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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 8
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Erben, Wilhelm: Über die Behandlung alter Fahnen und Standarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0231

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8. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

215

Mit einem Schlage sind solche Zustände nicht
zu beseitigen. Gut Ding braucht Weile. Aber
ein sehr nennenswerter Fortschritt ist gemacht und
die wohldurchdachten Worte, welche Frl. Bach
der Frage gewidmet, werden das Ihre beitragen,
die Erkenntnis weiter zu verbreiten. In diesem
Sinne möchte auch ich an dieser Stelle der ein-
schlägigen Erfahrungen gedenken, die ich während
meiner zwölfjährigen Leitung des k. u. k. Fleeres- !
museums in Wien (1891 bis 1903) gemacht habe.
Unter den Museen Mitteleuropas dürfte kaum
ein zweites einen so grossen Bestand an alten
Feldzeichen besitzen, wie das Wiener Heeres-
museum. Bei Übernahme des Museums fand ich
gegen 800 Fahnen und Standarten vor, während
meiner Wirksamkeit sind, wenn man die der Blätter
beraubten Fahnenstangen und Standartenstangen
nicht mitrechnet, 178 Fahnen und 66 Standarten
hinzugekommen. Die richtige Ordnung und Be-
handlung dieses enormen, an geschichtlichen Be-
ziehungen ungemein reichen Bestandes an Feldzeichen j
hat von Beginn an eine der ernstesten Sorgen
meines Amtes gebildet. Ein vollständiger Bruch
mit der Vorgefundenen dekorativen Aufstellungsweise
der Lahnen und Standarten war in den ge-
gebenen Räumlichkeiten nicht sofort durchführbar;
um trotzdem jedem Besucher eine wirkliche Be-
trachtung und Auffindung des einzelnen Feldzeichens
zu ermöglichen, musste ich einen doppelten Weg
einschlagen: Zunächst wurden die an den Saal-
wänden angebrachten Fahnengruppen, welche vor-
dem vorwiegend nach malerischen Gesichtspunkten
hergestellt worden waren, in der Weise umgestaltet,
dass jede Gruppe nur gleichartige Stücke enthielt
und dass auch innerhalb jeder Gruppe eine die
Auffindung erleichternde Ordnung nach den Truppen- 1
körpern eintrat. Aus dieser verbesserten, dem
Ideal einer guten Aufstellung aber doch noch lange
nicht genügenden Ordnung der Gruppen wurde
aber zweitens nach und nach eine immer wachsende
Zahl hervorragender, geschichtlich oder typisch
bedeutender Stücke ausgewählt und derart an-
gebracht, dass die Schäfte horizontal liegen,
die Blätter aber in voller Entfaltung sich
dem Auge dar bieten. Naturgemäss mussten die
kleineren so behandelten Stücke, also vor allem die
Standarten der Kavallerie mit ihren reichen Gold-
stickereien, um sie dem Besucher möglichst nahe
rücken zu können, in Glaskästen untergebracht
werden. In sechs Vitrinen von 3,8 (3,64) m Länge, 2,12
(1,81) m Höhe und 58 (48) cm Breite-) konnten 11 5
Standarten und 10 Fahnen in solcher Weise Platz
finden, dass sie teils von beiden, teils wenigstens
von einer Seite bequem besichtigt werden können
und vor jeder Beschädigung bewahrt bleiben; eine
2) Die in Klammern gesetzten Zahlen bezeichnen die
Innenmaasse. Ich verdanke die Mitteilung der genauen Maass-
angaben meinem Nachfolger am Heeresmuseum, Herrn Kon-
servator Dr. John.

einfache, verstellbare Vorrichtung im Innern der
Kästen gibt den horizontal liegenden Schäften eine
feste Unterlage. Bei Infanteriefahnen, deren Blätter
noch ganz oder etwa zur Hälfte erhalten sind,
verbot aber deren Grösse und der zur Verfügung
stehende Raum eine Aufbewahrung hinter Glas;
dieser Umstand und auch die Notwendigkeit, das
Blatt von einiger Entfernung überblicken zu können,
erforderten eine Aufstellung in grösserer Höhe. Zu
solchem Zwecke wurden von Fall zu Fall beson-
dere eiserne Fahnenhalter hergestellt: Träger von
Rundeisen, die links und rechts neben den
Fenstern sowie oberhalb derselben, teilweise auch
an den Gewölbegurten in die Mauer eingeschlagen,
und Ständer von Flach eisen, die auf die obere
Decke der hohen Glaskästen paarweise angeschraubt
wurden. In dieser Weise sind 77 Fahnen und
Standarten vollständig freischwebend, also von
beiden Seiten und in guter Beleuchtung sichtbar
aufgestellt worden. Somit war nach mehr als zehn-
jähriger Arbeit für ungefähr den fünften Teil der
im Heeresmuseum vorhandenen Feldzeichen (125 -f-
77 = 202) die Aufstellung mit horizontal liegender
Stange erreicht.
Die verschiedenen Stadien dieser allmählich,
bei stets fortdauerndem und stark zunehmendem
Besuch der Anstalt durchgeführten Arbeit, kommen
in den 1895, 1899 und 1903 ausgegebenen Auf-
lagen des Kataloges sowohl in der Beschreibung
der Säle als in den Registern zum Ausdruck, ob-
wohl das eigentliche Ergebnis der inzwischen ge-
pflogenen Forschungen über die Geschichte der
Fahnen dort nur zum kleineren Teil verwertet und
einer späteren Publikation Vorbehalten ist.3) Die
notwendige Vorbedingung aber für jene um-
fangreiche Änderung der Fahnenaufstellung
war die Restaurierung der Fahnen und Stan-
darten.
Sämtliche in horizontaler Schaftlage ange-
brachten Fahnen und Standarten sind, ehe sie diese
neue Aufstellung fanden, einer sorgfältigen, die in-
dividuelle Beschaffenheit des Einzelfalls berück-
sichtigenden Restaurierung unterzogen worden,
welche deren dauernde Erhaltung gewährleistet und
die beiderseitige Besichtigung des Blattes ermög-
licht. Werden dazu noch jene restaurierten Fahnen
und Standarten, welche wegen Raummangel vor-
läufig in den Gruppen verbleiben mussten, sowie
die kostbaren PAhnenbänder gerechnet, die vor
ihrer Ausstellung in Glaskästen eine analoge Be-
handlung erfuhren, so sind weit über 250 Feld-

3) Eine Reihe von praktischen Erfahrungen über die
entsprechende Behandlung und Konservierung der bei den
Truppen in Verwendung stehenden Fahnen, die sich im Zu-
sammenhang dieser Arbeiten nebenbei ergaben, sind in dem
„Entwurf zu einem Dienstbuch über die Fahnen der k. u. k.
Armee“ (Mitteilungen des Heeresmuseums, 2. Heft, S. XXVIII
—XLIX) niedergelegt. Vgl. auch „Neue Freie Presse“ vom
19. September 1903.
 
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