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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [3]
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Wolf, August: National-Kunstausstellung in Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0340

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2SH !Vie ^cheffel lTkaler werden wollte . . Von I. j)roelß
eine recht praktische Huldigung; der alte Mann ließ dem
munteren Mädchen die besten Bissen Norsetzen. Viel
wnrde die Künstlerin dann mit der Erobernng geneckt,
die sie an dem Prior gemacht, und nun leben diese harm-
losen Scherze —^ recht wie die Eintagsfliege im Bernstein
— so lange fort, wie der „Trompeter" lebt.
Aus jenein Brief an Frau Engerth — der nus
Heidelberg vom 17. Dezember datiert war — erfahren
wir denn auch aus Scheffel's Mund direkt, welchen Anteil
der Winter in Nom an der Entstehung seiner Dichtnng
hatte. Es gibt viele, die infolge einer zu wvrtlichen
Auffassnng einzelner Angaben des Dichters meinen, die
Jdee, den Trompeter von Säkkingen zum Helden einer
Dichtung zn machen, sei ihm in Jtalien ganz plötzlich ge-
kommen und ebenso plötzlich habe er sie ausgesührt.
Unsere bisherige Darlegung findet durch folgende Stclle
ans dem anch sonst höchst intercssanten Brief interessante
Bestcitigung. „Jch weiß selber kanm", schreibt Scheffel
in Bezng auf sein Werk, „wie ich dazu kam cs zu schreiben.
Jn dem prächtigen Sommer im Albaner Gebirg, in deni
frischen strebsamen Künstlerleben und in den heitcrgeselligen
Stunden, die fich unsre Kolonie dort schnf, ist mir ganz
unbewußt eine poetische Ader aufgegangen. (Dies „ganz
unbewnßt" ist freilich eine poetische Lizenz). Später in
Rom ließ mich der Gedauke nicht niehr los und ich hatte
keine Nuhe mehr, bis in der Einsaiukeit von Capri der
mitfolgende Gesang ansgebrütet war. Hiernach wird sich
auch mein damaliges schnelles Abreisen im Febrnar cr-
klären. Sie haben mich oft frenndlich lächelnd gefragt,
was die Falten auf der Stirn bedenlen sollcn, die mich
unwillkürlich anflogen; ich hab's selber kaum gewußt, viel-
lcicht waren's die Anfänge des „Trompeters", die mich
damals plagten." Jm übrigen gibt die „Zneignung"
an die Eltern ganz getreuen Bericht, bis auf kleine
Äußerlichkeiten. Wie ihn des Lieds Gestalten bis Ncapcl
verfolgt, wie er im Boiirbonischen Mnsenm aus eincni
Bilde seinen „alten Frciherrn", ihm mit dem Krückstock
drohend, zn sehen wähnte, wie er am Thore von Pompeji
gar den Kater Hiddigeigei zu begegnen glaubte, diese
Angaben zeigen uns deutlich, welchcn Weg er nahni nnd
wie die Reise einer Flucht aus dcm von Karneval durch-

— Nationalkunstausstellung in Venedig. Von A. lVolf
tobten lärmenden Rom glich, nach Ruhe, zur Arbeit, in
die Einsamkeit einer Jnsel, die ihn vor jeder Störnng
schützte, nach Capri. Vor seiner Abreise von Rom hatte
er noch einmal seinen recht beträchtlichen Freundeskreis
um sich gesammelt und zwar im Facchino bei perlendem
Monte Fiaskone. Anch diesem Weinhaus errichtete Schcffel
im letzten Gesang seiner Dichtung ein Denkmal, indem er
den „treuen Anton" gleichfalls hier Abschied nehnien läßt
von der ewigen Roma.
Die „Zueignnng" ist eine der wenigen öffentlichen
Äußeruugcn des Dichters, die ihn selbst znm Gegenstand
haben nnd vergcgenwärtigt ihn nns mit nnmittelbarer
Lebendigkeit, wie er in den Frühlingstagen anf Capri sein
erstes größeres pvetisches Werk zur Vollendung brachte.
Wir erfahren den Namen des Wirts, Don Pagano, bei
dem er in der Stadt Capri Einkehr hält nnd anf dessen
Hausdach auf- und niederwandelnd er dann die Güte
seiner bisweilen holpernden Trochäen im Taktschritt prüft.
Er stellt sein zerstrentes, ganz in Gedanken vertieftes
Wesen in einen poetisch reizvollen Gegensatz zu der naiven
Jnselbevölkerung, die aus dem blonden Fremdling nicht
klng wird, der einsam zwischen den Klippen des Meeres-
ufers träumerisch herumklettert und dann wieder in den
Trümmern der Tiberiusvilla beim Eremiten sich als
„scharfer" Zechcr bewährt. Wir haben freilich andere
Dinge als die wichtigsten Momente dieses Poetenstilllebens
hervorzuheben: daß hier in der schönsten llmgebnng des
italischen Südens ein dentscher Dichter darauf vcrfällt,
der Schönheit des Schwarzwald nnd des jnngen Rhcins
ein Loblied zu singen und deutsche Landschaft und heimisches
Wesen zum Gegenstand seines Dichtens zu inachcn; nnd
weiter, daß hier eine hiftorische Dichtung aus eineni Guß
entstand, ohne daß der Autor Quellenwerke und Akten-
material bei der Hand gehabt hätte. Sie trat in's Leben
als Produkt eines freien Schaltens nnd Waltens übcr
Kenntnisse, Eindrücke, Empstndungen und Gedanken, die
völlig ausgereift in's Bewußtsein, in's Seelen- nnd Geistes-
leben des Poeten übergegangen waren. Das Erforschte,
das Geschaute war vorher znni inneren Erlebnis gewordcn;
nun strömte es hervor, ohne daß Forschen nnd Suchen
nachzuhelfen hatten.

National-Lunstausstellung in venedig
von Auguft Ivolf (venedig)

i1>ach wiederholtem Besuche der Ausstellung will ich es
-l^versuchen, aus der verwirrenden Fülle dcs Gebotenen
einzelnes zu nennen nnd nicine Eindrücke wiederzugeben.
Da die vornehmste der Künste, die Architcktnr, kaum ver-
treten ist, die Malerei dic Plastik außerordcntlich über-
wiegt, so ist es billig, mit der Malerei zu beginnen. Es muß
hierbei vorausgeschickt beziehnngsweise wiederholt werden,
daß man es mit einer um jeden Preis realistischen Kunst
zu thun hat, die keine Traditionen kennt, sondern nnr
rücksichtslos die Natur zu geben glaubt, oft mit allem
möglichen Ernste, Lfter noch mit unbegreiflicher Roheit.
Es muß ferner betont werden, daß eine Reihe interessanter
Maler, Morelli an ihrer Spitze, ausgeblieben find. Das

Genrebild im feineren Sinne mit seinen seelischen Be-
ziehungen anf Haus und Familie, durch hnnioristische Züge
oft fesselnd, fehlt vollkommen. Ebenso, mit verschwindender
Ausnahme das, was wir Dentsche ein feines Bildnis
nennen. — Höchft auffallend ist noch überdies das völlige
Abhandensein der Frende am Nackten. Die ganze Aus-
stellung weist kein einziges Gemälde auf, auf welchem eine
männliche oder weibliche nackte Gestalt nm ihrer Schönheit
willen dargestellt wäre.
All' das vorausgeschickt, mögen zuerst die Venezianer
genannt werden. Sie zeichnen sich als die besten Koloristen
aus und haben einen letzten Rest für die Empfindung des
Schönen bewahrt. Es ist unter ihnen kein einziger
 
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