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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 1
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Potier, Othmar: Die Rüstkammer der Stadt Emden, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0036

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22

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

auch zu einem gewissen Prunk bezüglich ihrer
Waffen verpflichtet fühlten, welcher Zeugnis ab-
legte von dem behäbigen Wohlstände der Fami-
lie, liegt ja auf der Hand. Segnete dann der Be-
sitzer eines solchen kunstvoll verbeinten Feuer-
rohres das Zeitliche, so mochte es seine Familie als
eine Art Ehrenpflicht empfinden, des Vaters
Büchse an einem würdigen Platze für die Enkel
aufzubewahren. Als ein solcher würdiger Ort
konnte aber nur die Rüstkammer in Betracht kom-


Fig", i. Der dem Schützenkönig- verehrte Papagei. (Mit Er-
laubnis der Stadt Emden nach einem im Besitz derselben be-
findlichen Klischee.)

men, auf welche seit Geschlechtern die Bürger mit
Stolz zu blicken gewohnt waren, weil sie den
mannhaften Sinn der Altvordern verkörperte. Dieser
pietätvollen Wertschätzung verdankt gewiss die
Rüstkammer so manches Luxusgewehr.
Sicherlich gingen auch die politischen Wirren
der letzten drei Jahrhunderte an der Rüstkammer
nicht spurlos vorüber. Ostfriesland sah wiederholt
fremdes Kriegsvolk, Engländer, Schweden, Fran-
zosen, kaiserliche Truppen, ja sogar Kasaken und
Kirgisen19) kommen und gehen. Meistens waren
das recht anspruchsvolle, ungebetene Gäste, welche
gewiss auch der alten Rüstkammer ihre unerfreu-
19) O. Klopp, Geschichte Ostfrieslands, Hannover, 1858.

liehen Besuche abstatteten, wobei manches Stück
derselben unter diesen Reisenden, welchen der
Kriegsgott den Marschplan vorgezeichnet hatte,
einen Liebhaber gefunden haben mag Die harte
kriegerische Notwendigkeit beraubte ja Emden sei-
ner ganzen Artillerie. Als nämlich im März des
Jahres 1795 e^ne V°n Kriegsfahrzeugen begleitete
englische Transportflotte in die Ems eingelaufen
war, um die in Emden lagernden englischen Trup-
pen heimzuführen, Schien eines dieser Begleit-
schiffe dem englischen Befehlshaber nicht genü-
gend stark bewaffnet zu sein, und er liess deshalb
einen Teil der Kanonen von den Wällen hinweg-
nehmen und damit dieses Fahrzeug bestücken.20)
Der Rest der städtischen Artillerie wurde später in
den Zeiten der Not veräussert. Vielleicht rühren auch
die beiden Kanonenrohre, welche in der grossen
Deichstrasse vor einem Hause als Prellsteine dienen,
sowie die Gewichte der Uhr — zerbrochene Ge-
schützrohre — im Turme des Rathauses von dem
einstigen Geschützparke der Stadt her, dessen
Stücke, wenn sie wirklich getreu nach den in der
Rüstkammer aufbewahrten Modellen, welche der
Emder Gerhard Köster (um 1619) goss, ausgeführt
worden sind, sich durch reichen künstlerischen
Schmuck auszeichneten. Viele andere Waffen wur-
den in unruhigen Zeiten verschleppt, so z. B. da
aus der Rüstkammer im Jahre 1813 Waffen ent-
nommen wurden, als in den Dezembertagen dieses
Jahres der ostfriesische Landsturm unter dem Be-
fehle des preussischen Majors Friccius zur Ein-
schliessung Delfzyls aufgeboten worden war.21) So
fand ich in der Osterburg in Groothusen eine
schöne Standbüchse, die meiner Überzeugung
nach, da in den Schaft Nummern von derselben
Grösse und Art eingeschlagen waren wie an so
vielen Feuerwaffen in der Rüstkammer, gewiss
auch einmal dieser angehört hatte.
Die auf diese Weise in der Rüstkammer ent-
standenen Lücken wurden nur spärlich durch Ge-
schenke, vereinzelte Ankäufe, durch die Zuweisung
der Waffen der im Jahre 1848 errichteten Bürger-
wehr ausgefüllt. Die letzte, grössere Vermehrung
ihres Bestandes erfuhr die Rüstkammer, als auf
Befehl Kaiser Wilhelms I. eine Anzahl preussi-
scher Militärwaffen und im Feldzuge 1870/71 er-
beutetes französisches Kriegsgeräte aus den Vor-
räten der Militärbehörde derselben überlassen
wurden.
Vergegenwärtigt man sich die Zeitverhältnisse,
unter deren Druck die Rüstkammer in Emden ent-
standen ist, so erklärt sich dem aufmerksamen Be-
obachter von selbst der streng defensive Charak-
ter des hier aufgespeicherten Kriegsmateriales. Ein
um 1500 lebender unbekannter Bürger von
Worms, der jedoch viel kriegerische Erfahrung be-
sessen haben muss, gibt Ratschläge für die Ver-

22) Derselbe.
2’) Derselbe.
 
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