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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0388

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372

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

gegenwärtiger Eigentümer folgendes in Erfahrung: Der
Helm wurde von Kindern auf dem Dachboden im Hause
des Bego Agovic in Vranici, auf der Strecke Gorazda-
Foca in der Hercegovina, aufgestöbert und diente diesen
als Spielzeug, bis ein Feldarbeiter ihn durch das Über-
spannen der Öffnung mit einem Stück Ziegenleders in
eine Handpauke (Tabl) verwandelte, wozu er sich seiner
Form nach trefflich eignete. Im Hause des Nacelniks
(Gemeindevorstehers) von Vranici, Selirn Aga Dzebo, sah
unser Sammler diese eigenartige Pauke vor drei Jahren
und erwarb sie um einen geringen Betrag.
Der lichte, in einen Knopf spitz zulaufende Helm
ist 22,5 cm hoch und besitzt die charakteristische Gestalt
der türkischen Sturmhauben. Die Glocke teilen 106 Kehl-
ungen, welche jedoch nicht bis in die Spitze der Zischägge
verlaufen, sondern nur io cm lang und unten 4 mm breit


sind, in ebenso viele Segmente; zwei Bänder begrenzen
oben und unten diese Hohlkehlen. Die Reihe von
Löchern im Stirnband spricht für die Ausstattung dieser
Haube mit einem Sonnen- und Nackenschirm, wohl auch
mit Wangenklappen. Vier, nunmehr vernietete Stellen
in der Glocke verraten, dass zu der Sturmhaube ein
Naseneisen, wie eine Federnhülse gehört haben dürfte.
Die beträchtliche Kopfweite von 66 cm, der kreisrunde
Umfang des Helmes, dessen Durchmesser 21,9 cm be-
trägt, bedingte eine ziemlich dicke Polsterung der Glocke.
Fünf Arben, sowie vier einander diametral gegenüber
stehende eiserne Zapfen, von denen jedoch einer fehlt,
rühren erst aus der Zeit her, da diese Zischägge als
Paukenkessel verwendet wurde: Sie dienten zur Be-
festigung des Trommelfelles, dem untergeschobene Holz-
klötzchen die erforderliche Spannung verliehen.
Nachdem die in ihrem gegenwärtigen Zustand 1300 g
schwere Zischägge von dem ihr airhaftenden Rost ge-
reinigt worden war, zeigte es sich, dass dieselbe einst j

über und über mit reicher Ätzmalerei geschmückt war.
Das 4 cm hohe Stirnband weist reich verschlungenes
Rankenwerk in italienischem Geschmack, das 8 mm breite
Band oberhalb der Kehlungen das schief gestellte ge-
reihte S auf, ein uraltes Ziermotiv2), welches auch im
Dekor des geriffelten Teiles der Glocke, hier jedoch in
aufrechter Stellung und paariger Anordnung, wiederkehrt.
Spärliche Reste von Gold deuten an, dass diese hoch-
geätzten Ornamente sich einst von einem vergoldeten
Grunde höchst wirkungsvoll abhoben.
Diese Sturmhaube, welche in ihrer Form und in
ihrem künstlerischen Schmuck viel Gemeinsames mit den
im Wiener kunsthistorischen Hofmuseum aufbewahrten
Zischäggen des Grossveziers Mohamed Sokolowitsch, des
Erzherzogs Max III. und des Herzogs Karl III. von
Lothringen3) aufweist, dürfte um 1590 geschlagen worden
sein und diente vielleicht einem der Mutesarifs von Dolnji
Odzak oder von Rataj, oder auch einem Mitgliede der
angesehenen Familie Cengic Beg als Schutzwaffe.
Dr. Potier.

Ein graviertes Radschloss aus dem Beginn
des 18. Jahrhunderts.
Die feingestimmte Sammlung des Herrn k. und k.
Obersten Hugo Jeglinger in Reichenberg enthält ein
intressantes Radschloss, das ich mit gütiger Erlaubnis
des Besitzers hier abbilde. Verfertigt ist es laut Inschrift
von Franz Seissenhoffer von Milldorf, die Gravierung
von J. C. Stenglin. (J. C. Stenglin Sc.) Es fehlt mir hier
an ausführlicherem Material über beide Meister, von denen
sicher in anderen Sammlungen Stücke vorhanden sind.
Boeheim nennt beide Namen nicht. Seissenhoffer ist viel-
leicht ein Nachkomme der berühmten Familie des 16. Jahr-
hunderts, Stenglin vielleicht identisch mit dem bei Stetten ge-
nannten Augsburger Stecher Johannes Stenglin, der „gute
Porträts in schwarzer Kunst“ malte — (1767) „vor mehr
als 20 Jahren“ nach Petersburg zog.
Die feine gravierte und gepunzte Darstellung auf dem
Schloss stellt die Ruhe nach der Jagd dar. Erlegte Jagd-
beute, Hirsche, ein Hase, ein Bär, ein Reiher, ein Fuchs
liegen unter einem Baum, dabei Hunde. Zwei ausruhende
Jäger sitzen dabei, der Bärentöter, mit dem Bärenspiess
am Boden, ruht, an den Baum angelehnt, die kurze Ton-
pfeife in der Hand und Rauchwolken ausstossend; der
zweite Jäger schläft zurückgelehnt, das Gewehr im Arm.
Es war im 18. Jahrhundert sehr beliebt, auf der Jagd
sich dem Genuss der Pfeife hinzugeben, wir finden dies
bei Jagddarstellungen häufig. Die Raddecke zeigt im
Laubwerk die Signatur der Graveurs, die Platte des
Hahns einen Jagdhund im Laubwerk, der obere Teil
einen Putto mit gesenkter flammender Fackel, ein Symbol
der Entzündung. Die Signatur Seissenhoffers ist halb
durch den Bügel verdeckt und konnte erst nach dem
Abschrauben desselben gelesen werden. Die Arbeit beider
Meister ist gleich sauber und fein ausgeführt. Im Joan-
neum zu Graz und bei C. Schröckenfuchs im Spital von
2) Hampel, Ein Helm von der pannonischen Reichsgrenze
in der Zeitschrift f. histor. Waffenkunde, II, S. 196.
3) Boeheim, Führer durch die Waffensammlung des aller-
höchsten Kaiserhauses, S. 174, 125 und 126.
 
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