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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 9
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Liebe, Georg: Der Schwerttanz der deutschen Handwerker
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0270

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band


254

scheinen sie auch 1560 in Butzbach die Darsteller
gewesen zu sein. Als Jahreszeit der Aufführung
findet sich häufig Fastnacht genannt, die früher
für Turniere, später für dramatische Schauspiele
jeder Art beliebte Festzeit. So gestattet noch 1615
der Rat zu Braunschweig „den Buttigern ihren
Bügel- und den Messerschmieden ihren Schwert-
tanz auf den Gassen, doch ohne Vermummen und
Trommelschlag, gebieten, dass ein jeder sich aller
Mummerei, Fastelabendlaufens, ungebührlichen Ge-
schreis und Ungeheuern Getöns strack enthalte“.
Gelegentlich diente der Tanz auch der Verherr-
lichung anderer Feste, so 1605 vor dem Grafen
zu Stolberg auf dem Schlosse zu Wernigerode,
1651 zu Lollar in Hessen bei der Heimholung der
Gemahlin Landgraf Ludwigs.5) Als Örtlichkeit er-
scheint in der Regel ein freier Platz oder die Strasse,
von dem in Lollar heisst es: „Das einfallende
Schneewetter verkürzete den hochansehnlichen be-
gierigen Anschauern die Lust“. Ausnahmsweise
wird 1590 zu Köln das Gaffel-(Zunft-)Haus ge-
nannt und 1604 bitten zu Hildesheim die Grob-
schmiede um Erlaubnis, „dass wir den Schwert-
tanz, welches dann ein sonderlich exercitium und
gebrauch unter uns Knechten unsers Handwerks
ist und unser etzliche dasselbe an andern Orten be-
reits gebraucht, auch solches unsern mitgesellen
und Bürgerssöhnen allhier, so dazu sonderliche
Lust und Liebe gehabt, angewiesen und gelehret
haben, auf dem Wand- (Gewandschneider-) Haus,
auch hin und wieder in Klöstern und Pfaffen-
hofen vor denjenigen so dazu ein Gefallen haben
möchten gebrauchen und spielen, auch deswegen
uns des übermässigen saufens, so sonsten leider
zu geschehen pflegt, enthalten, auch andre Leute
Jung und Alt in der Fastelabends-Zeit etwas anzu-
schauen haben mögen“.6)
Über die Art der Ausführung des Tanzes fehlt
es gänzlich an eingehenden Schilderungen, in-
dessen geht aus Andeutungen soviel hervor, dass
die Leidenschaftlichkeit der ältesten Gestaltung, wie
sie auch aus Tacitus’ Worten hervorblickt, längst
gemessener Bewegung gewichen war. Offenbar
war das Wesentliche die Bildung künstlicher Fi-
guren durch die taktmässige Bewegung der Tänzer
und ihrer Waffen. Ein sorgfältiges Einstudieren
erhellt aus den Worten der eben angeführten Hildes-
heimer Quelle: „dass wir uns etzliche Wochen
nach einander zu behuf des Schwerttanzens, welches
dann sonderlich ein fein lustiges Spiel gleichwie
an andern Orten auch vormals allhie in Hildes-
heim gebräuchlich gewesen, exerciret und geschickt
gemacht, auch deswegen viel mühe und unkostunge
auf gewandt haben“. Es liegt nahe, hier an einen
andern Handwerkstanz zu denken, auf den die
Quellen selbst anspielen, wenn sie 1487 in Köln
3) Zeitschr. des Harzvereins 1885, S. 490; Müllenhoff,
Festgaben.
ß). Zeitschr. des Harzvereins 1895, S. 751.

vom Tanzen mit Schwertern oder Reifen sprechen,
1615 in Braunschweig vom Bügeltanz der Böttcher.
Es ist der Schäfflertanz, der sich in München bis
in die Neuzeit erhalten hat, vor alters aber gleich
dem Schwerttanz in Städten der verschiedensten
Landschaften gepflegt wurde. Bei ihm bilden die
regelmässigen Schwingungen der verzierten Fass-
reifen einen wesentlichen Zug. Wenn die Volks-
meinung ihn auf die Freude über eine überwundene
Pest zurückführt, so ist Sepp geneigt, ein altes
Winzerfest in ihm zu sehen.7)
Für den Schwerttanz steht soviel fest, dass
die Zahl der Teilnehmer immer eine grössere war;
die Angaben bewegen sich meist zwischen 14—24.
Leicht verständlich ist die stete Angabe leichter
Kleidung, häufig weisser Hemden oder Wämser,
die auch auf dem einzigen erhaltenen Bilde —
aus Nürnberg 1600 — sichtbar sind. Die Not-
wendigkeit genauen Zusammenspiels erforderte
einen oder zwei Anführer, die durch farbige Klei-
dung ausgezeichnet die einzelnen Figuren leiteten.
Überliefert ist von diesen durch Beschreibungen
wie durch das Nürnberger Bild nur die den Schluss
und Glanzpunkt bildende: Die Teilnehmer ver-
schränkten ihre auf den Boden gelegten Schwerter
so, dass sie den Anführer darauf stehend in die
Höhe zu heben vermochten. Bei einer grösseren
Anzahl erscheint durch die Verteilung der Last
ein solcher Ausdruck des Triumphes über das ge-
lungene Schauspiel nicht unmöglich.8)
Wie bei derartigen öffentlichen Aufführungen
es nahe lag, -fand gelegentlich eine dramatische
Ausgestaltung des Tanzes statt. Eine solche war
es, wenn 1549 zu Fastnacht die Schuhmacher zu
Frankfurt a. M. in Verbindung mit dem Schwert-
tanz die Geschichte vom verlornen Sohn aufführ-
ten,9) wahrscheinlich als Festakt bei der Feier der
Rückkehr. Den natürlichen Ausgangspunkt für eine
solche dramatische Fortbildung boten die gewöhn-
lich in der Zweizahl auftretenden Narren, die bei
keiner Volkslustbarkeit fehlen durften. Sie erschei-
nen z. B. beim Münchener Schäfflertanz als Hansl
und Gretl in der Butten. Auch das Gesuch der
Hildesheimer Schmiede 1604 erwähnt vorsichtig
ihrer zwei, „so niemand zuwider noch leid thun
sollen“. Ihre Spässe und die z. B. aus Hessen
überlieferten poetischen Ansprachen der Anführer
mochten sich leicht zu einer kunstlosen drama-
tischen Wechselrede gestalten, wie sie in England
aus alter Überlieferung erhalten ist, bei uns nur
in moderner Form, für die aber alte Vorgänge an-
zunehmen sind. Derartige Spiele haben sich bis
ins neunzehnte Jahrhundert zwei erhalten, das eine
in der Flarzer Bergmannsstadt Clausthal, das andre
— allerdings nur in Aufzeichnung — in Lübeck.10)
7) Der Schäfflertanz und sein unvordenkliches Alter. 1893.
8) Müllenhoff, Festgaben.
°) Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter I, S. 441.
10) Müllenhoff, Festgaben, und Haupt’s Zeitschr. Bd. 20.
 
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