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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0360

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344

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

von der Grenze entfernt wohnenden Stämmen keine
Nachfrage.40) Dort hatte es keinen Gebrauchswert
und daher auch keinen Tauschwert. Einen solchen
hatte das Vieh und wohl wie bei den Römern in
ihren frühen Entwicklungsstadien das Erz, oder
auch Eisen und dies vermutlich ganz besonders
dann, wenn diese Materialien in die Form der Klinge
oder Waffe gebracht waren, die für ein so über-
wiegend kriegerisches Volk wie es die Germanen
waren, die gangbarste und wichtigste sein musste.
Der Celt also als Universalklinge, als Haupt-
bestandteil der Nationalwaffe, konnte sehr wohl als
Wertgegenstand und gesuchtes Tauschobjekt, ja als
Münze gelten. Die Framenklinge war also ein Ver-
mögensstück, das sich nur Wohlhabende d. h. also
die Grundeigentümer, die Freien, gestatten konnten;
und wenn Sohm in seiner altdeutschen Reichs- und
Gerichtsverfassung darauf hinweist, dass die Ver-
leihung der Waffe als Symbol der Freilassung ge-
golten habe, so ist dies wohl dahin zu verstehen,
dass der Herr seinen Hörigen bei diesem Akt die-
jenigen Mittel gab, welche ihm gestatteten, nach
Auflösung des Hörigkeitsverhältnisses auf eigenen
Füssen zu stehen, und das waren bei einem so
durchaus militärisch organisierten Volke wie den
Germanen die Waffen. Die Framenklinge war ein
namhaftes Vermögensobjekt und konnte nicht wie
bei den Völkern blühender Erzkultur, den Griechen,
Römern oder Galliern beliebig durch eine andere
Klinge ersetzt werden. Und hier dürfte wohl der
wirtschaftliche Grund zu suchen sein, der die Germanen
veranlasste, so fest an den bei anderen Völkern
schon längst antiquierten Meisseiklingen festzuhalten.
Ein abgebrochener bronzener Spitzspeer war un-
brauchbar, er liess sich nur mit den grössten Schwierig-
keiten nachschärfen, und musste in den meisten
Fällen eingeschmolzen werden, um seine Gebrauchs-
tüchtigkeit wieder zu erhalten. Die Celtklinge war
ihrer ganzen Konstruktion nach dem Abbrechen
nicht ausgesetzt, sie konnte nur stumpf werden,
ein Mangel, der sich in diesem Falle durch Schleifen
leicht beseitigen liess. Sie machte auch infolge
ihrer vielseitigen Verwendbarkeit, die Tacitus aus-
40) Tacitus Germania. S. 6.

drücklich hervorhebt, denn ihre Schärfe sicherte
die Wirksamkeit des Stosses, ihre über die Schaft-
bahn vorspringenden Ecken und ihre Schwere die
Wucht und Wirksamkeit des Hiebes, die Schaffung
anderer Klingenformen überflüssig. Auch dies ist,
wenn man den Seltenheitswert der germanischen
Metallwaffen und die ihr gegenüberstehende grosse
Nachfrage in Betracht zieht, ein nicht zu unter-
schätzendes Moment, denn je einheitlicher die
Waffe, desto einfacher und billiger die Produktion.
Schliesslich sei hier noch die Schutzwaffe her-
angezogen, welche im allgemeinen gleichen Schritt
mit der Trutzwaffe zu halten pflegt und diese ent-
weder in ihrem Charakter bedingt oder von ihr
bedingt wird. Sie war bei den Germanen der ta-
citeischen Zeit ausschliesslich der Schild. Sowohl
einzelne Funde als auch die in den Annalen des
Tacitus wiedergegebene Ansprache des Germanicus
an seine Soldaten vor der Schlacht bei Idistavisus4'),
belehren uns über seine Form und seine Kon-
struktion. Er bestand aus einem hölzernen Rahmen,
dessen Inneres mit dichtem Flechtwerk, meist
Wurzelfasern, ausgefüllt und mit Tierhäuten über-
zogen war. Ein solcher aus Flechtwerk bestehender
Schild war für eine Spaltklinge, wie den Celt, ge-
radezu undurchdringlich und musste auch der blatt-
förmigen Speerklinge einen namhaften Widerstand
entgegensetzen, während er vom Pilum mit seiner
ahlenförmigen Klinge widerstandslos durchbohrt
wurde. Wir sehen auch in der Folge, wie die Ger-
manen, die in ihren fortgesetzten Kämpfen mit den
Römern lernen, allmählich vom geflochtenen Schild
zum massiven Holzschild übergehen der mit Metall-
buckeln und Bändern verstärkt, sowohl vor der
schildspaltenden Frame als vor der Durchschlags-
kraft des Pilums Schutz bietet. Hand in Hand
damit scheint die allmähliche Umgestaltung der
Frame in den Ango gegangen zu sein, wie die von
Schreiber publizierten Zwischenformen zeigen. Die
eigenartige nationale Bewaffnung des germanischen
Kriegers weicht allmählich der praktischen erprobten
des römischen Fegionars.
41) Ann. Lib. II, cap. 14.
 
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