvre - Sammlung ge-
geben werden, unter Berücksichtigung des. Haya-
shischen Versteigerungskatalogs und (vom 16. Jahr-
hundert ab) des Haraschen Buches.3)
* *
*
Bei gewissen „prähistorischen“ Stich-
blättern brauchen wir uns nicht aufzuhalten, da
sie nur in einigen japanischen Tempelschätzen Vor-
kommen und nach Europa nicht gelangt sind. In
seinem Buch über die Meister der Schwertzieraten
sagt Hara von ihnen aus, dass sie gewöhnlich
schmal und dick, oftmals sogar viel dicker als
breit seien.
Wenn der japanische Kenner Ssakakibara Ko-
san (f 1798) in seinem Werk: Hompo Tokenko
(von 1795) behauptet, durchbrochene Stichblätter
seien nicht früher als in der Zeit des Shoguns
Yoshinori (1402—41) vorgekommen, so mag er
eine bestimmte Art von Durchbrechung im Auge
gehabt haben; denn nach dem Vorgang Hayashis
nimmt man jetzt und mit gutem Grunde an, dass
die als der Kamakura-Periode, also noch dem 12.
Jahrhundert, angehörend bezeichneten Stücke, wel-
che bereits in der Regel Durchbrechungen zeigen,
thatsächlich aus dieser Zeit stammen.
Eine Anschauung von der Entwickelung des
japanischen Stichblattes während der „p r i m i t i -
ven“, sich über die fünf Jahrhunderte vom elften
bis zum fünfzehnten erstreckenden Zeit, lässt sich
freilich nur auf Grund der Stilvergleichung ge-
winnen; diese liefert aber, wenn man dabei den
Gang der Geschichte mit zu Rate zieht, so augen-
scheinliche und überzeugende Ergebnisse, dass man
getrost mit ihr rechnen kann.
Während in Bezug auf die europäische Kunst
sich erst allmählich die Überzeugung zu befesti-
3) Alle Namen sind so geschrieben, wie sie ausgesprochen
werden. Für zahlreiche Hinweise habe ich Herrn Dr. Kümmel
(z. Zt. in Berlin) meinen Dank zu sagen.
 
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