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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 4
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Röder, Ernst: Aus der Waffensammlung des Germanischen Nationalmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0114

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

und Werdens überkommen, und fast jedes einzelne
Stück will wieder als ein besonderes betrachtet
werden. Ein Konstruktionsprinzip freilich hat sich
fast bei allen Waffen dieser Zeit feststellen
lassen, nämlich das gleiche Verhältnis zwischen See-
lenweite und Seelenlänge von ca. i : 6. Von diesen
6 Teilen der Seele kamen 3 auf die Pulverladung,
ein Teil auf einen freien Raum bis zum Klotz, der
5. Teil auf den hölzernen Klotz selbst und der 6. Teil
auf die Bleikugel. Dass es aber auch Büchsen von
anderem Dimensionsverhältnis gab, beweisen die
beiden Handbüchsen des Germanischen Museums
aus der Sammlung Richards. Dieser Sammlung,
die zum grossen Teil auf italienischem Boden ent-
stand, gehörten die genannten beiden Büchsen an,
welche genau mit der Beschreibung übereinstimmen
von den im Jahre 1364 zu Pistoja für die Stadt
Peruggia angefertigten 500 eine Spanne langen
Büchsen. Nach A n g e 1 u c c i9) ist das Mass einer

Entwicklungsgänge der Feuerwaffen zu gewinnen,
von Wichtigkeit.“
Diese kleine Handbüchse wurde im Jahre 1849
in den Trümmern der Burg Tannenberg an der
Bergstrasse im Grossherzogtum Hessen bei den Aus-
grabungen gefunden, welche Dr. J. von Hefner-
A11 e n e c k und D r. J. W. Wolf im Aufträge des
Grossherzog Ludwigs III. von Hessen leiteten11).
Die Burg Tannenberg, einer Gewerbschaft ge-
hörig, gleichzeitig aber eines der grössten Raub-
nester der ganzen Gegend, wurde aus letzterer Ur-
sache von dem Pfalzgrafen Rupprecht von der Pfalz,
dem Erzbischof von .Mainz, dem Bischof von Trier,
den westphälischen Landfrieden, der Stadt Frank-
furt ä. M. und dem wetterauischen Bund im Sommer
1399 belagert und am 21. Juli nach tapferer Gegen-
wehr durch Sturm eingenommen. Bei dem Bündnis
zur Eroberung der' Burg war ausdrücklich verein-
bart1“) worden, dass die Burg zerstört werden und


gez. E. Röder. Fig. j. Masstab i : 10. Seitenansicht der Tannenberger Büchse.

Spanne 223 mm und besagte Büchsen, über welche
ich später genauer zu berichten gedenke, messen
ohne Hülse für den Schaftstiel 240 mm. Ihre Seelen-
länge ist 211 mm, ihre Seelenweite ca. 21—22 mm,
so dass sich ein Verhältnis von 1 :io ergiebt.
Ausser den gleichen Proportionen bei der Mehr-
zahl der erhaltenen Handbüchsen bestehen sonst
aber nur unbedeutende Ähnlichkeiten zwischen den
verschiedenen Stucken. Dieser Umstand trägt auch
wesentlich zur LTnsicherheit der Bestimmung mit
bei, weil ein Feststellen des Fortschreitens inner-
halb einer bestimmten Gattung von Büchsen vor-
derhand nicht möglich ist oder schwierig sein
dürfte.
Es wäre also unter solch unsicheren und zweifel-
vollen Verhältnissen von hoher Wichtigkeit und
Tragweite, wenn eine sich genau selbst bestimmende
Büchse gefunden würde oder eine der auf uns über-
kommenen mit voller Bestimmtheit als der 2. Hälfte
des 14. Jahrhunderts angehörend, sich datieren
Hesse. Lange Zeit hat die Tannenberger
Büchse des Germanischen Museums als
solche gegolten, bis General Köhler das Alter der-
selben in Zweifel gezogen hat. Er selbst sagt in
einem diesbezüglichen Aufsatz10) über che Ge-
schichte der ältesten Feuuerwaffen : ,,Die Entschei-
dung darüber (nämlich über das Alter der Tannen-
berger Büchse) ist, um eine Anschauung von dem
9) Angelucci: Documenti inediti per la storia delle armi
pa fuoco italiane.
lü) Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum.
Bd. 1887—1889, S. 49.

auch nicht gestattet werden solle, dass wieder eine
Burg dort erbaut werde. In dem eben zitierten
Werk ist13) über die Zerstörung berichtet: ,,Das
Werk der Zerstörung wurde mit schonungsloser
Wut begonnen und vollendet. Der mächtige Berch-
fried sank vor allem, in die Luft gesprengt durch
eine Masse von Pulver, die in seinem Verlies an-
gehäuft worden war. Von den Befestigungsmauern
blieb kein Stein auf dem andern. Was Menschen-
händen zu brechen unmöglich war, das vertilgte
das in allen Gebäuden angelegte Feuer.“ Gewiss


gez. E. Röder. Big. 2. Masstab I : 2.
Fragment einer Büchse aus dem Schloss Tannenberg.
eine sehr gründliche Zerstörung 1 Ein Wiederaufbau
fand auch thatsächlich nie wieder statt. So wuchs
Gras und Wald über den Trümmern, sodass sogar
vom Grundriss der Gebäude wie vom Umfang des
Schlosses nichts mehr zu erkennen war.
Bei den Nachgrabungen auf der alten Schloss-
stelle im Jahre 1849 wurden nun die umfangreichen
Mauerreste blosgelegt und eine reiche Ausbeute
11) über das Folgende vergleiche: Dr. J. v. Hefner und
Dr. J. W. W. Wolf: Die Burg Tannenberg und ihre Aus-
| grabungen. Frankfurt a/M. 1850.
12) Ebenda. S. 14.
i 13) Ebenda. S. 19.
 
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