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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [23]
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0381

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12. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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spindel wie bei den beiden beschriebenen Orgeln ;
das Radschloss zeigt Spuren einer Stechervor-
richtung.
Das Untergestell ist ein 89,5 cm hoher Holzbock;
derselbe hat vorne ein zweiarmiges, durch 2 breite
Querleisten verstärktes Vordergestell, welches auf
zwei Holzrollen bewegt werden kann.
Oben zwischen den beiden Armen des Vorder-
gestells ist der über 2 m lange, im vorderen Teile
besonders massive hölzerne Mittelblock eingelassen
und daselbst mittelst Eisenbänder und einer eiser-
nen Querstange befestigt; nach rückwärts endigt
der Mittelblock in einen ziemlich stark gehaltenen
Protzfuss. Die Holzteile sind mit Eisenblech und
Nietnägeln beschlagen; Vordergestell und Protzfuss
überdies durch zwei Eisenstäbe miteinander ver-
bunden.
Im vorderen stärksten Teile des Mittelblocks
ist von oben nach unten ein massiver, 6 cm starker
Eisenbolzen eingesteckt, welcher an der unteren
Seite des Blocks um 3,5 cm vorsteht, daselbst ein
Splintloch zeigt und augenscheinlich mittels Splints
im Blocke befestigt war. Oberhalb des Mittelblocks,
in einer Höhe von 8,5 cm, gabelt sich der Eisen-
bolzen zweifach und bildet zwei nach vorne aus-
gebogene halbkreisförmige Gelenksringe; in diese
sind die Läufe mit der horizontalen Verbindungs-
achse derart eingelegt, dass zwischen je zwei Läufen
ein Gelenksring zu liegen kommt. An den oberen
Enden der Gelenksringe sind zwei Eisenstäbchen
befestigt, welche nach unten herabgelegt werden
können; die unteren Enden dieser Stäbchen sind
verbreitert und haben daselbst ein Loch; bei ein-
gelegter PTuerwaffe greifen diese Stäbchen über
die horizontale Verbindungsachse und reichen mit
den unteren durchlochten Enden bis auf die vor-
dere Seite des Eisenbolzen, wo dieselben durch
einen eingesteckten eisernen Querstab festgehalten
werden.
Zum Nehmen der Höhenrichtung dient eine den
Mittellauf mit einer Gabel stützende, 15 cm lange
Richtschraube, welche einen mit Muttergewinden
versehenen Eisenbolzen von unten durchbohrt; der
Bolzen selbst ruht rückwärts, knapp vor der Richt-
schraube, auf einer im Mittelblocke eingelassenen
Eisengabel; vorne ist der Bolzen nach unten ab-
gebogen und an der linken vorderen Seite des
Mittelblocks befestigt; auch an der rechten Seite
des Mittelblocks bis zum Fusse der Stützgabel ist
ein gebogener Eisenstab angebracht.
Am Protzfuss ist rückwärts ein Eisenring be-
festigt, mittels welchem das Nehmen der Seiten-
richtung bewirkt wird.
Das Untergestell ist grösstenteils original, ein-
zelne Holzteile sind um das Jahr 1850 ergänzt worden.

Ein Schiessgebrauch Hess sich auch bei diesem
Exemplar nicht nacliweisen.
Die Konstruktion bei diesen Orgeln sollte das
gleichzeitige Abfeuern dreier Geschosse mittels
eines Radschlosses ermöglichen; die Entzündungs-
vorrichtung war jedoch recht empfindlich und un-
verlässlich; der lange Zündkanal in der mittleren
Spindel konnte leicht durch Pulverrückstand ver-
stopft werden; eine Freilegung des Kanals war
umständlich und zeitraubend. Auch der Aufbau
des Zündlochs von der Mittelspindel zur Pulver-
pfanne ist kompliziert und machte ein sicheres Ein-
fallen des Zündfunkens fraglich.
Die beim zweiten Koburger Exemplar be-
schriebene Unterlagsachse mit den Schildzapfen
lässt vermuten, dass die Feuerwaffe in die ent-
sprechenden Schildzapfenlager einer Wandlaffette
oder einer ähnlichen Vorrichtung eingelegt und


daselbst mit Kettchen und Splint festgehalten werden
sollte.
Die Handhabung einer, mit einer derartigen
Unterlagsachse versehenen Feuerwaffe zeigt eine
kolorierte Handzeichnung im Germanischen Museum
zu Nürnberg aus derZeit 1680—1700.3) (Fig. 112.)
Auf derselben ist ein Schütze dargestellt, welcher
eine Handfeuerwaffe mit auffallend langem Lauf
und mit langem massiven Kolben in Anschlag hält;
der Kolben liegt auf der rechten Schulter auf. Die
unter der Laufmitte angebrachte horizontale Quer-
achse ist mit den Schildzapfen in ein Lager ein-
gelegt und daselbst mit Splint und Kettchen fest-
gehalten. Durch diese Einrichtung wurde der
Rtickstoss aufgefangen und abgeschwächt.
Die Abbildung zeigt überdies den Schützen im
Kostüme von ca. 1700, ferner eine Karrenlaffette,
auf welcher unten ein grösseres Geschütz, über
diesem in laffettenartigen Holzgestellen zwei klei-
nere Geschütze aus Bronze befestigt sind; mithin
ein Streitkarren mit vier Feuerwaffen, bei welchem
die Rohre übereinander, etagenförmig, gelagert er-
scheinen.

3) Quellen 105. T. A. CLIX—CLX. Fig. 112 dort ent-
nommen.
 
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