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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 3
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Litteratur
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0101

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3- Heft.

85

Zeitschrift für historische Waffenkunde,

wie Unkraut empor, historische Beziehungen werden gefunden, I
die nie bestanden haben und der Phantasie eines Märchen- !
erzählers alle Ehre machen würden. Der des Antiquitäten-
marktes unkundige Käufer soll sich eben an dem berauschen,
.was ihm dargeboten wird, der Katalog muss Gegenstände
von gutem Namen haben. Man möchte fast meinen, dass ein
Mann dieser Katalogpraxis auch dieses Buch geschrieben hätte.
Ist es aber nun schon von den Verfertigern der Auktions-
kataloge eine sehr leichtfertige Art, um keinen schlimmeren
Ausdruck zu gebrauchen, das Publikum, unter dem sich doch
immer eine Anzahl von Kennern finden wird, als so von aller
Kritik verlassen anzusehen, dass ihm alles und jedes geboten
werden kann, so ist es von den Verfertigern dieses Kataloges,
der doch den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt ‘), noch
viel weniger zu billigen, dass er vor einem ernsthaften Leser-
kreis, wie er ihn sich wünschen muss, in ganz ähnlicher Weise
zu sprechen sich unterfängt.
Wie wenig dem Bearbeiter des Verzeichnisses seine Pflicht
klar geworden ist, beweist schon der Umstand, dass er gar
nicht daran denkt, irgend eine Marke abzubilden oder ein-
gehender zu kennzeichnen. Auf die Ausstattung, die gewiss
des Lobes wert ist, sind so reiche Mittel verwendet worden,
däss auch noch dafür die Kosten sicherlich aufzubringen ge-
wesen wären. Es hätten ja photographische Aufnahmen, die
allerdings sehr gut hätten sein müssen, genügt, falls Herr
Laking nicht verstand, Markenabdrücke zu nehmen. Denn
wir zweifeln daran, ob er die jedem Waffenkenner nötigen
praktischen Kunstgriffe kennt, da er in einem s© wichtigen
Punkt wie der Konservierung, noch- nicht über einen längst
überwundenen Standpunkt hinausgekommen ist und die ihm
anvertrauten Schätze nicht anders vor Rost schützen zu können
glaubt, als wenn er sie mit dickem Firnis2) überzieht. Gerade
Marken aus einer entfernten Sammlung müssen wieder-
gegeben werden, denn nur dann wird man allmählich der
Waffenkunde ein so notwendiges Hilfsbuch schenken können,
wie es ein Markenlexikon ist, wenn von allen Seiten Material'
beigesteuert wird. Ausserdem aber wird die Kritik gerade sie
fordern, damit sie die Angaben üher den Ursprung der Waffen
prüfen kann. Und damit sind wir auf den Punkt gekommen,
bei dem Herr Laking am meisten von aller Wissenschaft sich
verlassen zeigt.
Früher nannte man leichten Herzens jede schöne Waffe
ein Erzeugnis einer italienischen oder spanischen, allenfalls
auch einer französischen Werkstatt. Es gehört zu den Ruhmes-
titeln J. FL von Hefner-Altenecks, den Beweis geliefert zu
haben, 'dass die deutschen Werkstätten mindestens ebenso
leistungsfähig waren. Seitdem hat gerade in diesem Punkte
die Waffenkunde erhebliche Fortschritte gemacht. Wenn sie
heute etwas mit hinreichender Sicherheit leistet, so ist es die
Ursprungsbestimmung nach Ländern. Aber für Herrn Laking
scheint die ganze Litteratur nicht zu bestehen. Frisch und
munter bezeichnet er die meisten guten Stücke als italienische
Arbeiten. Verirrt er sich jedoch einmal nach Deutschland,
dann glückt ihm sofort eine so wichtige Entdeckung, wie die
unter Nr. 369, Tafel XX. Denn der Harnisch ist nach ihm
wahrscheinlich ein . Werk des Meisters Wolf von Landshut.
Wie gut, dass wir nun endlich eine Ahnung von des Meisters
Stil haben, über den wir bisher nur ein paar dürftige Notizen
aus den Archiven kannten! Warum Herr Laking so tauft,
erfahren wir nicht. Ja «if reasons were as plenty as black-
berries!». Wenn sich der Verfasser die Mühe 1 genommen
hätte, in der Litteratur nachzuschlagen, so würde er ein-
gesehen haben, dass Meister Wolf, der um 1554 starb, nicht
einen Harnisch geschlagen haben kann, den er richtig in die
letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts datiert. Aber auch
einem späteren Meister hätte er die Anfertigung solch eines
Rüsthakens nicht Zutrauen sollen. Viel schlimmer noch ist

!) The famous Armoury in the Palace of Valetta is now,
perhaps for the first time, brought under the searching light
of archaeological inquiry! (Anfang der Einleitung)
2) Einleitung pag. VII.

der Missgriff, den Herr Laking bei Nr. 45 (Tafel VII) begeht.
Hier wird ein Luntenschlossgcwchr, das selbst in der Ab-
bildung als ein Arrangement aus allen möglichen nicht zu-
sammengehörigen Teilen zu erkennen ist, als deutsche Arbeit
angesprochen, während die Kolbenbildung doch ganz deutlich
— auf den Orient hinweist. Neben diesem Irrtum fallen
einige andere auf der gleichen Tafel kaum noch ins Gewicht :
Nr. 157 ist keine Arkebuse, sondern eine Scheibenbüchse,
Nr. 159 ist ein Pulverhorn aus der zweiten Hälfte des 16.,
nicht aus der Mitte des 17; Jahrhunderts, Nr. 238 ist kein
reiner Typus des Schnapphahnschlosses, sondern stellt eine
Übergangsform dar. Die feine lokale Differenzierung: «nord-
deutsch» ist durch nichts zu belegen.
Ein flüchtiger Benutzer des Kataloges wird bei so be-
stimmt ausgesprochenen chronologischen und lokalen Zu-
schreibungen glauben, Herr Laking sei ein besonders sorg-
fältig unterscheidender Kenner. Aber wer ein wenig bei
Tafel IV darüber nachdenkt, mit welchen Gründen der Ver-
fasser für die chronologisch eng zusammengehörigen Morions
die Zahlen 1570, 1580 und 1600 nennt, wird einsehen, dass
Willkür ist, was er im ersten Augenblick vielleicht als Be-
stimmtheit des Urteils anzusehen geneigt war. Nr. 1 und
Nr. 92 auf dieser Tafel sind zweifellos deutsche, Nr. 1 höchst-
wahrscheinlich eine Augsburger Arbeit, Nr. 2 aber wird wegen
seines ausgesprochenen Henri II. - Ornamentes und wegen
der Form seines Kammes nach Frankreich, zu weisen sein;
mit Italien, wie Herr Laking annimmt, haben alle drei Morions
nichts zu thun. Auf der nächsten Tafel (V) sind drei Bärte
vereinigt. Nr. 31 und Nr. 34 sind geradezu lächerliche
Fälschungen, Nr. 33 ist als solche wenigstens verdächtig.
Aber Herr Laking glaubt ja, dass unter den 5721 Stücken der
Rüstkammer nicht eine einzige Fälschung sich befinde. ’) Nun,
wir werden noch mehrere allein unter den abgebildeten Gegen-
ständen nachweisen. Ist es denn Herrn Laking ganz ' unbe-
kannt, dass am frühesten von allen Antiquitäten Waffen ge-
fälscht wurden, und hat er noch nie erfahren, dass auch aus
alten Rüstkammern durch Tausch echte Stücke heraus- und
falsche hineingekommen sind? Herr Laking betont selbst
(Einl. pp. XIII und XIV), dass die Rüstkammer von der Zeit
der napoleonischen Eroberung bis 1858 ohne Aufsicht ge-
wesen ist, und dass auch kein Verzeichnis des Bestandes
während der ganzen ersten Hälfte des XlX. Jahrhunderts
existierte. Ihm, als Keeper of the king’s armoury, wäre doppelte
Vorsicht in der Beurteilung der Echtheit der Gegenstände sehr
nötig. Tafel VI zeigt einen Halbharnisch, den der Verfasser
nach Mailand verweist. Sein Bau, wie die Ätzmalerei zeugen
aber mit Sicherheit für den deutschen Ursprung. Allein die
charakteristischen Knöpfe am Birnhelm hätten Herrn Laking
vor seinem Irrtum bewahren sollen. Wie flüchtig übrigens
die ganze Mache des Kataloges — das Wort Arbeit ist wirk-
lich zu gut —. ist, beweist der Umstand, dass auf der Tafel
der Harnisch richtig in die Wende des 16. zum 17. Jahr-
hundert versetzt wird, während der Text die Zuschreibung an
den Ordens-Grossmeister Jean de la Vallette (1557—1568) fest
hält. Der auf Tafel XIII unter Nr. 140 abgebildete zur Rüstung
gehörige Schild gestattet übrigens :— seine Echtheit voraus-
gesetzt — eine präzise Lokalisierung: die Arbeit ist aus der
Werkstatt eines Augsburgers, höchstwahrscheinlich Pfeffen-
hausers, hervorgegangen. Auf Tafel VIII beliebt Herr Laking
uns zur Abwechselung einmal spanisch zu kommen. Bei dem
Raufdegen Nr. 38 hat er auch sicher mit seiner Zuschreibung
recht, warum er dann aber den Verwandten desselben Nr. 103
aus Italien stammen lässt, ist unerfindlich. Dass er bei dem
Parierdolch Nr. 102 die spanische Herkunft annimmt, während
höchstwahrscheinlich an eine italienische zu denken ist, mag
ihm bei der Schwierigkeit, gerade diese Waffe dem einen oder
anderen der beiden Länder zuzuweisen, nicht weiter zur Last ge-
legt werden. Unverzeihlich jedoch ist die Verwechselung Deutsch-
lands mit dem durchaus nicht in Betracht kommenden Spanien
bei den beiden Schwertern Nr. 440 und 441. Aber freilich,
1

l) Einleitung p. VIII.
 
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