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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Thierbach, Moritz: Über die Entwicklung des Steinschlosses
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0327

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11. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

311

nicht im rechten Winkel hergestellt, sondern spitz-
winklig und ist dementsprechend auch das vor-
dere Ende der Stange mit einer Art Schnabel —
dem Stangenschnabel — versehen. Auch hier ist
der Schlagflächenteil von dem Pfanndeckel ge-
trennt, der bei dem Niederschlagen des Hahnes
durch eine Schieberstange von der Pfanne hin-
weggeschoben wird.
Ein besonders wichtiges Schloss ist in Fig. 12
von innen dargestellt. Es hat dasselbe zwei Rasten,


und zwar ist die erste — die Ruhrast — so tief
und spitzwinklig nach der Form des Stangen-
schnabels eingeschnitten, dass das Schloss in dieser
Stellung nicht abgedrückt werden konnte; eine
besondere Sicherung war daher unnötig. Der
Schlagflächenteil ist mit der Pfanndecke zur Bat-
terie vereinigt; dieses Schloss befindet sich an
einem Pistol im historischen Museum Dresden mit
dem Namen „Chatanier ä Riom".
Um den Schwankungen der Nuss bei der ein-
seitigen Wirkung der Schlagfeder und dem daraus


folgenden Schleifen der Nuss auf dem Schloss-
bleche zu begegnen, wurde endlich ein neuer Teil
im Schlosse hinzugefügt, die Studel. Zentral zur
Nusswelle wurde aus dem Körper der Nuss ein
Stift hergestellt, welcher in dieser Studel seinen
Drehpunkt hatte. Dadurch wurde für die Nuss
ein zweites Achslager gebildet und so derselben

ein sicherer Gang gegeben. Fig. 13 zeigt dieses
Schloss von innen. Diese Studel ist durch eine be-
sondere Schraube am Schlossbleche befestigt. Das
Schloss befindet sich an einem Pistol im Dresdner
Historischen Museum mit dem Namen „Lagatz“ auf
dem Laufe.
Die letzte Verbesserung bestand endlich darin,
dass man der Studel dadurch eine grössere Un-
beweglichkeit verlieh, dass man sie so weit ver-
längerte, dass auch die Stangenschraube mit hin-
durch geführt werden konnte, wodurch auch die
Stange eine geregeltere Bewegung erhielt. Es ist
wohl unnötig, eine besondere Zeichnung dafür zu
geben, da diese Einrichtung hinlänglich bekannt
ist. Mit dieser Vervollkommnung war das Stein-
schloss fertig und so praktisch hergestellt, dass
es zwei Jahrhunderte lang als Zündung der Hand-
feuerwaffen Verwendung finden konnte, bis es
durch die Erfindung der Perkussionszündung über-
boten wurde.
Ich muss allerdings als Schluss hinzufügen,
dass die Entwicklung des Steinschlosses nicht so
glatt verlaufen ist, wie es hier dargestellt worden
ist. Der einundeinhalbes Jahrhundert lange Werde-
gang hat manche Abschweifung erfahren, je nach
der Kenntnis und Geschicklichkeit des Büchsen-
machers. Vielfach sind ältere Einrichtungen, ge-
wissermassen Rückschritte, wieder aufgegriffen
worden, was bei den in der Dresdner Arsenal-
sammlung enthaltenen Schlössern ersichtlich ist,
welche ich aber übergangen habe, um den
den Entwicklungsgang nicht zu verwirren und
um nicht zri weitschweifig zu werden. Besonders
häufig kommt auch anstatt der Vereinigung des
Schlagflächenteils mit dem Pfanndeckel zur Bat-
terie die Trennung dieser beiden Teile vor.
Ferner habe ich mit Willen die Zeitbestimmung
der obigen Schlösser unterlassen, soweit sie nicht
auf der Waffe selbst bez. im Inventare kenntlich
war. In einem französischen Werke der fürstlichen
Bibliothek zu Sigmaringen (Diverses pieces pour
les Arquebousiers von Jean Berrier le jeune. Paris
1659) ist bereits die Zeichnung des völlig entwik-
kelten Steinschlosses vorhanden. Hauptsächlich
französischen Meistern ist die Vervollkommnung
dieses Schlosses zu danken, weswegen es auch
früher das „französische Schloss“ benannt wurde.
Dass deutsche Schlösser nach Jahrzehnten noch
nicht so zweckmässig hergestellt waren, liegt ein-
fach in der Entfernung der Länder und dem Nieder-
gange von Kunst und Handwerk in Deutschland
während des 30jährigen Krieges und unmittelbar
nach demselben.
 
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