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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0359

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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

343

annimrnt, die sich bald dem Ango, bald dem ge-
wöhnlichen Spitzspeer nähern, ein, Umwandlung, die
nicht möglich wäre, wenn der Celt nicht auch als
Speerklinge gedient hätte. Einen wie weiten Weg
die Framenklinge zur taciteischen Zeit in ihrer
Entwicklung zurückgelegt hatte, können wir schwer
feststellen, wohl aber annehmen, dass sie im
wesentlichen noch ihre alte Meisseiform bewahrt
hatte, denn sonst hätte Tacitus sie wohl kaum
in der erwähnten Weise beschrieben. Es liegt
also auf der Hand, dass, wenn die Celtklinge,
ob sie nun aus Eisen oder Bronze bestand, wirk-
lich als Speerklinge verwendet wurde, die Be-
schreibung des Tacitus sich am natürlichsten und
ungezwungensten auf sie anwenden lässt.
Es fräst sich nun, warum die Völker der Stein-
und Bronzezeit den Randspeer dem Spitzspeer, der
ihnen doch, wie die vielfachen Funde von spitzen
Speerklingen beweisen, bekannt gewesen sein musste,
als Waffe vorzogen. Jähns beantwortet sie dahin,
dass die Zerbrechlichkeit der steinernen Speerspitzen
zur Bevorzugung der Spaltklingen führte, und dass
der konservative Sinn der Urvölker diese Form
auch in die Bronzezeit herübernahm.36) Dies
scheint mir jedoch nur teilweise richtig, denn sowohl
der Spitzspeer als der Randspeer standen, wie die
Funde beweisen, nebeneinander in Verwendung,
nur dienten sie verschiedenen Zwecken, und zwar,
wie ich schon weiter oben angedeutet habe, ersterer
der Jagd, letzterer dem Kampf. Der Grund hierfür
lag offenbar darin dass die Spitze beim Eindringen
in den Körper des Jagdtieres der Gefahr des Ab- ;
biegens beziehungsweise Abbrechens, und dadurch
Unbrauchbarwerdens lange nicht so stark ausgesetzt
war als im Kampfe, wo sie beim Auftreffen auf
den Schild viel grösseren Festigkeitsproben aus-
gesetzt sein musste. Dass hierauf nicht bloss bei
der Steinwaffe, sondern auch bei der Bronze- und
ungehärteten Eisenwaffe Rücksicht genommen werden
musste, wurde schon an anderer Stelle erörtert. Im
Charakter der Framea lag es, dass sie als feste
dauerhafte Handwaffe dienen sollte, die nicht be-
liebig ersetzt werden konnte; und hierfür war der
Spitzspeer mit seiner dem Abbrechen oder Abbiegen
ausgesetzten Spitze nicht geeignet. Hier gelangen
wir nun zu einem Punkt, den weder Jähns noch
die übrigen Schriftsteller, die diesen Gegenstand be-
handelten, genügende Beachtung schenkten. Die Me-
tallklinge war bei den Germanenein Wertgegenstand.
Das geht gerade aus Tacitus hervor, der die Gering-
fügigkeit des Bergbaus, den Mangel an Eisen und
andern Metallen, besonders Gold und Silber, her-
vorhebt. Denn er sagt: ne ferrum quiden superest
sicut ex genere telorum colligitur, und Germanicus
erwähnt in seiner Ansprache an die Soldaten vor
der Schlacht bei Idistavisus, dass nur die vordersten
Reihen der germanischen Krieger metallene Speer-

spitzen hätten37), während die übrigen nur durch
Feuer an der Spitze gehärtete ITolzspeere trügen.
Die Framenklinge also war ein Wertgegenstand,
darum wurden die Metallklingen so häufig durch
Zerbrechen unbrauchbar gemacht, bevor sie dem
Verstorbenen ins Grab mitgegeben wurden; darum
erhält sie der Gatte mit andern Waffen, mit Vieh
und einem Pferd als Heiratsgut und die Gattin
erhält ähnliche Objekte und Waffenstücke als Wider-
lage.3S) Wenn Sohm und mit ihm Baumstarck39)
diese Überreichung von Waffen für ein reines
Symbol der Freilassung halten und dies aus spätem
deutschen Gebräuchen nachweisen wollen, so ver-
fallen sie in den so häufigen Fehler, zu übersehen,
dass jedes Symbol ursprünglich in durch militärische
wirtschaftliche oder politische Nothwendigkeiten
gebotenen Gebräuchen wurzelt. Gerade in diesem
durch Tacitus erwähnten Gebrauch sind wir augen-
scheinlich an einem solchen Ursprung angelangt.
Tacitus hatte wohl vom Stadpunkt des bereits zur
höchsten Stufe der Entwicklung gelangten römischen
Recht- und Wirtschaftslebens herabblickend, kein
rechtes Verständnis für diese einfachen Gebräuche
und Rechtsverhältnisse der barbarischen Germanen
und übersah, dass es sich bei der Tradition der
Dos und Antidos um wirkliche Wertgegenstände
handelte. Dies vermutet Baumstarck ganz richtig,
bezieht aber den Begriff von Heiratsgut und Wider-
lage nur auf die auch bei so vielen anderen Ur-
völkern übliche Viehwährung. Warum nicht auch
auf die Waffen? —• Bei den primitiven Völkern mit
ihren einfachenWirtschaftsformen wird derTauschwert
anfänglich immer durch den Gebrauchswert bestimmt,
und dieser war bei einem von Viehzucht lebenden
Volke vor allem dem Vieh eigen. Das latei-
nische Wort pecunia zeigt deutlich seinen Ursprung
aus der ehemaligen Viehwährung. Das Vieh war
ursprünglich bei den Römern das ausschliessliche
Zahlungsmittel; es wird mit der Zeit durch das
Kupfer und Erz verdrängt, dessen Tauschwert
dadurch bedingt wurde, dass es das ausschliessliche
Material zur Herstellung von Waffen und Werk-
zeugen bildete, und daher überall Verwendung fand.
Die noch in der ciceronianischen Zeit gebräuchliche
Formel des Kaufs, in der dem Verkäufer vor 12
Zeugen als symbolischer Gegenwert für das Ver-
kaufsobjekt ein Stück Erz übergeben wird, weist
noch deutlich auf den Ursprung dieses Gebrauchs
hin. Erst fortgeschrittene Wirtschaftssysteme be-
dienen sich der Silber- und Goldwährung, bis
schliesslich Tausch und Gebrauchswert aufhören,
in einem messbaren Verhältnis zu einander zu
stehen. — Die Germanen befanden sich noch auf
einer sehr niederen Stufe wirtschaftlicherEntwicldung.
Nach Silber und Gold bestand besonders bei den

36) Jähns a. a. O, S. 175.

37) Ann. Lib. II, cap. 14.
38) Tac. Germ. cap. 18.
39) A. a. O. S. 621.
 
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