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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 8
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Erben, Wilhelm: Über die Behandlung alter Fahnen und Standarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0233

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8. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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arbeit kann wenigstens dann, wenn die Fahne am
Schaft bleiben soll, nicht die Rede sein.
Die an den Emauser Fahnen geleistete Arbeit
richtig zu bewerten, ist allerdings nur der imstande,
der dieselben noch im Kloster selbst oder un-
mittelbar nach ihrer Übernahme im Heeresmuseum
gesehen. Da dies bei Frl. Bach nicht zutrifft und
es vielleicht nicht nutzlos ist, sich neben den guten
Herstellungsarten unserer Zeit auch die verfehlten
Mittel einer älteren zu vergegenwärtigen (nicht zur
Nachahmung, sondern als abschreckendes Beispiel),
so will ich auch darüber hier berichten.
Die zerfallenden Reste jener ehrwürdigen
Fahnen waren im Stifte Emaus (wann ist mir un-
bekannt) ohne Zweifel zum Zweck besserer Erhal-
tung auf starke quadratische Leinwandstücke auf-
geklebt worden. Selbstverständlich wurden dadurch
die Bemalung, die Inschriften und Jahreszahlen der
einen Seite verdeckt, und da man sich nicht die
Mühe nahm, die Fragmente in richtige Ordnung zu
bringen, so schoben sich die einzelnen Teile bald
über einander, bald wurden sie auseinander gezerrt,
ja die Bestandteile verschiedener Fahnenblätter
wurden vermengt. Solche Sorglosigkeit erklärt
sich am besten, wenn man die Aufstellungsweise
dieser Fahnen in der Kirche kennt: sie schwebten
(bis August 1897) in einer Höhe von 15 — 20 Meter,
also für den Beschauer völlig unkenntlich, im Chor
der Kirche. Da mochte es genügend erscheinen,
die bunten Reste irgendwie aufzupappen, die Lein-
wandblätter mit falschen Stangen und Spitzen zu
versehen und — die freibleibenden Teile des Unter-
lagstoffes farbig anzustreichen! Ein hübsches
Schulbeispiel jener Barbarei, denen geschichtlich
bedeutsame Objekte am Unrechten Platze mitunter
ausgesetzt sind.'1) Im Heeresmuseum von den
Unterlagen abgelöst mussten die Reste nun erst
3) Gerade die Aufbewahrung in den Kirchen hat nach
meinen, in dieser Hinsicht sehr reichhaltigen Erfahrungen in
den meisten Fällen schlechte Konservierung der Fahnen und
Missachtung ihres historischen Wertes zur Folge. Deshalb
kann ich Herrn Direktor v. Ubisch nicht zustimmen, wenn er
(Kunstchronik N. F. 10, 449) es bedauert, dass der an sich

in die richtige Lage gebracht werden; dieses zeit-
raubende ,,Geduldspiel“, das auch mir manche
Stunde gekostet, gestaltete sich um so schwieriger
als es für die Wiederherstellung dieser Unica an
brauchbaren Vorbildern fehlte. Erst wenn dieses
Geschäft erledigt war, begann die mühselige Arbeit
der Nadel, die sich bei der Sprödigkeit des be-
malten Seidenstoffes und der strenge aufrecht er-
haltenen Forderung, jedes kleinste Restchen richtig
zu verwerten und beiderseits sichtbar zu machen,
für Augen und Hände der geplagten Stickerin oft-
mals zu einem verzweifelten Problem gestaltet hat.
Wenn ich heute, aus der Ferne einer freieren
Thätigkeit auf jene Erinnerungen aus meiner Mu-
seumszeit zurückblicke und sie hier vorzubringen
mir herausnehme, so geschieht es in der Hoffnung,
dass dadurch auch andere Museumsbeamten, nicht
bloss die Leiter der grossen Anstalten, an denen
ja zumeist schon in gleichem Sinne gearbeitet wird,
sondern mehr und mehr auch die Hüter kleinerer
Sammlungen auf die Notwendigkeit hingelenkt
werden, den ihnen anvertrauten Fahnen ihre volle
Aufmerksamkeit zu widmen. Diese bilden den
heikelsten und schwierigst zu behandelnden Bestand
der Waffensammlungen, die Art ihrer Aufstellung
und Konservierung bietet eines der untrüglichsten
Unterscheidungszeichen, um zu erkennen, mit wel-
chem Maass von Verständnis und Pflichtgefühl die
Museumsleitung ihrer doppelten Aufgabe gerecht
wird, das Vermächtnis der Vergangenheit zu er-
halten und es zur Anregung und Belehrung dem
Besucher sichtbar darzubieten.
gewiss sinnige Brauch, Fahnen in Kirchen zu deponieren, in
Deutschland abgekommen sei. Dieses Abkommen hängt wohl
damit zusammen, dass man in Deutschland oder wenigstens
in Preussen früher als in Österreich den historischen Wrert der
Fahne erkannt hat. Und auch darin musste und muss ich
meinem verehrten Berliner Kollegen stets widersprechen, dass
er die Applizierung des Fahnentuchs auf feine Filetnetze als
„die einzige zweckmässige Instandsetzung“ desselben ansieht.
So gut sich dieser Vorgang für bestimmte Zwecke eignen
mag, so darf doch nie eine einzelne Methode als allein und
überall tauglich hingestellt werden. In dieser Idinsicht stimme
ich vielmehr vollkommen mit Frl. Bach überein, welche mit
Recht individuelle Behandlung für jede einzelne Fahne fordert.


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