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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 6
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Sterzel, Hans: Die Waffenfunde in Aliso
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0172

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

156
stehen diese in 3 verschiedenen Grössen gefundenen
Bolzen aus der von quadratischem Stabeisen gefer-
tigten, kräftigen Spitze mit Angel, aus dem höl-
zernen Schaft und aus einer den Schaft umschlies-
senden, dünnen Blechhülle, deren Zweck nicht ganz
geklärt ist. Der konisch geformte Schaft endete
in zwei mit der Basis sich, berührende, gedrungen
gebaute Kegel, von denen der unterste durch Aus-
sparung des Holzes mit einer Flügelkonstruktion
versehen ist. Die Gründe dieser eigenartigen
Schaftkonstruktion sind in dem erwähnten, Dahm-
schen Bericht in überzeugender Weise klargelegt
und auf die ballistischen Kenntnisse der Römer
zurückgeführt. Da es zu weit führen würde, wenn
ich diese ausführlichen und interessanten Erörte-
rungen hier wiederholen wollte, so verweise ich
auf genannte Arbeit, welche auch als Sonderab-
druck erschienen ist. Über die Konstruktion der
Maschine oder des Geschützes selbst, welches diese
Bolzen schoss, fehlen vorläufig alle Nachrichten,
da eiserne Beschläge u. s. w., welche als Über-
reste einer derartigen Waffe gedeutet werden und
einigen Aufschluss geben könnten, bisher nicht
ausgegraben wurden. Herr Professor Dragendorf
nimmt ein leichtes, armbrustähnliches Geschütz an,
welches damals wohl die Rolle der späteren Wall-
büchse gespielt haben dürfte.
4) Von Pfeilspitzen haben sich mehrere
Exemplare gefunden, deren Grösse, Form und
Querschnitt durch Figur 13 genügend klar wieder-
gegeben wird, so dass es einer weiteren Erläute-
rung nicht bedarf. Eine besondere Form einer
harpunenartigen, schlanken Pfeilspitze mit 3 schar-
fen Widerhaken zeigt Figur 14 in ganzer Grösse.
Diese interessante, nur in einem Exemplar auf-
gefundene Waffe ist besonders deshalb beachtens-
wert, weil sich an dem unteren Ende ihrer Angel
Reste einer dicken Bleiumhüllung oder eines Blei-
gewichtes vorfinden. Diese Art Pfeile mögen
Schleuderpfeile (martiobarbuli), eine Verbindung
des Pfeiles mit dem Schleuderblei, gewesen sein,
welche Jähns in seinem Werke: „Entwicklungsge-
schichte der alten Trutzwaffen“ auf Seite 179 und
193 beschreibt und die auch Demmin in einer
Zeichnung auf Seite 268 seines Werkes „Die
Kriegswaffen in ihren geschichtlichen Entwick-
lungen u. s. w.,“ 3. Auflage von 1891, wieder-
giebt; sie scheinen auf geringeren Entfernungen
mit der Hand geworfen worden zu sein. Ich könnte
sonst keine andere Erklärung für die eigenartige
Waffe finden.
Von eigentlichen Schleudergeschossen, wel-
che mit Hilfe einer aus Lederriemen und einem
offenen Täschchen bestehenden Bandschleuder ge-
schleudert wurden, haben sich zunächst
5) die Schleuderbleie in zwei Plaupt-
formen, mandelförmig und eichelförmig, wie sie
Figur 15 darstellt, in grösserer Zahl vorgefunden.

Ihre Gewichte differieren zwischen 28 und 85
Gramm. Sie sind im Gegensatz zu den in Italien
gefundenen „glandes“ nicht mit den sonst üblichen
Inschriften oder Legionszeichen (siehe Jähns Trutz-
waffen, Seite 192) versehen und machen einen
ziemlich verwitterten Eindruck.
Schleuder und Bogen waren, streng genom-
men, keine römischen Waffen, sondern wurden von
den Hilfsvölkern und angeworbenen Söldnern ver
wendet ; so erwähnt Cäsar in seinem „Gallischen
Krieg“, II. 7., ausdrücklich Bogenschützen von
Greta und balearische Schleuderer, welch’ letztere
sich zu jenen Zeiten des besonderen Rufes grosser
Geschicklichkeit erfreuten und sehr gesucht waren.
(Siehe auch Jähns Trutzwaffen, Seite 192.)
Gleichfalls als Schleuderwaffe können wohl die
vielfach gefundenen, aus gebranntem Thon be-
stehenden, nussgrossen Gegenstände (Figur 16) an-
gesprochen werden, welche den Schleuderbleien
in Form und Grösse fast gleichen. Derartige Thon-
und Steinkugeln sollen in den Limeskastellen häu-
figer gefunden worden sein, während die Bleige-
schosse innerhalb der deutschen Grenzen, soweit
mir bekannt, bisher nur in Aliso angetroffen wur-
den. Der Grund hierfür ist wohl darin zu suchen,
dass die Schleuderbleie schon frühzeitig, etwa um
die Mitte des 1. Jahrhunderts nach Chr., aus dem
römischen Heere verschwanden.
Die Thongeschosse sollen in glühendem Zu-
stande verwendet worden sein und sind wohl auf
eine Verwechslung mit diesem Gebrauch die von
Jähns erwähnten, fabelhaften Angaben Ovids und
Senecas, welche behaupten, die bleiernen glan-
des seien durch die Geschwindigkeit ihres Fluges
so erhitzt worden, dass sie sich zuweilen in der
Luft entzündeten und wie Feuer auf lösten, zurück-
zuführen.
6) Noch zu den Waffenfunden muss die durch
Figur 17 wiedergegebene, vierspitzige Fussangel ge-
zählt werden, von welchen die Römer bei Ver-
teidigungen fester Plätze ausgiebigen Gebrauch,
und nach Cäsar, Gail. Krieg, VII. 82, auch mit
Erfolg, zu machen pflegten.
Zum Schluss erwähne ich, dass Schwerter bis-
her nicht aufgefunden wurden, wohl aber ein Dolch,
über dessen Verbleib ich jedoch nichts erfahren
konnte und dessen Herkunft und Form auch nicht
mehr bekannt ist. Überreste von Schutzwaffen
sind ebenfalls noch nicht zu Tage getreten. Da die
Ausgrabungsarbeiten in den nächsten Jahren mit
gleicher Sorgfalt und Eifer fortgesetzt werden sol-
len, so ist zu hoffen, dass die Zahl der dem Erd-
boden entrungenen Zeichen einer wichtigen Periode
unseres deutschen Heimatlandes, welche vorläufig
in einigen etwas beschränkten Räumen der Rektor-
schule in Haltern untergebracht sind, sich noch sehr
vermehren wird; die Leitung der Arbeiten liegt ja
in bewährten Händen.
 
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