Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Liebe, Georg: Vermögensstand und Ausrüstung in den Städten des Mittelalters
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

71

Obrigkeiten bedacht, jeden nach dem Masse seiner
Kräfte heranzuziehen. So verlangt um 1442 die
Danziger Bäckerrolle von jedem Mitgliede: Hilpt
cm denne got, dat id beter mit em wert, also dat
he eyn wenich to vorn kompt binnen dem jare, so
solen unse olderlude darup seen, dat he syn harnsch
verbetere up dat, wen id von noden were, dat god
vor sy, dat he synen liff deste bet mach wagen
und koenlic by sinem naher staen gelike eyme
andern guden getruwen borger.3) Das Normalmass
der zu stellenden Anforderungen gab der sog.
ganze Harnisch, den ein Statut der Strassburger
Schifferzunft 1350 so bestimmt: Haube oder Eisen-
hut, Kragen, Panzer, Schurz, Handschuh, Beinge-
wand.4) Indessen liessen die erheblichen Kosten
diese Leistung immer nur als Ausnahme erschei-
nen, und wir sehen deshalb das vierzehnte und
füpfzehnte Jahrhundert hindurch die Städte be-
müht, die Kriegstüchtigkeit ihrer Bürger mit deren
wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang zu brin-
gen durch die Vorschrift gewisser Waffen für ein-
zelne Vermögensklassen. Die weit grösseren
Kosten der Schutzwaffen liessen in der Regel nur
diese berücksichtigen.
Vielfach tritt die als bekannt vorausgesetzte
Vorschrift nur in allgemeiner Form auf. So heisst
es im Stadtrecht von Mühldorf —• aus der zweiten
Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts stammend —
dass die Bürger, denen Harnisch geboten ist, ihn
bei einem Pfund Strafe auch halten sollen. Ihnen
gegenüber stehen die bloss mit Warnwais (Wamms)
und Schild Versehenen. Bei der 1408 zu Nürnberg
wegen Kriegsgefahr gehaltenen Musterung soll man
dem Panzer setzen, der es vermag. Und wenn 1432
das Berliner Stadtbuch besagt, dass alle Bürger in
ihren Häusern Waffen haben sollen nach ihrer
Macht, so deutet das auf ähnliche Bestimmungen
hin.5 *) Nicht selten wird indessen ein Massstab
für die höchste Leistung angegeben, so 1378 in
Konstanz vierzig Pfund, 1415 in Luzern hundert
Gulden, 1463 in Worms zweihundert Gulden. An-
derswo bildete der Besitz des Meisterrechts die
Grundlage, so 1397 in Köln, oder der eines eigenen
Hauses wie Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts
in Danzig. Nach 1500 werden die Erfurter Bier-
eigen, d. h. die Besitzer- eines brauberechtigten
Hauses zu Krebs, Armschienen, Koller und Becken-
haube verpflichtet. Gelegentlich werden die Luxus-
neigungen zur Selbstdeklaration ausgenutzt; nach
der Bursprake von Riga 1376 muss der Bürger,
dessen Weib bunt trägt, d. h. Pelzbesatz, den vollen
Harnisch halten bei drei Mark Strafe, ebenso um
1400 zu Danzig, wer einen silbernen Gürtel von

3) Baltzer, Zur Geschichte cles Danziger Kriegswesens.
[893. S. 13, Anm. 13.
4) v. Maurer, Städteverfassung I, S. 502.
5) Städtechroniken XV, S. 407, ebenda II/ S. 20, Anm. 2,
Fidicin, Beiträge z. Geschichte Berlins T, S, 46.

zwei Mark Wert oder wessen Weib bunt
trägt °).
Interessanter gestaltet sich die Frage, sobald
wir solchen Quellenstellen näher treten, die sich
nicht mit der Definition der Höchstleistung be-
gnügen, sondern die Verpflichtung der einzelnen
Vermögensklassen genauer angeben, weil wir da-
durch eine Übersicht der bei dem städtischen Fuss-
volk üblichen Rüstungsweise gewinnen. Es wird
dann meist neben dem ganzen Harnisch noch eine
minder vollständige Rüstung unterschieden, in sel-
tenen Fällen noch eine ganz leichte. Die Strass-
burger Ausbürger, die den Genuss des Bürgerrechts
durch militärische Verpflichtung erkauft hatten,
mussten 1360, auch wenn sie nicht selbst dienst-
fähig waren, Panzer, Koller, Haube, Armleder und
Handschuh stellen, sobald sie 20 Mark an Wert
besassen, nur den Panzer bei 10, nur Joppe und
Armleder bei 5 Mark Wert.7) Das Bedeverzeich-
nis der Stadt Butzbach in der Wetterau 1372 ent-
hält bei den Namen der einzelnen Bürger den Ver-
merk arma oder ysinhud, der erstere Begriff er-
fährt 1405 in der Gründungsurkunde der Schmiede-
zunft nähere Beleuchtung. Danach bestand der
volle Harnisch aus Panzer, Koller, Brust, Schoss
und Eisenhut, während die weniger Vermögenden
nur zu Panzer, Koller und Eisenhut verpflichtet
waren.8) Ähnlich verpflichtete 1377 bei den
Bäckern zu Frankfurt a/M. ein Census, der origi-
nellerweise durch das Halten von mindestens vier
Schweinen umschrieben wurde, zum ganzen Har-
nisch, ein geringerer zu Panzer, Eisenhut, Arm-
leder und Handschuhen, ein Besitz von dreissig
Gulden Wert auch ohne Schweine zur höchsten
Leistung. Eine weitere Ausführung fanden diese
Grundsätze in einem umständlichen Statut für -die
gesamte Bürgerschaft 1382: Umb Harnisch zu hal-
ten nach der bede gesetzt.9) Danach ist für je
zehn Pfund Bede ein Gewappneter zu stellen bis
zu acht Mann, davon jedesmal die Hälfte voll ge-
rüstet in Panzer, Beingewand und Haube, die andere
im sog. Trabergeschirr mit Panzer, Eisenhut, Knie-
lingen und Handschuhen. Zur gleichen vollen
Rüstung verpflichtet ein schuldenfreier Besitz von
dreissig Mark bei Ausübung eines Handwerks,
von hundert Mark ohne solche. Der Ausdruck
Trabgeschirr begegnet auch in Jena 1404, wo den
altstädtischen Handwerkern die Stellung der Wapp-
ner und Schützen oblag, „denn dieselben richtiger
und fertiger, dazu mit Harnisch und Wappen ge-

G) Mojean, Städtische Kriegseinrichtungen i. 14.11. i5.Jhdt.
76. S. 13; Schannat II, S. 242; Ennen, Quellen z. Geschichte
Kölns VI, S. 512h; Baltzer, a. a. O. S. 14; Hartung, Häuser-
chronik von Erfurt S. 155; Napierski, Quellen d. Rigischen
Stadtrechts S. 206; Voigt, Geschichte Preussens VI, S. 717.
7) Mojean, a. a. O. S. 3, Anm. 9.
8) vgl. Otto in Zeitschr. f. Kulturgeschichte, 97. S. 65.
s) Böhmer, Cod. dipl. Moenofrancofurtanus S. 749; Archiv
f. Frankfurts Geschichte u. Kunst. 1855. S. 158.
 
Annotationen