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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 7
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Wegeli, Rudolf: Inschriften auf mittelalterlichen Schwertklingen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0194

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

178
faltigsten Formenveränderungen und nötigten auch
für die künstlerische Ausgestaltung zu einer wechseln-
den Technik, wobei sich leicht eine Entwickelung
vom Einfachen zum Vollkommeneren verfolgen lässt.
Der Arbeiter, welcher eine stählerne Klinge mit
einer figürlichen Darstellung oder einer Inschrift
zu versehen hatte, musste über eine wesentlich
höhere technische Leistungsfähigkeit verfügen, als
die einfache Linienverzierung eines gegossenen
Bronzeschwertes erheischte, und für die Aus-
schmückung eines Eisenschildes im 15. Jahrhundert
waren ganz andere Bedingungen gegeben, als für die
Verzierung eines frühmittelalterlichen Holzschildes.
Bei dem Schwerte äussert sich das Schmuck-
bedürfnis zunächst in der Verzierung der äusser-
lich sichtbaren Teile, des Griffes und der Scheide,
in geringerem oder höherem Grade, je nachdem es
sich um eine Gebrauchswaffe oder eine Prunkwafie
handelt. Griechischer und römischer Kunstfleiss
haben uns in Original und Kopie hervorragende
Meisterwerke überliefert4), und als die römische
Kultur unter den Schwertstreichen der Germanen
zusammenbrach, waren es diese, welche der Aus-
schmückung ihrer Lieblingswaffe eine ureigene Form
gaben. Es liegt nicht in dem enge gesteckten Rahmen
der vorliegenden Arbeit, welche sich ausschliesslich
mit der Verzierung der Schwertklinge bis zum Be-
ginne des 16. Jahrhunderts befasst, hierauf näher
einzutreten. Das andere bildet ein Gebiet für sich.
Auch in territorialer Hinsicht ist aus nahe-
liegenden Gründen Einschränkung angezeigt. Noch
sind wir nicht imstande, Parallelen zwischen den mittel-
alterlichen Schwertinschriften des Orients und Occi-
dents zu ziehen, und auch aus den östlichen, der
slawischen Kultur angehörenden Gebieten besitzen wir
zu wenig Vergleichungsmaterial. Das grösste Kontin-
gent an Inschriften liefern in spätkarolingischer Zeit
Skandinavien, nachher Deutschland und die Schweiz.5)
In Deutschland bildet Berlin mit dem Kgl. Zeug-
hause und dem Märkischen Provinzialmuseum, in
der Schweiz Zürich mit dem Schweizerischen Landes-
museum die zentrale Sammelstelle. Während ich
für die frühere nordische Periode in der Haupt-
sache auf die zusammenfassende Publikation von
Lorange6) und die übrige mir erreichbare nordische
Litteratur angewiesen war7, gewann ich für die
spätere Zeit festen Boden unter den Füssen, indem
mir dank der Liberalität der eingangs erwähnten
Sammlungvorstände ein sehr zahlreiches Material
zu genauer Prüfung und persönlicher Betrachtung
zu Gebote stand.

4) H. Blümner: Das Kunstgewerbe im Altertum. Leipzig
1885, Bd. II, Seite 223.
5) Das in englischen Sammlungen zerstreute Material
konnte hier nicht berücksichtigt werden.
6) Lorange: Den yngre Jernalders Svaerd. Et Bidrag til
Vikingetidens Historie og Teknologi. Bergen 1899.
1) Verschiedene wertvolle Angaben verdanke ich der
■Güte von Herrn Privatdozent Dr. J. Heierli in Zürich.

Die Spatha der Germanen als Urform des mittel-
alterlichen Schwertes. Damastverzierung.
Die Spatha, das germanische, doppelschneidige
Schwert, aus welchem sich zunächst das Schwert
der Völkerwanderungszeit und hernach das Ritter-
schwert des Mittelalters entwickelte, erscheint
schon als Bewaffnung der Kimbern und Teutonen8)
und nachher der Sueben des Ariovist.9) Sie unter-
scheidet sich erheblich von der römischen und
keltischen Hiebwaffe. Über ihre Form in vorchrist-
licher Zeit sind wir nur ungenügend unterrichtet.
Von der späteren Form ausgehend und in Berück-
sichtigung der Fundstücke lässt sich der Unter-
schied folgendermassen charakterisieren: der Gla-
dius der Römer besitzt eine geschweifte, spitz aus-
laufende Klinge; er ist kurz und auf Hieb und Stich
berechnet. Die Spatha ist breiter und länger, mit gerade
verlaufenden Schneiden und dient nur als Hiebwaffe.
Besser kennen wir die Schwerter der Völker-
wanderungszeit.
Die Ähnlichkeit mit dem keltischen, ebenfalls
Spatha genannten. Schwerte ist grösser; doch be-
stehen auch hier bedeutende Unterschiede. Die
germanische Spatha ist wuchtiger, die Klinge breiter
und gegen den Griff gerade abgeschnitten. Der
obere Klingenteil des Keltenschwertes ist in der
früheren Zeit immer geschweift; erst später, und
vermutlich unter römischem Einflüsse, zeigt sich
auch hier der unvermittelte Übergang der Klinge
zur Angel. Aber das wesentliche Merkmal des
germanischen Schwertes ist die breite Blutrinne10),
welche sich von der Ansatzstelle des Griffes bisgegen
die Spitze hinzieht. Der Gladius, häufig auch die
keltische Spatha besitzen einen Mittelgrat, der in ver-
einzelten Fällen steil und unvermittelt in der Klingen-
mitte ansetzt. In der Regel ist die keltische Klinge
allerdings von flachem oder flachkolbigem Querschnitt.
Schon frühe kommen zwei und mehr parallel
nebeneinander angebrachte Blutrinnen vor, so zum
Beispiel auf den Klingen des Nydamer Fundes, von
welchem weiter unten die Rede sein wird. Bei
südgermanischen1 J) Schwertern begegnen wir dieser
Form nie, und es rechtfertigt sich vielleicht, in
dieser Verschiedenheit einen nicht zu unterschätzen-

s) Plutarch, Marius.
9) Dio Cassius 38, 49.
10) Die Blutrinne macht die flache Klinge elastischer.
Sie spielt ferner eine ganz wesentliche Rolle bei der höchst
kunstvollen Verteilung des Gleichgewichts des Schwertes, in-
dem der Schwertfeger es in der Lland hatte, durch Ver-
breiterung oder Verlängerung der Rinne die Klinge des be-
reits fertigen Schwertes zu erleichtern. Dieses fein abgewogene
Gleichgewicht macht die alten Schwerter zu wahren Kunst-
werken. Dadurch liegen sie so wunderbar in der Hand und
ermüden den Arm nicht. Dazu kommt noch ein anderer Vor-
teil: eine in der Mitte ausgeschliffene Klinge dringt leichter
in die Fleischpartien des Körpers ein und verursacht schlimmere
Wunden als eine solche mit grätigem oder kolbigem Querschnitt.
11) Südgermanisch nicht etwa im Gegensätze zu skandi-
navisch.
 
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