Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Haeseler, Rudolf: Die historische Entwicklung der im Seekriege gebräuchlichen Waffen bis 1870, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0058

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
44

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

Liste sind weder Seitengewehre noch Schutzwaf-
fen aufgeführt, und es ist nicht anzunehmen, dass
von den 500 Matrosen nur diejenigen, welche die
200 Enterbeile führten, eine Hiebwaffe hatten.
Wahrscheinlich wurden also Schutzwaffen und
Seitengewehre noch von den Matrosen selber auf-
gebracht, wie diese auch noch für die eigene Beklei-
dung zu sorgen hatten.
Wie lange Schutzwaffen von den Matrosen
getragen wurden, lässt sich schwer feststellen. Der
Helm war jedoch zum Dienst bei den Geschützen
in dem niedrigen Raume unter Deck, sowie bei
der Bedienung der Takelage sehr hinderlich, wes-
halb sie noch eher als von den Offizieren werden
abgelegt worden sein. Die letzteren nun haben offen-
bar länger Schutzwaffen geführt. Folgendes lässt
darauf schliessen: 1673 in der Schlacht bei Texel

Abb. 2.

sank das Boot, in welchem der Admiral Spragge
sein kampfunfähig gewordenes Flaggschiff verlas-
sen wollte, um anderswo seine Flagge zu setzen.
Der Admiral ertrank, weil er durch seine Rüstung
niedergezogen wurde. Ein Bild des Admirals Blake
zeigt diesen Seehelden mit einem Kürass, welcher
schwarz lackiert war und daher nicht für eine Pa-
raderüstung gehalten werden kann. Die Admirale
deRuyter(f 1676) undTromp (f 1653) (Abb. 2), sind
mit grossen gebrauchsfähigen Ringkragen portrai-
tiert. Der Umstand, dass ein kleiner, an einer Kette
zu tragender Ringkragen 1872 und vielleicht noch
später das Dienstabzeichen der spanischen See-
offiziere bildete, spricht dafür, dass der Ringkragen
als letzte Schutzwaffe in späterer Zeit nur noch
von Offizieren getragen wurde, also ein Offiziers-
abzeichen geworden ist.
Das Schiff Henry Grace ä Dieu hatte ausser
19 schweren Kanonen aus Messing von verschiede-


Bildnis des holländischen Admirals Tromp.
(t 1653.) ■
(Nach: Clo wes, the royal navy.)

nen, zwischen 6—8 Zoll schwankendem Kaliber und
zwei 2 Vs Zollern 130 leichte Geschütze, ausschliess-
lich der oben erwähnten hundert Handbüchsen.
Unter den 19 schweren Geschützen sind nie mehr
als vier von einer Grösse und unter den 130 leich-
ten Kanonen sind sieben verschiedene Klassen an-
gegeben. Im ganzen waren vierzehn verschiedene
Geschützarten an Bord vertreten. Es sind ver-
schiedene Abbildungen dieses Schiffes vorhanden
| (Abbildung im vorigen Heft). Alle geben die
diesem eigentümlichen Flankierungstürmchen der
Back und Kampagne, sowie die viermastige
Takelage an; doch sind die Bilder unter
sich so verschieden, dass nichts Zuverlässiges
über Verteilung der Geschütze aus demselben
entnommen werden kann. Die schwersten Ge-
schütze werden wohl unten und die längsten, d. h.
die weittragendsten vorn und hinten ihre Aufstel-
lung gefunden haben.
Das Pulver wurde in Fässern an Bord genom-
men und daselbst zu Kartuschen verarbeitet. Zur
Herstellung der Kartuschen wurde Papier verwandt.
Sie, sowie die Verteilung der Munition an
vierzehn verschiedene Geschützarten erforderte
eine besondere Ausbildung; daher finden wir
in den Mannschaftslisten jener Zeit eine An-
zahl „Artilleristen“ beziehungsweise Feuerwerks-
personal angegeben (gunners). Für dieses Schiff
sind 50 Mann aufgeführt. Ob diese Artille-
risten Seeleute oder Soldaten waren, ist nicht er-
sichtlich. Wahrscheinlicherweise wurde das Feuer-
werkspersonal anfänglich der Armee und in spä-
terer Zeit dem seemännischen Personal entnommen.
Korn und Visier zum Richten der Geschütze
kamen erst sehr spät in allgemeinen Gebrauch.
Noch im Jahre 1812 hatte der Kommandant
der Fregatte Shannon seine Geschütze auf
eigene Kosten mit beiden versehen lassen. In
einer vorliegenden Schiffstafel ist für jedes
Geschütz angegeben, bis zu welcher Entfernung
die Höhenrichtung mit dem Quadranten einge-
stellt werden konnte und wie weit die äusserste
Schussweite reichte. Das Einstellen mit dem Qua-
dranten damaliger Zeit kann bei bewegtem Schiffe
kaum irgend einen Zweck gehabt haben, und wird
späterhin auch nicht mehr erwähnt. Die durch-
schnittliche Schussweite der schweren Geschütze
war mit dem Quadranten eingestellt 350 Schritt und
aufs Geradewohl gefeuert 2000 Schritt.
Zwei Nachteile hatte die artilleristische Armie-
rung der Henry Grace ä Dieu und der nach ähn-
lichen Grundsätzen gebauten Schiffe. Wurde aus
einem Geschütz mehr als einmal gefeuert, so hätte
bei der grossen Anzahl verschiedener Geschütz-
arten der Munitionstransport die grössten Schwie-
rigkeiten gemacht. Um ferner den Schwer-
punkt des Schiffes möglichst tief halten zu
können, waren die schwersten Geschütze in
der unteren Batterie untergebracht und diese
 
Annotationen