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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 6
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Bach, Hermine: Über die Erhaltung alter Fahnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0175

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6. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

159

züge und Mängel; die für den einzelnen Fall ge-
eignete zu finden, ist nicht immer leicht. Einem
Kranken gleich soll jede Fahne individuell behandelt
werden, denn die Altersschwäche ist ja oft ihrer
Gebrechen gefährlichstes nicht. Der Umstand, ob
sie ein- oder beiderseitig dekoriert, aus Seide oder
von Leinen, ob sie bestickt oder bemalt ist, und
namentlich ob sie aus einfacher oder doppelter
Stofflage besteht, endlich sorgfältige Prüfung der
Dichtheit ihrer Gewebsreste müssen die Wahl der
Behandlungsart bestimmen. Von solchen Fahnen,
welche in Vitrinen gelegt, an Wände gehängt,
oder in anderer Art von einer ihrer Seiten der Be-
trachtung entzogen werden, soll hier nicht die Rede
sein. Bei Opferung der Kehrseite eines Gewebes
bietet keine Art seiner Erhaltung nennenswerte
Schwierigkeit.
Die Fahnenblätter, insofern sie nicht ■ durchaus
auf dem Webstuhl entstanden sind, lassen sich in
zwei Hauptgruppen einteilen: sie sind entweder ge-
stickt oder bemalt.
Erstere Art, so starke Anforderungen an Mühe
und Geduld sie auch zu stellen pflegt, ist im allge-
meinen die leichter zu restaurierende An und für
sich sind diese Fahnen, da ja die meisten Stickerei-
Techniken das Unterlegen des Grundstoffes mit
einem zweiten Gewebe bedingen, somit beiderseitig
dekorierte Fahnen gewöhnlich aus vierfacher Stofif-
lage bestehen, weit widerstandsfähiger als ein ein-
faches mit dünner Farbenschicht nur stellenweise
gedecktes Blatt. Gold- und Silberstickereien in
jenen edlen Techniken, welche zur Renaissancezeit
gepflegt und später von dem Barock zu unüber-
trefflicher Vollkommenheit gebracht wurden, erhalten
sich ziemlich gut, bisweilen fast unversehrt bis in
unsere Tage. Die Wiederherstellung dieser Arbeiten
wird von fachlich gebildeten Kunststickerinnen heute
in vorzüglicher Art betrieben. Alte Stickereien
von völlig zerfallenen Grundstoffen auf andere zu
übertragen, ist ein in vielen Fällen gebotenes kunst-
volles Verfahren, allerdings nur dann, wenn nicht
zur bequemen, aber oft entstellenden Schnurein-
fassung der applizierten Formen geschritten wird.
Mässig zerstörte Gewebe-Damaste und Brokate aller-
art mit und ohne Anwendung von Unterlagen
wieder zu festigen, ist für geübte Hände keine allzu
schwere Leistung.
Weitaus grössere Schwierigkeit bietet die Er-
haltung der bemalten Fahnen, namentlich derjenigen
aus einfachem Stoff; zumeist bestehen sie nur noch
aus Bruchstücken, die manchesmal an keiner Stelle
mehr den Zusammenhang mit der Stange bewahrt
haben. Für diese morschen Überreste einstiger
Herrlichkeit giebt es, insofern ihre Grösse sie der
einfachsten und zweckdienlichsten Behandlung der
Einpressung zwischen zwei Glasplatten, entzieht,
keine andere Rettung, als das Montieren auf Gaze-
stofife oder Netze.
Das genannte Verfahren kann in zweierlei Art

geschehen: mit Hilfe von Klebestofifen oder durch
Aufheften mittels Nadel und Faden. Wenn auch
gewiss der Vorzug der Näharbeit gebührt, so lässt
sich doch nicht leugnen, dass diese Manier einen
ins Auge fallenden Nachteil besitzt: die Notwendig-
keit der Umrandung applizierter Stücke behufs teil-
weiser Entfernung des neuen Grundstoffes. Obwohl
diese gestickten, im Farbenton der Stoffe gehaltenen
Einfassungen bei tadelloser Ausführung beinahe
schmückend wirken, ist doch dieser mindestens
3 Millimeter breite Rand dem urspründlichen
Aussehen bemalter Stoffe keineswegs konform. Bei
dem viel einfacheren Vorgang des Befestigens durch
Klebemittel wird allerdings jede Konturierung und
Bedeckung der Malerei durch Stiche vermieden;
trotzdem ist dieses Verfahren ob seiner weit gerin-
geren Haltbarkeit und wegen der Entstellung alter
Gewebe durch unvermeidliches Eindringen des
Klebemittels viel weniger empfehlenswert.')
Mustergültige Beispiele von Applikation durch
Kunst der Nadel sind die im k. und k. Heeres-
Museum in Wien befindlichen, früher in St. Emaus
zu Prag verwahrt gewesenen Reste deutscher,
schwedischer und französischer Feldzeichen aus dem
30jährigen Kriege.
Weitaus einfacher als die Befestigung der Bruch-
stücke alter Fahnen auf Gewebe ist die viel ge-
bräuchliche auf das mit der Hand gearbeitete Netz.
Auch in dieser Weise können sehr befriedigende
Ergebnisse erzielt werden. Bei dem häufig geübten,
etwas schablonenhaften Verfahren, das einfarbige
Netz als Untergrund für sämtliche auch verschieden
gefärbte Stücke eines Fahnenblattes zu benutzen,
wirken aber die meist grobfädigen Gitter, beson-
ders diejenigen aus weissem Material, recht störend.2)
Zur Lösung der schwersten Aufgabe jedoch,
welche die Erhaltung der Fahnen zu stellen ver-
mag/sind alle beschriebenen Methoden unzulänglich,
nämlich da, wo es gilt, ein dünnes Fahnenblatt,
beiderseits, aber mit ungleichen Bildern bemalt, un-
vollständig, und an der Bildstelle in Partikel zer-
fallen, deren viele 2 Quadratcentimeter nicht über-
schreiten, derart herzustellen, dass es, wieder ein
Ganzes bildend, seine beiden Bilder zeigt. Das
glückliche Erreichen dieses Zieles ist jüngst nach
J) Jedes Klebemittel ist sehr schädlich. Ist es aber in einem
besonderen Falle, den ich mir allerdings kaum denken kann,
nicht zu vermeiden, so suche man die schädliche Wirkung
des Kleisters dadurch aufzuheben, dass man ihm Alaun zu-
setzt. Koetschau.
2) Vergl. dazu den sehr lehrreichen Artikel E. v. Ubischs
„Über die Aufstellung und Erhaltung alter• Fahnen“ in der
Kunstchrcnik N. F. X. Sp. 449 ff., . dessen Studium ich drin-
gend allen Museumsbeamten und Sammlern empfehle. Das
seit längerer Zeit in der Kgl. Arsenalsammlung und im Kgl.
Historischen Museum zu Dresden angewandte, neuerdings noch
weiter ausgebildete Verfahren bin ich gerne bereit, denen, die
es- wünschen, mitzuteilen. Hier, wo die Besonderheit des
Wiener Ateliers dargestellt werden soll, würde es zu weit
führen, über das Berliner und Dresdner Verfahren zu sprechen.
Koetschau.
 
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