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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0356

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

340
setzen die keronischen Glossen des 8. Jahrhunderts
das Wort Framea mit Pflug, was die vielfach
ausgesprochene Vermutung bekräftigen würde,
dass die grössten Celtklingen als Pflugscharen ver-
wendet wurden, Augustinus identifiziert sie mit
Spatha. Die Glossa Lips, und die Glossa Pez. mit
Stapaswert19), was also alles auf die universelle
Verwendung einer Urklinge, wahrscheinlich der Celt-
Framenklinge, hindeuten würde, auf die alle diese
späteren Formen zurückgehen. Dem gegenüber hält
Karl Müllenhoff daran fest, dass die Zurückführung
des Wortes Framea auf fram, framr die einzig
zulässige sei und andere Konstruktionen auf das
entschiedenste abgelehnt werden müssten. Auch
sucht er mit grossem Erfolg nachzuweisen, dass die
spätere missverständliche Anwendung des Wortes
Framea auf die verschiedensten Waffen zunächst
auf griechische und in der Folge auf römische
Schriftsteller zurückzuführen sei, also nicht im Hei-
matland der Frame ihren Ursprung habe.20)
Wie gross übrigens die Rolle gewesen sein muss,
die die Frame im altgermanischen Kriegswesen
spielte, das zeigt die grosse Anzahl von Eigen-
namen, die von dieser Waffe hergeleitet sind und
alle dem frühesten Mittelalter angehören. In Ernst
Förstemans altdeutschem Namenbuch (Nordhausen
1856) sind nicht weniger als 50 angeführt, die alle
in unzweideutiger Verbindung mit der Frame stehen,
wie beispielsweise Frambold, Frambert, Framtrudis,
Framhard, FVamegardis, Framehildis, Framan,
Framerich, Framoald.
Keine der alten germanischen Waffen hat eine
nur annähernd so hervorragende Rolle in der Bildung
der altdeutschen Eigennamen gespielt wie die Frame,
und dass diese Namen in der späteren Zeit all-
mählich verschwinden, dürfte wohl nur darin seinen
Grund haben, dass die Erinnerung an die eigen-
artige Waffe schon in einer Zeit zu verblassen be-
gann, in der der Eigenname neben seinem Zweck,
die Individuen von einander zu unterscheiden, auch
eine Bedeutung hatte; einer Zeit also, in der das
Christentum mit seiner gerade auf diesem Gebiet
uniformierend und erstarrend wirkenden Thätigkeit
noch nicht durchgedrungen war.
Alle diese philologisch ethymologischen Unter-
suchungen aber sind nicht imstande, Licht in das
Dunkel zu bringen, welches über der Framea
schwebt, und das einzig Positive, was wir über diese
altgermanische Waffe wissen, bleibt doch das, was
Tacitus in seiner Germania darüber sagt. Ein viel
positiveres Material für die Rekonstruktion der
Framea liefern, wie schon erwähnt, die Gräberfunde.
Im Celt hatte man eine Klinge entdeckt, die im
Waffenwesen der alten Bewohner Germaniens eine
herrschende Rolle gespielt haben musste, und da
19) Vergleiche: Max Jähns, a. a. O. S. 172 und Handbuch
der Geschichte des Kriegswesens S. 408.
20) Vergl. die auf diesem Gebiete fast abschliessende
Arbeit in Müllenhoffs Altertumskunde S, 621-—631.

lag nichts näher, als diese mit der im Tacitus als
Nationalwaffe bezeichneten Framea in Verbindung
zu bringen. Die Celtfunde waren es ja auch, die
zunächst den Anstoss zur genaueren Untersuchung
des Problems gaben, während die Philologie und
Ethvmologie im Grunde genommen nur dazu dienten,
die eine oder die andere Ansicht zu stützen. Es
wurde also die Framea des Tacitus zur Erklärung
des Celts, nicht aber der Celt zur Erklärung der
Framea herangezogen, denn keine Klingenform
schien in der germanischen Frühzeit so allgemein
verbreitet gewesen zu sein wie der Celt, keine wies
auch so charakteristische Unterschiede von den bei
den nachklassischen Völkern gebräuchlichen Klingen-
formen auf, als gerade er.
Zuerst waren es, wie schon erwähnt, Klemm21)
und Lisch 22), die die Framea und den Celt in Ver-
bindung miteinander brachten und erklärten, die
Framea sei nichts anderes gewesen als eine gerade
geschäftete Celtklinge. Sie suchten dies durch eine
ihren Behauptungen günstige Interpretation des
Tacitus zu begründen, hoben die schildspaltende
Kraft und die vielfache Verwendbarkeit der Celt-
klinge hervor, machten darauf aufmerksam, dass
die Verwundungen, die eine derartige Waffe ver-
ursachte, sehr gefährliche gewesen sein mussten und
verwiesen auf Funde, welche die gerade Schäftung
des Celts ausser Zweifel setzten. Schreiber trat
ihnen entgegen, indem er die Verwendung des
Celts als Speerklinge zwar nicht ableugnete, sie
vielmehr ausdrücklich zugab und aus den ver-
schiedenen Klingenformen nachwies, andererseits
aber zu beweisen suchte, dass der Celt nicht
die Framea der Germanen, sondern eine ver-
schollene Waffe der Kelten gewesen sei, die ur-
sprünglich das ganze germanische Gebiet inne ge-
habt hätten.23) Aus ähnlichen Gründen sprach sich
Baumstarck gegen die Verquickung des Celts und
der Frame aus und sah in ihr einen gewöhn-
lichen Spitzspeer mit blattförmiger Klinge.24)
Lindenschmit leugnet überhaupt die Verwendbar-
keit des Celts als Speerspitze und sieht in der
Framea nichts weiter als die Urform des Ango-2o)
Sophus Müller stellt zwar die gerade Schäftung des
Celts nicht direkt in Abrede, glaubt aber, dass die
hackenförmige die Regel gebildet habe.2(')
Ich will zunächst auf die Gründe der Gegner,
einer Rekonstruktion der Framea als gerade ge-
schäfteten Celts, eingehen, um dann die für eine
solche sprechenden auseinanderzusetzen. Die An-
sicht Schreibers, dass der Celt eine keltische National-
waffe gewesen sei, schliesst die Möglichkeit noch
21) Klemm, a. a. O. S. 238 ff.
22) Friedrich Lisch. Friderico-Francisceum.
23) Heinrich Schreiber, a. a. O.
24) Anton Baumstarck, a. a. O. S. 310 ff.
25) L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altertums-
kunde. (Braunschweig 1880—89) S. 164.
26) Sophus Müller, Nordische Altertumskunde. (Strass-
| bürg 1897) S. 250.
 
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